Nach dem Bohrschen Atommodell kreist ein Elektron um den Atomkern wie ein Planet
um die Sonne. Analog zum Planeten sollte das Elektron unter dem Einfluss der
Coulomb-Kraft nicht in den positiv geladenen Kern stürzen. Ein kreisendes
Teilchen verfügt immer über eine Zentripetalbeschleunigung. Wenn aber
Ladungen beschleunigt werden, erzeugen sie ein elektromagnetisches Feld. Das
Elektron müsste dann Energie in Form von elektromagnetischen Wellen abstrahlen
und folglich immer langsamer werden. Sehr bald würde es auf einer Spiralbahn
in den Kern fallen.
Warum senden Elektronen auf Bohrschen Bahnen im Widerspruch zur klassischen Physik keine elektromagnetische Strahlung aus? Wieso bleiben Atome stabil?
Mit der Vorstellung des Elektrons als ein klassisches Teilchen kommen wir hier nicht weiter. De Broglie erklärte die Stabilität der Atome, indem er die Bohrsche Quantenbedingung mit der Annahme von Elektronenwellen interpretierte. Als Wellenerscheinung kann ein Elektron nur dann keine Energie im Raum übertragen, wenn das Wellenbild zeitlich im Raum steht.
Wann können sich stehende Elektronenwellen in einem Atom ausbilden?
In der Bohrschen Quantenbedingung: me vn
2
rn =
n
h
ersetzen wir den Impuls me
v durch h/
:
![]() | (11.1) |
![]() | (11.2) |
Die Bohrsche Quantenbedingung ist daher äquivalent
zur Forderung, dass n de-Broglie-Wellenlängen
in den Umfang der n-ten Bohrschen Bahn passen.
Die Bewegung eines umlaufenden Elektrons können wir uns analog
zu einem makroskopischen Wellenvorgang vorstellen, indem wir die Enden einer
schwingenden Saite miteinander verbinden. Nach de Broglie umläuft eine
Elektronenwelle den Atomkern, so dass ihre Null-Linie die Bohrsche Kreisbahn
ist. Passt gerade ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge
in den Kreisumfang, dann bilden sich stabile, stehende Wellen aus. Wenn
die Wellenberge und -täler sich nicht von der Stelle bewegen, dann bleibt
die Ladungsverteilung in jedem Zeitabschnitt immer dieselbe. Deswegen wird keine
Energie abgestrahlt. Wenn die Quantenbedingung nicht erfüllt ist, dann
würde sich die Welle auf einer Kreisbahn durch Interferenz zerstören;
es wäre also keine stehende Welle.
Die Bohrsche Quantenbedingung ist eine Bedingung für stehende Elektronenwellen in einem Atom. Analog zu den stehenden Wellen einer schwingenden Saite wird dabei keine Energie nach außen transportiert.
Die Idee von de Broglie, diskrete Energien eines Systems als stehende
Wellen zu verstehen, entwickelte Erwin Schrödinger im Jahre 1926
zu einer mathematischen Theorie, der Wellenmechanik, in der er den Zustand
des Elektrons durch Wellenfunktionen
beschrieb.
![]() | (11.3) |
mit x : Variable
für Ort, t : Variable
für Zeit,
: Kreisfrequenz, k :
Wellenzahl und A : Amplitude.
Differenzieren wir diese Funktion zweimal nach x, dann erhalten wir:
![]() | (11.4) |
Zweimaliges Differenzieren nach t ergibt:
![]() | (11.5) |
Die Funktion
erfüllt also die folgende Differentialgleichung:
![]() |
oder | ![]() |
(11.6) |
Nun versuchen wir, eine Wellengleichung für massebehaftete
Teilchen, wie Elektronen, zu finden. Dafür verwenden wir de-Broglie-Beziehung
= h/p
im Quotienten von (11.6):
![]() | (11.7) |
Die kinetische Energie eines Teilchens ist seine Gesamtenergie E ohne die potentielle Energie V :
![]() | (11.8) |
Wir lösen diese Gleichung nach dem Impulsquadrat p 2 auf:
![]() | (11.9) |
Mit diesem Ausdruck in der Formel (11.7) kommen wir zu einer neuer Differentialgleichung:
![]() | (11.10) |
Wir multiplizieren die Gleichung (11.10)
mit - /2m,
wobei
=
/2
die reduzierte Plancksche Konstante ist. Den Term mit der potentiellen
Energie bringen wir auf die linke Seite. Mit
= 2
und (11.5) setzen wir
für - (1/
2)
2
/
t2 :
![]() |
Im Nenner der rechten Seite steht .
Die erste Ableitung der Wellenfunktion (11.3)
nach der Zeit liefert
als Vorfaktor. Damit liegt die Vermutung nahe, dass bei einer geeignet gewählten
Wellenfunktion der Term (1/
)
2
/
t2 die
erste Ableitung der Wellenfunktion nach der Zeit darstellt.
Mit ähnlichen Überlegungen postulierte Schrödinger
seine zeitabhängige Differentialgleichung für massebehaftete Quantenobjekte,
deren Lösungen wegen der imaginären Zahl i =
auch komplexwertige Wellenfunktionen sein können:
Eindimensionale zeitabhängige Schrödinger-Gleichung | ![]() | (11.11) |
Die Wellenfunktion
hat hier der Einfachheit halber nur eine Variable für den Ort: x,
das Teilchen darf sich darum nur in einer Raumrichtung (Dimension) bewegen.
Die zeitabhängige Schrödinger-Gleichung wird benötigt, wenn der
Zustand des quantenmechanischen Systems sich zeitlich verändert, z. B.
die Energie von Elektronen bei der Absorption oder Emission von Strahlung. Wir
beschränken uns im folgenden auf Systeme, bei denen die Gesamtenergie konstant
bleibt. Wegen E = h
wird auch dieselbe
Frequenz beibehalten. Der gesamte Quotient (2m/(E - V))/(h 2
2)
auf der rechten Seite der Gleichung (11.10) ist
dann eine Konstante. Lösungsfunktionen von Differentialgleichungen solcher
Art können in einen nur vom Ort abhängigen und einen zeitabhängigen
Anteil zerlegt werden:
![]() | (11.12) |
Für f(t) machen wir den Ansatz:
![]() | (11.13) |
Mit 2
(x,t)/
x2
= f(t)
2
(x)/
x2
und
2
(x,t)/
t2
= -
2
sin
t
(x)
= -
2
f(t)
(x)
formen wir die Gleichung (11.10)
um:
![]() |
und erhalten:
Eindimensionale zeitunabhängige (stationäre) Schrödinger-Gleichung | ![]() | (11.14) |