Künstliche Intelligenz für Vorausschauendes Fahren
Automatische Bewegungsvorhersage für eine intelligente Manöverplanung
Vorausschauendes Fahren hilft im Straßenverkehr dabei, Unfälle zu vermeiden. Dies gilt auch für automatisierte Fahrzeuge. So braucht es für eine intelligente – im wahrsten Sinne des Wortes „vorsichtige“ – Manöverplanung Informationen über das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer. Dabei hilft die automatisierte Bewegungsvorhersage. Ulmer Wissenschaftler setzen dabei auf Künstliche Intelligenz und konnten mit ihrer Forschung auch international schon glänzen.
„Für die Planung eines ‚intelligenten‘ Fahrmanövers braucht der Bordcomputer nicht nur Informationen über das bauliche Umfeld des Fahrzeugs, also über die Verkehrsführung, Beschilderung und Signalgebung, sondern auch darüber, wie sich andere Verkehrsteilnehmer im Verkehrsraum bewegen“, erklärt Jan Strohbeck, Doktorand am Institut für Mess-, Regel- und Mikrotechnik bei Professor Klaus Dietmayer. Für das hochautomatisierte Fahrzeug ist es weitaus schwerer, eine zukünftige Bewegungsbahn zu prognostizieren als für den Menschen. „Mit kurzen Vorhersagezeiträumen von einer Sekunde kommt der Computer zwar noch gut zurecht, indem er sich mit einfachen Bewegungsmodellen behilft. Doch bei größeren Vorhersagehorizonten werden solche Verfahren zunehmend ungenau“, erklärt der 25-Jährige, der nach seinem Bachelor als Ingenieur einen Masterabschluss in Informatik gemacht hat.
Um die Bewegungsprognosen für andere Verkehrsteilnehmer zu verbessern, nutzen die Wissenschaftler aus dem Institut für Mess-, Regel- und Mikrotechnik ein Verfahren, das sich auf Künstliche Intelligenz stützt. „Wir verfolgen dabei einen sogenannten Deep-Learning- Ansatz, bei dem Künstliche Neuronale Netze, kurz KNN, zum Einsatz kommen“, erklärt Dr. Michael Buchholz, der das Forschungsprojekt leitet. Das Ziel: die Bewegungsbahn eines Fahrzeuges mindestens für die nächsten drei Sekunden möglichst korrekt vorherzusagen. Bei diesem Verfahren werden künstliche Bilder von der Umgebung des Fahrzeuges erzeugt. Dazu gehören die Fahrspuren sowie andere befahrbare Bereiche, aber auch Informationen über andere Verkehrsteilnehmer. „Ein Künstliches Neuronales Netz wird darauf trainiert, aus diesen Bildern relevante Informationen zu extrahieren und damit wahrscheinlichkeitsbasierte Aussagen über zukünftige Fahrzeugbewegungen abzuleiten. Diese dienen dann als Hypothesen zur Bewegungsvorhersage“, erläutert Strohbeck, dessen Forschung im EU-Verbund-Projektes ICT4CART verankert ist.
Die Leistungsfähigkeit dieses Ansatzes konnte Strohbeck mit seinen Kollegen Ende letzten Jahres mit einem eindrucksvollen Erfolg unter Beweis stellen. So gewann das Ulmer Team um Jan Strohbeck die Argoverse Challenge im Bereich „Motion Forecasting“ (Bewegungsvorhersage). Bei diesem mehrwöchigen Wettbewerb, der vom US-amerikanischen Unternehmen Argo AI – einem Spezialisten für das Autonome Fahren – ausgerichtet wird, traten Teams aus der ganz Welt gegeneinander an, und zwar in den Disziplinen „Tracking“ und „Motion Forecasting“. Für das „Motion Forecasting“ mussten die Algorithmen beziehungsweise Modelle der Wettbewerbsteilnehmer möglichst gute Prognosen über das Abbiegeverhalten von Fahrzeugen an Kreuzungen treffen. Mit dem Sieg in dieser Kategorie, der mit 1500 Dollar prämiert wurde, konnte sich das Ulmer Team sogar gegen die Konkurrenz aus so hochrenommierten US-Universitäten wie Johns Hopkins oder dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) durchsetzen. Schön, wenn die Ulmer Forscher beim vorausschauenden Fahren auch international die Nase vorn haben.
Wenn künstliche Intelligenz mit Aktien handelt
Ulmer Informatiker forschen an der Entwicklung von Software-Werkzeugen, die das KI-gestützte Portfoliomanagement von Wertpapieren effizienter und transparenter machen sollen. Dafür stehen ihnen rund 100 000 Euro aus einem Eurostars-Verbundprojekt zur Verfügung, das von der Europäischen Union und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung mit insgesamt 1,2 Millionen Euro gefördert wird. Die Wissenschaftler aus dem Institut für Organisation und Management von Informationssystemen (OMI) arbeiten an der Entwicklung von Software-Werkzeugen, die dabei helfen sollen, Analysen zu prüfen und Prognose-Prozesse zu überwachen. „Unsere Aufgabe besteht darin, innovative Software-Komponenten für die Verarbeitung von Zeitreihen-Daten zu entwickeln. Damit wollen wir vor allem die Qualität der Daten messen und die Nachverfolgbarkeit der Ergebnisse verbessern. Und wir arbeiten daran, den Einsatz von KI einfacher und flexibler zu machen“, erklärt Dr. Jörg Domaschka, der das Ulmer Teilprojekt STOQS leitet; die Abkürzung steht übrigens für „Simple Timeseries Objective Quality Measurement Stack“. An dem übergeordneten Forschungs- und Technologie-Transfer-Projekt beteiligt sind neben den Universitäten Ulm und Oslo die Firmen InBestMe (Spanien) und AI Investments (Polen), die beide auf die Entwicklung von KI-Plattformen für den Finanzbereich spezialisiert sind.
Texte: Andrea Weber-Tuckermann
Fotos: KO-Fas Forschungsinitiative, Martin Herrmann, pixabay