Herbstakademie zu „Humboldts Erbe“
Botanische Mittagspause auf den Spuren des Forschers
Mit 450 Teilnehmenden ist die Herbstakademie des Zentrums für Allgemeine Wissenschaftliche Weiterbildung (ZAWiW) der Universität Ulm Ende September gestartet. Anlässlich des 250. Geburtstags des bekannten Naturforschers stand „Humboldts Erbe“ im Zentrum der Weiterbildungswoche: Die Hauptvorträge drehten sich um Humboldts Biographie, sein publizistisches Werk sowie um fast vergessene amerikanische Heilpflanzen, die Gewürzinseln und die Arbeit heutiger Fledermausforscher. Erstmals hat das ZAWiW die Herbstakademie gemeinsam mit dem Botanischen Garten organisiert – was sich auch im Programm niederschlug: Neben Botanischen Mittagspausen wurde etwa eine abendliche Taschenlampenführung durch die Gewächshäuser angeboten.
Wie üblich ergänzten zahlreiche Arbeitsgruppen und kulturelle Angebote die Vorträge. Die Teilnehmenden konnten das Leitthema der Herbstakademie vertiefen und sich beispielsweise mit der Namensgebung von Pflanzen oder der Kolonialgeschichte auseinandersetzen. Allerdings standen auch völlig anders gelagerte Arbeitsgruppen auf dem Programm: So wurde die Energieforschung im Batterie-Exzellenzcluster der Uni genauso thematisiert wie der Brexit oder Architekturzeichnungen. Die beliebten Mittwochsangebote führten die Teilnehmenden dieses Mal unter anderem in die „Unterwelt der Universität“, ins Tierforschungszentrum oder in die Kunsthalle Weishaupt. Zudem lud das ZAWiW in Kooperation mit der Aegis Literatur Buchhandlung zu einer musikalisch umrahmten Lesung rund um Alexander von Humboldt ins Café im Kornhauskeller ein.
Die diesjährige Herbstakademie ist durch Professor Klaus-Michael Debatin, Vizepräsident der Universität für Kooperationen, und Kulturbürgermeisterin Iris Mann eröffnet worden. Iris Mann fühlte sich von der Herbstakademie sogar an Alexander von Humboldts öffentliche Kosmos-Vorträge in der Berliner „Singakademie“ erinnert. Der Geschäftsführer des ZAWiW, Dr. Markus Marquard, führte die Teilnehmenden in die Akademiewoche ein. Eine Besonderheit in diesem Jahr: Senior-Onlineredakteurinnen und -redakteure erstellten eine Sonderausgabe des Journals „LernCafé“: In kurzen Artikeln haben sie im Internet über die Akademiewoche berichtet.
Botanische Mittagspause bei der Herbstakademie
Von Forschungsreisenden und ihrer Suche nach dem „grünen“ Gold
Wie die Herbstakademie stand auch die Botanische Mittagspause ganz im Zeichen Alexander von Humboldts. Rund um die Ausstellung „Forscher, Sammler, Pflanzenjäger – Unterwegs mit Humboldt & Co.“ des Verbands Botanischer Gärten konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Herbstakademie im Botanischen Garten der Universität Ulm über die Arbeit und besondere Pflanzenfunde großer Naturforscher informieren.
Der Biologe Stefan Brändel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Botanischen Garten, der selbst für seine Abschlussarbeit und seine laufende Promotion in Panama geforscht hat, hielt selbst drei der insgesamt vier Vorträge zur botanischen Mittagspause. Während es am Montag und Dienstag um den großen Forschungsreisenden Humboldt und seine fünfjährige Südamerikareise ging, sprach Brändel am Mittwoch über Kolonialbotanik, Biopiraterie und das „grüne“ Gold, sogenannte Cash Crops wie Baumwolle, exotische Früchte oder Tee. Der tropenbegeisterte Fledermausexperte Brändel nahm seine Zuhörerschaft dafür mit auf Zeitreise in die Gewächshäuser. Im Tiefland- und im Bergregenwaldhaus konnte der Biologe den Tropen- und den Andenabschnitt von Humboldts berühmtester Südamerika-Reise (1799–1804) bestens veranschaulichen. Tierstimmen vom Band vermittelten den jeweils rund 50 Gästen einen unmittelbaren Eindruck von der biologischen Vielfalt der Tropen.
Welche Pflanzen sind typisch für welche Klimazonen?
Der deutsche Naturforscher Humboldt war einer der ersten Wissenschaftler, der den Zusammenhang zwischen Klima und Botanik erkannt hat. Auf ihn und seine Mitreisenden gehen nicht nur umfangreiche Sammlungen an Pflanzen und Tiermaterial zurück, sondern auch detaillierte Wetteraufzeichnungen und Klimadaten. Bei seinem Vortrag zur Kolonialbotanik betonte der Referent noch einmal, wie eng die großen historischen Sammelreisen damals mit kommerziellen und kolonialen Interessen verbunden waren. „Alexander von Humboldt selbst war ein sehr kritischer Geist und ein Kritiker des Kolonialismus. Er hat die Missionierung und Ausbeutung der Urbevölkerung scharf kritisiert“, sagte Brändel. Doch selbst er war vom Wohlwollen der Kolonialherrschaft, in seinem Falle der spanischen Krone, abhängig.
Für die Herbstakademie-Teilnehmerinnen und Teilnehmer lag zudem einiges an Anschauungsmaterial bereit – darunter exotische Gewürz- und tropische Heilpflanzen, Kautschuk- und Kakao-Bäume sowie „lebende Steine“. Diese wasserhaltigen, stachellosen Pflanzen, die sich im Geröll vor Fressfeinden verstecken, wurden in der Wüste Namib entdeckt. Als Kostprobe gab es ein Stück Zuckerrohr, von dessen saftiger Süße sich zahlreiche Teilnehmer selbst überzeugen wollten. Der Donnerstag-Vortrag wurde von Anja Dünnebeil gehalten. Die Doktorandin vom Institut für Neurobiologie, die ebenfalls Führungen im Botanischen Garten macht, nahm die Besucherschaft mit in deutsche Wohnzimmer; also dorthin wohin viele der damals exotischen Pflanzen nach Jahrhunderten ihren Weg fanden. Es ging dabei um: Zimmerpflanzen.
Texte: Annika Bingmann, Andrea Weber-Tuckermann
Fotos: Andrea Weber-Tuckermann, Elvira Eberhardt, Stefan Brändel, Martina Fischer