Grüner Wasserstoff nach dem Vorbild der Natur

SFB CataLight zur lichtgetriebenen Wasserspaltung verlängert

Sonnenlicht ist Energie. Pflanzen nutzen sie im Zuge der Photosynthese, um aus Wasser und Kohlendioxid Glukose herzustellen. Sie verwandeln damit Sonnenlicht in chemische Energie. Chemikerinnen und Chemiker der Universitäten Ulm und Jena haben sich von diesem natürlichen Vorbild inspirieren lassen, um technische Wege zu finden, wie sich Sonnenlicht in chemische Energie umwandeln lässt. Im Transregio-Sonderforschungsbereich »CataLight« entwickeln sie nachhaltige Verfahren für die lichtgetriebene Wasserspaltung – zur Gewinnung von grünem Wasserstoff. Die DFG hat den SFB 234 im Sommer verlängert und dafür 12 Millionen Euro bewilligt.

Die Sonne ist die größte Energiequelle der Erde. Erst seit einigen Jahrzehnten ist der Mensch technologisch in der Lage, das Sonnenlicht für die klimafreundliche Energieversorgung zu nutzen. Ob in Form von Photovoltaik, Photothermie oder eben der Photokatalyse, bei der die Strahlungsenergie des Sonnenlichts in chemischer Energie gebunden wird. »Eine Schlüsselrolle spielt dabei Wasserstoff, der aufgrund seiner hohen Energiedichte ein hervorragender Energiespeicher ist«, erklärt Professor Sven Rau. Der Leiter des Instituts für Anorganische Chemie I an der Universität Ulm ist Co-Sprecher des SFB 234 »Lichtgetriebene molekulare Katalysatoren in hierarchisch strukturierten Materialien – Synthese und mechanistische Studien«. Lange vor großen Initiativen wie dem europäischen »Green Deal« oder der »nationalen Wasserstoffstrategie« haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem CataLight-SFB mit der Entwicklung chemischer Solarenergiewandler begonnen. Im Mittelpunkt steht dabei die Optimierung von photokatalytischen Materialien und Methoden.

Probenröhrchen unter einem Belichtungssystem mit LEDs
Beleuchtungsexperiment mit LEDs

Die Sonne ist die größte Energiequelle der Erde. Erst seit einigen Jahrzehnten ist der Mensch technologisch in der Lage, das Sonnenlicht für die klimafreundliche Energieversorgung zu nutzen

Eine zentrale Erkenntnis der ersten Förderphase ist die Tatsache, dass sich photokatalytische Moleküle durch die Einbettung in weiche Materie stabilisieren und steuern lassen. Auch hier ließen sich die Forschenden aus der Chemie, der Physik und den Materialwissenschaften von der Biologie inspirieren.
»In der Natur sind lichtgetriebene Prozesse wie die Photosynthese immer in hierarchisch strukturierten Umgebungen eingebettet, die dynamisch und anpassungsfähig sind«, erläutert der Chemiker Rau. Solche biologischen Architekturen, wie sie in den Photosynthese-aktiven Zellorganellen der Pflanze zu finden sind, wollen die Forscherinnen und Forscher konzeptionell mit sogenannten Soft Matter-Materialien nachbilden. Sie arbeiten dabei mit biomimetischen Lipiddoppelschichten wie sie im pflanzlichen Photosystem der Choroplasten zu finden sind, aber auch mit Kohlenstoffnanomembranen und Polymeren.

 

»Man kann sich den Elektronensprung in der lichtgetriebenen Katalyse vorstellen, wie einen Baseball-Schlag. Das Photon ist der Schläger und haut das Elektron raus. Aber das Elektron hat nur eine gewisse Flugweite, und wenn innerhalb dieser Strecke kein Reaktionspartner zur Verfügung steht und es abfängt, fällt es wieder zurück«, erläutert Rau. Daher ist es wichtig, die Distanzen zwischen den einzelnen Funktionseinheiten genauestens zu kontrollieren. Die Soft Matter-Matrix hilft dabei, die Reaktionspartner – Lichtsammeleinheit und Katalysator – räumlich so nah zusammenzubringen, dass optimale Reaktionsbedingungen geschaffen werden. Darüber hinaus setzen die Forschenden auf weiche Materie, um sich deren Eigen- schaften für den Schutz und die Reparatur von Reaktionszentren zunutze zu machen.

In der ersten SFB-Förderperiode ist es bereits gelungen, einen molekularen Reparaturmechanismus für Photokatalysatoren zu entwickeln. Dieser sorgt dafür, dass sich das katalytische System immer wieder erneuert. Die lichtgetriebene Wasserstoffbildung läuft somit viele Male über dasselbe Molekül und macht das System deutlich langlebiger. Ein weiterer Erfolg: Einzelmolekülkatalysatoren, die dank »eingebauter« Lichtenergiespeicherung in der Lage sind, auch bei Dunkelheit solare Brennstoffe herzustellen. In der zweiten Förderphase, die im Juli gestartet ist, rückt dann der Nachhaltigkeitsaspekt bei der Entwicklung von Solarenergiewandlern noch stärker in den Vordergrund. »Seltene und ökologisch bedenkliche Komponenten für Katalysatoren beziehungsweise für Photozentren sollen durch leichter verfügbare Alternativen wie organische Farbstoffe ersetzt werden«, erklärt Professor Benjamin Dietzek-Ivanšic,́ der SFB-Co-Sprecher von der Universität Jena.

Lichtgetriebene Katalysatoren für eine nachhaltige Chemie-Industrie

Die Forschenden aus Ulm, Jena und den anderen kooperierenden Forschungseinrichtungen verfolgen noch eine weitere klimafreundliche Mission: Sie wollen katalytische Prozesse, wie sie in der Chemie-Industrie zur Produktion energiereicher chemischer Erzeugnisse Tag für Tag tausendfach ausgeführt werden, auf eine solare Grundlage stellen.
Bislang kommen hier zumeist thermische Katalysatoren zum Einsatz, die auf der Grundlage fossiler Brennstoffe die benötigte chemische Aktivierungsenergie zur Verfügung stellen. »Der Aufwand bei der Einführung solargetriebener Verfahren in die katalytische Prozesstechnik wäre auch im industriellen Maßstab überschaubar, da wesentliche Abläufe und Stoffströme weitestgehend beibehalten werden könnten«, glauben die Forschenden. Dies wäre ein wegweisender Schritt für die Chemie-Industrie, um nachhaltiger zu werden und unabhängiger von fossilen Brennstoffen.

Hand hält Probenröhrchen mit roter Flüssigkeit
Probenröhrchen mit einer lichtaktiven Substanz

Lab in the Box: der Open Source Photoreaktor

Wie baut man sich ein kleines »Chemielabor« für photokatalytische Experimente? Eine detaillierte Anleitung dafür gibt es im Internet – und das auch noch kostenlos. Chemieingenieure und Experimentalchemiker der Universität Ulm haben gemeinsam einen Open Source Photoreaktor entwickelt, der mit Hilfe eines 3D-Druckers und kommerziell erhältlichen Materialien selbst gebaut werden kann. Er ist leicht zu handhaben, kostengünstig herzustellen und dank des modularen Aufbaus flexibel einsetzbar. Der Do-it-yourself-Chemiereaktor ist eine Art »Lab in the Box«, das photokatalytische Experimente unter definierten Bedingungen durchführen kann.

Der Ablauf photokatalytischer Prozesse wird von einer großen Vielzahl an Parametern bestimmt, wie etwa den eingesetzten chemischen Verbindungen, der Intensität oder Farbe des eingestrahlten Lichts. »Unser Open Source Photoreaktor hilft dabei, photokatalytische Experimente besser vergleichbar und reproduzierbar zu machen«, erklärt Professor Dirk Ziegenbalg vom Ulmer Institut für Chemieingenieurwesen, der den Reaktor gemeinsam mit experimentell arbeitenden Chemikerinnen und Chemikern aus dem SFB CataLight entwickelt hat. »Der Reaktor wurde von uns entworfen, um ungewollte Variationen zu verhindern, wie sie bei konventionellen Versuchsaufbauten regelmäßig auftreten. Damit können wir unterschiedlichste Experimente umfassend charakterisieren und unter genau dokumentierten Bedingungen durchführen.« Diese Ulmer Erfindung kommt nicht nur dem »CataLight«-SFB zugute, sondern kann von allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern genutzt werden, die zur Photokatalyse forschen. Alle für die Fertigung und Steuerung des Photoreaktors notwendigen Dateien und Informationen sind online verfügbar.

Der TRR SFB 234 »CataLight« wurde 2018 von der DFG erstmals bewilligt und mit rund 10 Millionen Euro gefördert. Ende Mai 2022 ist er für weitere vier Jahre verlängert und mit 12 Millionen Euro bestückt worden. Neben den federführenden Universitäten Jena und Ulm tragen die Uni Wien sowie das Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz und das Leibniz-Institut für Photonische Technologien e.V. zum SFB bei. Zukünftiger Partner ist das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in der Ulmer Wissenschaftsstadt.

Der Forschungsverbund »CataLight« ist Gründungsmitglied des Netzwerks CataLysis, in dem sich DFG-geförderte Forschungsinitiativen rund um die Katalyse zusammengeschlossen haben.

Text: Andrea Weber-Tuckermann
Fotos: Elvira Eberhardt