Brennstoffzellen für eine klimafreundliche Luftfahrt

Forschungsverbund soll Hybrid-Antriebe industrietauglich machen

Mit voller Kraft abheben und das emissionsfrei, ist gar nicht so einfach. Denn in großer Höhe herrscht dünne Luft, und es ist kalt – sehr kalt. In 10 000 Metern Höhe werden auch mal Rekordtiefsttemperaturen von bis zu minus 60 Grad erreicht. Wie Hybridsysteme aus Brennstoffzellen und Batterien mit diesen Extrembedingungen zurechtkommen, testet ein Forschungsteam der Uni Ulm. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Institut für Energiewandlung und -speicherung prüfen für das Verbundprojekt »EnaBle« unterschiedliche Hybridsysteme für die Luftfahrt auf ihre Sicherheit und Zuverlässigkeit.

Das kleine runde Sichtfenster der geräumigen Testkammer ist mit Kondenswasser beschlagen. Schaut man hinein, ist eine komplexe Apparatur aus Metall zu erkennen sowie ein Gewirr aus Schläuchen, Kabeln und Röhren. »Wir prüfen in dieser besonderen Anlage neu entwickelte brennstoffzellenbasierte Antriebsstränge für kleinere Flugzeuge«, erklärt Dr. Caroline Willich. Die Ingenieurin, akademische Rätin am Institut für Energiewandlung und -speicherung, leitet gemeinsam mit ihrer Kollegin Dr. Christiane Bauer die Ulmer Teilprojekte von EnaBle. Die Antriebsstränge, die auf dem Prüfstand getestet werden, basieren auf einer vielversprechenden und zugleich anspruchsvollen Hybrid-technologie. Es handelt sich dabei um Systeme, die Brennstoffzelle und Batterie vereinen und über ein ausgeklügeltes Powermanagementsystem gesteuert werden. »Solche Hybridsysteme ermöglichen größere Reichweiten als reine Batterie-elektrische-Antriebe. Sie können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den Luftverkehr umweltfreundlicher zu machen«, betont Willich.

Dr. Caroline Willich und Dr. Christiane Bauer mit einer Brennstoffzelle
Dr. Caroline Willich (links) und Dr. Christiane Bauer mit einer Brennstoffzelle

Wie zuverlässig und leistungsfähig solche Hybrid-Antriebe unter realitätsnahen Bedingungen arbeiten, testen die Ulmer Forschenden in einem speziell entwickelten, weltweit einzigartigen Prüfstand. Brennstoffzelle, Batterie und Powermanagementsystem werden dafür in eine vollklimatisierte Unterdruckkammer gebracht und dort geprüft – und zwar sowohl separat als auch im Antriebsstrang integriert.

Das Display außen am Kontrollpanel der Testkammer zeigt eine Temperatur von -20 Grad Celsius und einen Luftdruck von 0,5 bar an. Das entspricht bei einer Bodentemperatur von 15 Grad und einer Normalwetterlage einer Flughöhe von 5500 Metern. Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin überwacht die Kontrolldaten. Der Strom, den die Brennstoffzelle im Test produziert, wird in einem Elektromotor verbraucht, der außen am Teststand angebracht und mit einer elektronischen Last versehen ist, die den Propeller ersetzt.

Ingenieurinnen vor Bildschirm mit Teststand

Die Experimente sind Teil eines millionenschweren Verbundprojektes, an dem Forschungseinrichtungen, führende Industrieunternehmen aus der Luftfahrt und Spezialfirmen beteiligt sind. »EnaBle«, so der Name des Forschungsverbundes wird mit insgesamt 8 Millionen Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert. Davon erhält das Forschungsteam der Universität Ulm 1,8 Millionen Euro. Das Projekt ist eingebunden in das Luftfahrtforschungsprogramm VI-1 des Bundes zur Förderung umweltfreundlicher Technologien für den Flugverkehr. Im Mittelpunkt von »EnaBle« steht die Entwicklung eines elektrischen 250kW Antriebsstrangmoduls, das mit sogenannten Luftdruck-gespeisten Brennstoffzellen arbeitet. Zugleich soll das Projekt dazu »befähigen« (Englisch »enable«), die Industrialisierung dieser Hybridtechnologie voranzutreiben. Beteiligt an diesem Forschungsprojekt, das von Diehl Aerospace koordiniert wird, ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die DLR-Ausgründung H2Fly, der führende deutsche Triebwerkhersteller MTU Aero Engines und natürlich die Universität Ulm.

Solche Hybridsysteme ermöglichen größere Reichweiten als reine Batterie-elektrische-Antriebe

Zu den Aufgaben der Ulmer Ingenieurinnen und Ingenieure gehören nicht nur die Tests der Antriebsstränge auf dem Uni-eigenen Prüfstand. In einem anderen Teilprojekt geht es um die Entwicklung von speziellen Luftversorgungsmodulen für sogenannte Druckluft-gespeiste Brennstoffzellen. Anders als herkömmliche Brennstoffzellen kommen diese mit der dünnen Luft in großer Höhe besser zurecht und sind leistungsfähiger.

Die Ingenieurinnen und Ingenieure arbeiten außerdem an der Optimierung des sogenannten Powermanagementsystems, das in allen Phasen des Fluges die reibungslose Interaktion zwischen Brennstoffzelle und Batterie sicherstellen soll. Es muss präzise, schnell und ausfallsicher dafür sorgen, dass die Batterie bei hohem Leistungsbedarf zusätzliche Energie für den Antrieb zur Verfügung stellt. »Das heißt, beim Start und dem anschließenden Steigflug unterstützt die Batterie die Leistungsbereitstellung, und wenn die Reiseflughöhe erreicht ist, kann die Brennstoffzelle die Batterie wieder laden«, erläutert Ko-Koordinatorin Dr. Christiane Bauer.

Ingenieurinnen vor Unterdruck-Prüfstand
Im vollklimatisierten Unterdruck-Prüfstand werden Brennstoffzellen-Antriebe getestet

Die Hybridsysteme, die in »EnaBle« erforscht werden, sind noch im Entwicklungsstadium. Bis diese tatsächlich in Flugzeugen verbaut werden und abheben, wird es wohl noch Jahre dauern. Wenn der Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur entsprechend vorankommt, sind die Perspektiven zur Markteinführung und Kommerzialisierung dieser Art von Antriebssystemen allerdings gar nicht so schlecht, glauben die Ulmer Forscherinnen.

In den Roadmaps einschlägiger Luftfahrt-Unternehmen wird hierfür 2030 anvisiert. Aber schon jetzt hofft die Bundesregierung, die EnaBle fördert, auf einen kräftigen »Boost« beim Sprung dieser umweltfreundlichen Hybridtechnologie in die industrielle Herstellung und gewerbliche Nutzung. Denn im weltweiten Rennen um die besten alternativen Antriebe für eine klimaneutrale Luftfahrt sollen Deutschland und Europa schnell und mit voller Kraft durchstarten können.

Flugzeugmodell HY4

Voll abgehoben!

Die Luftfahrt der Zukunft soll umweltfreundlich sein, also leise und emissionsarm. Wie dies gelingen kann, zeigt das weltweit erste viersitzige Wasserstoff-elektrische Passagierflugzeug HY4, das 2016 am Stuttgarter Flughafen seinen Jungfernflug absolviert hat.

Der alternative Antrieb basiert auf einem Hybridsystem mit Batterie und Brennstoffzelle. Mittlerweile schafft das Kleinflugzeug Maximalgeschwindigkeiten von 200 km/h und eine Reichweite von bis zu 1500 km. In Zukunft soll diese emissionsarme Antriebstechnologie in Passagiermaschinen mit bis zu 40 Sitzen integriert werden.

Einer der führenden Köpfe des Projektes ist der Ulmer Ingenieur Professor Jose Kallo. Der – derzeit beurlaubte – Leiter des Instituts für Energiewandlung und -speicherung forscht im gleichnamigen Projekt HY4 gemeinsam mit Partnern aus der Industrie und Wissenschaft an der Zukunft des Wasserstoff-elektrischen Fliegens.

Mittlerweile schafft das Kleinflugzeug Maximalgeschwindigkeiten von 200 km/h und eine Reichweite von bis zu 1500 km


In der ersten Ausgabe von u-topics 1/2021 haben wir ausführlich darüber berichtet.

Portrait von Prof. Josef Kallo
Prof. Josef Kallo

Externer Inhalt

Um diesen Inhalt zu verwenden (Quelle: www.xyz.de ), klicken Sie bitte auf Akzeptieren. Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass durch die Annahme dieser IFrames Daten an Dritte übertragen oder Cookies gespeichert werden könnten.

Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung..

Texte: Andrea Weber-Tuckermann

Fotos: DLR, Elvira Eberhardt

Video: H2Fly