Zurück in der Wissenschaftsstadt, dem »Hotspot« der Energieforschung
Uni-Alumnus Professor Markus Hölzle ist neuer ZSW-Vorstand
In der Gründungsphase konnte das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) Markus Hölzle keine Promotionsstelle anbieten. Doch rund 30 Jahre später hat der Chemiker seine Ankündigung von damals wahr gemacht und sich erneut beworben – dieses Mal erfolgreich als ZSW-Vorstand und Leiter des Geschäftsbereichs elektrochemische Energietechnologien. Nach einer internationalen Karriere beim Chemiekonzern BASF ist Professor Markus Hölzle, Alumnus der Universität Ulm, also in die Wissenschaftsstadt zurückgekehrt. Mit seinem Knowhow in der Batterie- und Brennstoffzellentechnologie hält er das ZSW auf Erfolgskurs.
Der neue ZSW-Vorstand Professor Markus Hölzle steht auf der Dachterrasse des Batterieforschungszentrums eLaB und lässt den Blick schweifen. Noch immer kann der Chemiker kaum fassen, was er sieht. »Als ich die Universität Ulm vor rund 25 Jahren verlassen habe, war von der Wissenschaftsstadt noch wenig zu ahnen. Es gab noch nicht einmal eine direkte Busverbindung vom Hauptbahnhof in Richtung Eselsberg; und als das Daimler-Forschungszentrum gebaut werden sollte, rebellierten Studierendenvertreter aus Angst, die Industrie könnte die Universität vereinnahmen«, erinnert sich Hölzle. Mittlerweile reiht sich in der Wissenschaftsstadt Weltkonzern an Zweigniederlassung und Start-up. Für einige Baustellen in der Nachbarschaft wie den Erweiterungsbau und die Forschungsfabrik für Wasserstoff und Brennstoffzellen »HyFaB« ist das ZSW selbst verantwortlich. In etwa fünf Jahren soll sich das gesamte Ulmer Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung an der Lise-Meitner-Straße konzentrieren.
Mitte der 1980-er Jahre hat der junge Markus Hölzle gleich nebenan, an der Universität Ulm, sein Chemiestudium aufgenommen – ausschlaggebend war die Nähe zum Heimatort Heidenheim. »Damals war die Universität Ulm eine regionale Medizinische Hochschule mit angegliederten Naturwissenschaften. Das klassisch ausgerichtete Chemiestudium hat für mich aber sehr gut funktioniert«, erinnert sich der neue ZSW-Chef. Der Studienstiftler Hölzle war für 230 D-Mark Monatsmiete bei einem Bauern in Mähringen untergekommen und strampelte meist per Fahrrad zur Universität. Ablenkung durch ein ausschweifendes Studentenleben gab es aufgrund der vielen »Heimschläfer« eher nicht. Dadurch konnte der zielstrebige Naturwissenschaftler sein Studium zügig beenden und nach einer passenden Promotionsstelle Ausschau halten. Eine Bewerbung ging an das 1988 gegründete Ulmer Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung – doch Markus Hölzle erhielt eine Absage aus Raumnot. Damals schwor sich der frisch diplomierte Chemiker, einen erneuten Bewerbungsversuch beim ZSW zu starten. Doch zunächst schrieb er seine Doktorarbeit bei Professor Dieter M. Kolb am Uni-Institut für Elektrochemie.
Ungeplante Karriere im Chemie-Konzern
Obwohl der promovierte Chemiker mit einer Uni-Laufbahn liebäugelte, bewarb er sich auch beim Chemieriesen BASF und erschien nach eigenen Angaben völlig unvorbereitet und entsprechend locker zum Vorstellungsgespräch. Daraus wurden 25 Jahre im Konzern und gleich bei seinem ersten Projekt kam Markus Hölzle mit Energiethemen in Berührung: »Gemeinsam mit der Daimler AG haben wir ein Fahrzeug mit Brennstoffzellen-Antrieb entwickelt. Allerdings war es damals noch zu früh für diese Technologie. Obwohl wir alle Projektziele erreicht hatten, mussten wir uns fortan auf andere Themen konzentrieren«, erinnert sich Hölzle. Für den Chemiker begann eine Karriere im Management, die ihn unter anderem mit Ehefrau und Tochter für drei Jahre nach Houston, Texas, führen sollte. Zurück in Ludwigshafen waren dann die Lithium-Ionen-Batterien ein großes Thema: »Ausgehend von 5 Mitarbeitenden und 20 Power-Point-Folien habe ich ein ganzes Geschäftsfeld um Lithium-Ionen-Batterien aufgebaut. Damit ging viel Reisetätigkeit in Asien einher und irgendwann ist die ganze Familie nach Tokio umgezogen«, erzählt Hölzle. Begeistert von der japanischen Kultur ist der Chemiker noch heute – er bezeichnet die Zeit in Tokio sogar als die schönste für die ganze Familie.
Ein größeres Energiezentrum als die Ulmer Wissenschaftsstadt gibt es nicht. Jetzt müssen die Akteure noch stärker kooperieren und die Marke Ulm weltweit etablieren
Trotzdem ist Markus Hölzle froh, dass »Deutschland und Europa gerade noch die Kurve in der Batterieforschung gekriegt haben«. Denn sonst hätte er seine Ankündigung, ans ZSW zurückzukehren, kaum wahr machen können. »Bei einer Batterie-Tagung in Straßburg traf ich vor einiger Zeit den ehemaligen Ulmer ZSW-Vorstand Professor Jürgen Garche. Er fragte, warum ich mich nicht auf die vakante Leitungsposition am Ulmer Zentrum bewerbe.« Mit seiner Industrieerfahrung und den tiefen Einblicken in die Batterie- und Brennstofftechnologie erwies sich der Mittfünfziger Hölzle als Idealbesetzung. Und so bezog er rund 30 Jahre verspätet doch noch ein Büro im ZSW. Von seinem alten, neuen Arbeitsplatz auf dem Eselsberg zeigt sich der gebürtige Heidenheimer begeistert. Denn in den letzten Jahren ist in der Wissenschaftsstadt eine einzigartige Umgebung für die Energieforschung entstanden, die die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt. An der Universität und der Technischen Hochschule Ulm, am Helmholtz-Institut und nicht zuletzt am ZSW forschen rund 400 Mitarbeitende zu Energiethemen. Außerdem sitzen mit Daimler, Iveco und Bosch sämtliche Größen im Bereich Brennstoffzellentechnologie in der Umgebung. Bessere Voraussetzungen könnte das ZSW nicht haben, um seine Aufgaben in der anwendungsnahen Forschung zu Batterien und Brennstoffzellen, im Technologietransfer und in der Beratung von Wirtschaft und Politik zu erfüllen. »Ich habe am ZSW definitiv keinen typischen Professorenjob, sondern ich leite ein mittelständisches Unternehmen mit 200 qualifizierten Mitarbeitenden und 25 Millionen Jahresumsatz. Industrienahe Forschung und Technologietransfer sind unsere Dienstleistungen. Dafür stehen Hightech-Produktionsanlagen im industriellen Maßstab bereit«, resümiert Hölzle.
Frischzellenkur fürs ZSW
Nach seiner Rückkehr in die Wissenschaftsstadt hat der neue ZSW-Vorstand dem außeruniversitären Forschungsinstitut eine »Frischzellenkur« verordnet, denn Brennstoffzellen sind ein »hot topic« und es sind genug Fördergelder vorhanden, um die Gebäudeinfrastruktur auszubauen, neue Maschinen zu kaufen und weitere Themenfelder zu erschließen. Somit war Hölzles Anfangszeit im Chefsessel von Förderanträgen und Bauvorhaben geprägt. Alleine in den ersten zehn Monaten konnte er rund 80 Millionen Euro an Drittmitteln einwerben – für den Projektantrag HY-FIVE zu grünem Wasserstoff stellt das Land weitere Millionen in Aussicht. »Als ich Chemie studiert habe, war die Energiewende noch ganz weit weg. Ich freue mich deshalb umso mehr, dass ich das alles noch erleben und mitgestalten darf«, betont der 55-Jährige. Für Markus Hölzle kommen in Zukunft nur zwei Energieträger in Frage: »Wenn wir ökologisch erzeugten Strom und Wasserstoff etabliert haben, können Autos, LKW und Züge klimaneutral fahren und Gebäude emissionsfrei geheizt werden. Die Umstellung wird ein Kraftakt, aber dann ist die Menschheit für lange Zeit fertig und braucht keine neuen Energieträger mehr «, betont der Fahrer eines Elektroautos. Nach dieser intensiven Einstiegsphase am ZSW hofft Markus Hölzle, schon bald Zeit für Wanderungen mit seiner Frau in den Alpen zu finden oder sein altes Hobby, das Orgel spielen, wieder aufleben zu lassen.
In Zukunft will der neue ZSW-Vorstand die strategische Zusammenarbeit in der Wissenschaftsstadt ausweiten – allen voran mit dem Uni-Sonderforschungsbereich CataLight und dem Helmholtz-Institut Ulm. Im Wintersemester hält Professor Hölzle schon einmal eine Vorlesung zu Batterie- und Brennstoffzellentypen im Uni-Masterstudiengang »Energy Science and Technology«. »Ein größeres Energiezentrum als die Ulmer Wissenschaftsstadt gibt es nicht. Jetzt müssen die Akteure noch stärker kooperieren und die Marke Ulm weltweit etablieren«, sagt Hölzle, während er den Blick weiter über die Baustellen an der Lise-Meitner-Straße schweifen lässt.
Text: Annika Bingmann
Fotos: Elvira Eberhardt, privat, ZSW, Heiko Grandel, Duckek
Video: ZSW