Ein Startup auf dem Weg zum Global Player
NVision revolutioniert die Stoffwechsel-Bildgebung
Das Ulmer Startup NVision ist ein Musterbeispiel für Technologietransfer. Der Ausgründung der Universität Ulm ist es gelungen, grundlegende Erkenntnisse aus der Quantenphysik in die Anwendung zu bringen. Die neue Technologie macht es möglich, herkömmliche MRT-Geräte ohne großen Umrüstungsaufwand für die Visualisierung von Stoffwechselprozessen in Echtzeit zu nutzen. Bei Krebskranken könnten damit beispielsweise die Wirksamkeit von Therapien und der Krankheitsverlauf besser beobachtet und beurteilt werden. Vielversprechende Anwendungsfelder gibt es auch in der Neurologie und Kardiologie.
Krebszellen teilen sich viel öfter als die meisten gesunden Zellen. Dafür benötigen sie deutlich mehr Zucker und andere Nährstoffe. Dieser verräterische Energieumsatz lässt sich dank eines quantenmechanischen Tricks nun mit Magnetresonanz-Tomografie abbilden. Möglich gemacht hat dies das 2015 in Ulm gegründete Unternehmen NVision: mit einer neuen quantenbasierten Technologie, die Echtzeit-Stoffwechselscans einfach, bequem und ohne größere Umrüstung über MRT-Bildgebungshardware realisieren kann. Der Trick: Hyperpolarisierter Wasserstoff wird eingesetzt, um Zwischenprodukte des Energiestoffwechsels wie Pyruvat zu hocheffektiven Super-Markern zu transformieren. Dieses für den Körper ungefährliche polarisierte Pyruvat wird dann als Marker-Substanz vor der MRT-Untersuchung gespritzt. Bei der sogenannten Hyperpolarisierung werden Kernspins gezielt kontrolliert und so aufeinander abgestimmt, dass die Bildgebungssignale verstärkt werden. Durch die Forcierung der Bildsignale können zelluläre Stoffwechselprozesse auf molekularer Ebene sichtbar gemacht werden.
Wie kam es zu dieser bahnbrechenden Innovation? »Im Jahr 2012 fing alles an. Damals haben wir an der Entwicklung eines Quantencomputers geforscht, der auf Kernspins basiert, die chemisch an eine Diamantoberfläche gebunden sind. Um einen bestimmten Ausgangszustand für die Berechnung zu bekommen, haben wir die Kernspins polarisiert«, erklärt NVision-Mitbegründer Professor Martin Plenio, Leiter des Instituts für Theoretische Physik an der Universität Ulm. Dieses Verfahren wurde später auf Flüssigkeiten angewendet und der Polarisationseffekt genutzt, um Signale für die MRT-Bildgebung zu verstärken, so Plenio weiter. Damit war die Idee zu NVision geboren.
Der quantentechnologische Grundstein, der hierfür an der Uni Ulm gelegt wurde, kam aus der Forschung, die über Plenios Alexander von Humboldt-Professur finanziert wurde, sowie aus zwei millionenschweren ERC Synergy Grants (»BioQ« und »HyperQ«), an denen auch der Ulmer Quantenphysiker und NVision-Mitgründer Professor Fedor Jelezko federführend beteiligt war. Diese Förderinstrumente des Europäischen Forschungsrates sind sehr flexibel und erlauben Abweichungen vom ursprünglichen Plan. Von der Europäischen Kommission kamen dann noch beträchtliche Geldmittel für das Projekt Hyperdiamond. »In der Anfangsphase haben wir außerdem noch einen ERC Proof of Concept Grant bekommen, um die Gründung des Unternehmens voranzutreiben«, ergänzt Jelezko, der in Ulm das Institut für Quantenoptik leitet. Für den Aufbau des Unternehmens erhielt NVision schließlich Wagniskapital von Risikokapitalgesellschaften aus den USA und aus Deutschland, das nach dem erfolgreichen Proof of Concept geholfen hat, die Hyperpolarisations-Technologie zu kommerzialisieren. Die Universität Ulm hat das junge aufstrebende Quanten-Tech-Unternehmen bei der Lizenzierung und Patentierung unterstützt, sowie Zugang gewährt zu Forschungslaboren und anderer universitärer Infrastruktur.
»Die Begeisterung, die wir in der Bildgebungs-Community erleben, ist für uns sehr inspirierend. Als Entrepreneur will man ja etwas aufbauen, das einen echten Nutzen hat. Wenn im Sommer unsere Systeme ausgeliefert werden, können wir sehen, wie sich dieser Nutzen zeigt. Darauf freuen wir uns schon«, sagt der Quantenforscher Dr. Ilai Schwarz, der NVision mitgegründet hat. Erste konkrete Schritte zur Markteinführung sind bereits getan. Das Hightech-Unternehmen ist jetzt im ersten Umsatzjahr und wird zunächst Hyperpolarisatoren für die Forschung an Kleintieren installieren. Mit der Einführung der zweiten Produktlinie im nächsten Jahr – den Hyperpolarisatoren für die Anwendung am Menschen – wird NVision wohl weiter stark wachsen. Die derzeitigen Schwerpunktmärkte sind Nordamerika und Europa, aber auch der Asia-Pazifik-Raum. »Wir sind ein global denkendes Unternehmen. Aber wir sind stolz auf unseren Hauptsitz in Ulm, und wir profitieren von starken Verbindungen zur Stadt, zur Region und unserem Netzwerk an Top-Universitäten«, betont NVision CEO Dr. Sella Brosh.
Über NVision
Gegründet wurde NVision 2015 als Startup von den Ulmer Quantenphysikern Professor Martin Plenio und Professor Fedor Jelezko, von Professor Alex Retzker von der Hebrew University of Jerusalem und Dr. Ilai Schwartz. 2017 trat Dr. Sella Brosh dem Unternehmen als CEO bei, und NVision nahm als Unternehmen den Betrieb auf.
Im Sommer 2023 wurde das neue Gebäude im Science Park III eingeweiht und bezogen. Heute beschäftigt das Unternehmen 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Text: Andrea Weber-Tuckermann
Fotos: Nvision