Ein Ökosystem für Startups

Wie die Uni Ulm Fachleuten dabei hilft, ihr eigenes Unternehmen zu gründen

Innovation durch neue Technologien gehört zur DNA der Uni Ulm. Wenn Studierende, Promovierende oder PostDocs eine zündende Idee haben, begleitet die Uni sie auf dem Weg zur Gründung. Der kann sehr unterschiedlich aussehen. Eine Anlaufstelle, die einen Überblick über alle Möglichkeiten bietet und beratend zur Seite steht, ist der Entrepreneurs Campus. 

Ausgründen an einer MINT- und Medizin-Uni? Schwieriges Thema, das weiß auch Dr. Birgit Stelzer, Geschäftsführerin des Entrepreneurs Campus an der Uni Ulm. Seit mittlerweile zwei Jahren gibt es diese Zentrale Einrichtung, die junge Gründungsinteressierte bei ihren Vorhaben auf vielfältige Art und Weise unterstützt. Allerdings haben Biologinnen, Chemiker oder Ingenieurinnen das Thema oft nicht auf dem Schirm, wolllen häufig Karriere in der Wissenschaft oder in der Wirtschaft machen. Die Uni Ulm ist keine Business School – und ihre Mitglieder für unternehmerisches Handeln zu begeistern, ist nicht ganz einfach. »Bei diesen Themen denkt unsere Zielgruppe häufig an die TV-Sendung ›Die Höhle der Löwen‹«, sagt Birgit Stelzer. »Manche schreckt das eher ab, als dass ihnen in den Sinn kommt, dass sie selbst unternehmerisch tätig werden könnten.« Viele trauten sich den Schritt in die Selbstständigkeit nicht zu. Die Mission von Stelzer und ihrem Team: dem Gründen den Schrecken nehmen.

»So können sie gedanklich und experimentell Dinge bewegen in der Welt. Und vielleicht kommt auch noch ein tolles Produkt oder eine echte technologische Innovation dabei raus«

 

Damit das gelingt, haben sich die Mitarbeiterinnen des Entrepreneurs Campus einen kleinen Kniff ausgedacht. Lösungsdesign – als Vorstufe zum Entrepreneurship – heißt die Fähigkeit, mit der das Team die jungen Menschen abholen will. Die Studierenden sollen begreifen, dass sie mit ihrem speziellen Wissen etwas verändern und besser machen können. »Wir sagen: Ihr als Fachexpert*innen werdet die Lösungen der Zukunft entwickeln«, erläutert Stelzer das Konzept, mit dem die jungen Leute am besten schon durch die Lehre an das systemische Denken herangeführt werden sollen. »So können sie gedanklich und experimentell Dinge bewegen in der Welt. Und vielleicht kommt auch noch ein tolles Produkt oder eine echte technologische Innovation dabei raus.« Um zu gründen, muss man nicht Wirtschaftswissenschaften studieren. Wer das tue, dürfe aber auch gern mit einer eigenen Idee zum Entrepreneurs Campus kommen oder sich mit seiner Wirtschaftsexpertise einem Technologie-Team anschließen, sagt Birgit Stelzer und lacht. Und das Ziel müsse nicht immer ein eigenes Geschäftsmodell sein: »Man kann auch Innovationstreiber und Zukunftsgestalter in einem Unternehmen sein – aber dafür braucht es das richtige Mindset.«

Das Team des Entrepreneurs Campus (von links): Lena Schmid, Luisa Römer, Melanie Kamrath und Geschäftsführerin Dr. Birgit Stelzer

Raum und Zeit für diese Entwicklung bietet der Entrepreneurs Campus mit Workshops, Kursen und Events, aber auch mit Coachings zum Business Plan, Förderanträgen und Persönlichkeitsentwicklung. Gründe, zu gründen, gibt es viele: »Man kann sein Projekt, seinen Traum selbst steuern«, wirbt Birgit Stelzer. »Man ist sein eigener Chef und kann gestalten. Man lernt unglaublich viel, macht jeden Tag etwas Neues und ist total gefordert.« Man lerne, sich selbst als Person mit seinem Thema gut zu verkaufen, und erweitere sein Netzwerk – auch um Kontakte in der Industrie. Und auch, wenn ein Unternehmen insolvent gehe, sei das kein Scheitern: »Unsere Entrepreneure sagen oft, dass dieser Job sie sehr fordert, aber auch in ihrer persönlichen Entwicklung sehr weiterbringt.«

»Jeder darf zu uns kommen, egal, ob man nur eine diffuse Idee hat oder ganz genau wissen will, ob man Chancen auf bestimmte Fördermittel hat«

 

Wer sich mit einer Idee an den Entrepreneurs Campus wendet, wird individuell beraten. Denn so, wie Pflanzen unterschiedliche Nährstoffe, Lichtverhältnisse und Platz benötigen, brauchen auch Gründungsinteressierte maßgeschneiderte Unterstützung. »Jeder darf zu uns kommen, egal, ob man nur eine diffuse Idee hat oder ganz genau wissen will, ob man Chancen auf bestimmte Fördermittel hat«, wirbt Stelzer für die Kontaktaufnahme. Man müsse ein Gespür dafür entwickeln, was die Gründungswilligen brauchen: von Begegnung und Vernetzung über das Stellen von Fragen bis hin zum CEO-Führerschein. »Wir begleiten die jungen Menschen auf ihrer Reise.«

Auch der Entrepreneurs Campus selbst hat sich aus einem kleinen Pflänzchen heraus entwickelt: Aus einer Projektstruktur ist mittlerweile eine Zentrale Einrichtung der Universität geworden. Das vierköpfige Team vom Entrepreneurs Campus wartet nicht nur darauf, dass die jungen Menschen von alleine kommen. Systematisch und softwaregestützt identifizieren die Mitarbeiterinnen, zu welchen Tech-Themen es viele Publikationen gibt und die dementsprechend ein hohes Potenzial haben. Zudem gehen Stelzer und ihre Kolleginnen gezielt in Institute und Kolloquien und versuchen, über Weiterbildungskurse in Lösungsdesign Promovenden zu aktivieren. Gründen soll aber kein reiner Selbstzweck sein. Es gehe auch darum, Innovation in der Region zu halten und den Wissensund Technologietransfer in die hier ansässigen Unternehmen zu gewährleisten. Birgit Stelzer ist überzeugt: »Wir brauchen diese disruptiven Startups in Deutschland – und wir wollen unsere Potenziale in unserer Region halten. Wir müssen technische Fachexpertise wertschätzen, die darf uns nicht abhandenkommen.« Denn die Wirtschaft stehe vor einer Transformation, und das Hervorbringen neuer Wertschöpfung und echter, technologischer Innovation funktioniere nur, wenn alle an einem Strang ziehen und ihre Stärken bündeln: »Alle, das sind wir an der Uni Ulm und alle Akteure im regionalen Ökosystem, die sich Innovation auf die Fahne schreiben.«

Angebot für Life Science-Gründungsteams

Im Life Science-Inkubator des Entrepreneurs Campus sollen durch eine systematische Verknüpfung von Life Science und digitalen Technologien neue Kombinationstechnologien und Geschäftsmodelle entstehen und zur Marktreife gebracht werden. Der von der IHK Ulm geförderte Inkubator wird wissenschaftlich begleitet von Prof. Steffen Zimmermann (Institut für Business Analytics). Dadurch sollen nicht nur neue Life Science-Startups in der Region entstehen, sondern durch begleitende Lehr- und Weiterbildungsangebote in Zusammenarbeit mit Unternehmensvertreter*innen, Gründer*innen und Kapitalgeber*innen auch der Pool an unternehmerisch denkenden Fachkräften für die regionale Life Science-Branche vergrößert werden. Ein weiteres Ziel des Inkubators: Markttests zur Erprobung der Kombinationstechnologien in kollaborativen Projekten mit der Industrie ermöglichen und Ausgründungen begleiten.

Text: Christine Liebhardt
Grafiken: Beniamino Raiolo
Foto: Elvira Eberhardt