"Da habe ich mich wieder wie ein Schulkind gefühlt…"

Eine Teilnehmerin der ActiFE-Studie erzählt

Für die Forschung zum menschlichen Altern kann der SFB »Aging at Interfaces« mit einem besonderen Pfund wuchern: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben Zugriff auf Biomaterialien und Daten einer einzigartigen Längsschnittstudie. Dabei handelt es sich um die groß angelegte ActiFE-Kohorte der Universität Ulm und der Bethesda Klinik. Im Fokus der Studie steht neben der körperlichen Aktivität die Frage, warum Menschen unterschiedlich schnell altern. Mit dabei ist Sieglinde Baar, die von ihren Erfahrungen als Studienteilnehmerin berichtet.

Angaben auf Fragebögen, Blut- und Gewebeproben: Seit 2009 sammeln Forschende der Uni-Epidemiologie und von der Bethesda Klinik Material für die ActiFE-Studie. Das Akronym steht für Activity and Function in the Elderly in Ulm. »In der Kohorte sind Angaben und Proben von rund 1500 Teilnehmenden verfügbar. Inzwischen konnten wir über 40 Veröffentlichungen publizieren. Gerade auch für den neuen Sonderforschungsbereich ist die bevölkerungsbezogene ActiFE-Kohorte ein ganz zentraler Baustein«, erklärt Professor Dietrich Rothenbacher, Leiter des Instituts für Epidemiologie und Medizinische Biometrie. Gemeinsam mit Professor Michael Denkinger, Ärztlicher Direktor an der AGAPLESION Bethesda Klinik und neuer Leiter des Uni-Instituts für Geriatrische Forschung, koordiniert er die ActiFE-Studie. Aber wie kommen die Forschenden an Studienteilnehmende und wie erleben diese ihren Einsatz für die Wissenschaft.

Weibliche Studienteilnehmerin mit Brille
Studienteilnehmerin Sieglinde Baar

Als bei ihr eines Tages vor fast zehn Jahren das Telefon klingelt und eine Mitarbeiterin der Universität Ulm die Teilnahme an einer Studie offeriert, muss Sieglinde Baar nicht lange überlegen. "Ich dachte mir: Schaden kann es nicht. Da werde ich mal wieder richtig durchgecheckt", erinnert sich die heute 81-Jährige. Damit ist sie eine von über 1500 Bürgerinnen und Bürger aus der Region, die inzwischen an der ActiFE-Studie teilgenommen haben. Die Kontaktdaten der passenden Bevölkerungsgruppe erhielten die Forschenden von den Einwohnermeldeämtern. Mehrmals besuchte Sieglinde Baar in der Folgezeit die Ulmer Bethesda Klinik, eine geriatrische Spezialklinik, um sich dort einer Reihe von Tests zu unterziehen. "Es wurden nicht nur körperliche Untersuchungen mit Blutabnehmen oder eine Lungenfunktionsprüfung gemacht. Ich musste auch meine geistigen Fähigkeiten beweisen und mir zum Beispiel die Reihenfolge von Gegenständen merken oder schätzen, wie viele Würfel sich in einer durchsichtigen Kugel befinden. Da habe ich mich wieder wie ein Schulkind gefühlt, denn manche Fragen waren richtig schwer und ich musste mich konzentrieren", erzählt die Seniorin.

Auch eine Hausaufgabe bekam Sieglinde Baar: Täglich sollte sie in einen Kalender eintragen, wie lange und wie intensiv sie sich bewegt, ob sie vielleicht gestürzt ist oder ob sie sich wackelig auf den Beinen fühlt und welche Medikamente sie einnimmt. »Alle drei Monate musste ich die zurückliegenden Tage eincodieren und an die Studienassistentin schicken. Das war ganz schön aufwändig«, so die Neu-Ulmerin. Dennoch war es für sie eine Auszeichnung, als Studienteilnehmerin ausgewählt worden zu sein. »Wann hat man schon einmal die Möglichkeit, die Wissenschaft zu unterstützen?«, erklärt die ehemalige Geschäftsfrau. Auch im hohen Alter hilft sie noch jeden Arbeitstag im Familienbetrieb mit und sie interessiert sich für ihre Mitmenschen.

Wann hat man schon einmal die Möglichkeit, die Wissenschaft zu unterstützen?


Denn seit mittlerweile über vierzig Jahren betreibt Familie Baar ein Bestattungsunternehmen in Ulm mit inzwischen mehreren Filialen und rund zwanzig Mitarbeitenden. Sieglinde Baar ist seit jeher mit im Betrieb aktiv. Außerdem hat sie zwölf Jahre lang eine eigene Mode-Boutique in der Ulmer Altstadt betrieben. Dass sie Wert auf ein gepflegtes Äußeres und adrette Kleidung legt, ist zu sehen. Ob sie mit ihrem beruflich-familiären Hintergrund einen Tipp für ein langes und gesundes Leben hat? Sieglinde Baar überlegt nicht lange: "Ernährung und Bewegung sind wichtig!" Sie selbst geht immer noch jeden Morgen eine dreiviertel Stunde spazieren, besucht zweimal wöchentlich eine Fitnessgruppe und golft leidenschaftlich gerne. "Ich habe viel Leid mitbekommen und war mein ganzes Leben lang mit dem Tod konfrontiert. Deshalb habe ich keine Angst vor dem, was kommt", so Sieglinde Baars Fazit. Bis dahin unterstützt sie die Ulmer Forschenden bei der Suche nach dem "gesunden Altern".

Text: Daniela Stang
Fotos: Adobe Stock, Daniela Stang