7. Ulmer Denkanstöße
Zwang zum Glück?
Wertewandel in der Erlebnisgesellschaft

Glücklich, glücklicher am glücklichsten? Die Erlebnisgesellschaft zwischen Spaßdiktat und Zwang zur Selbstoptimierung hat viele Anhänger, die vom Erlebnishunger getrieben von Event zu Event hetzen. Doch immer mehr Menschen sind skeptisch, ob sich persönliches Glück auf diese Weise „erjagen“ lässt. Die Spaßgesellschaft geht nun auf Sinnsuche. Die 7. Ulmer Denkanstöße, die vom 12. bis 15. März 2014 wieder im Ulmer Stadthaus stattfinden, widmen sich nun dem Wertewandel in der Erlebnisgesellschaft.
„Uns geht´s am liebsten gut“, so Iris Mann. „Doch was ist mit den Kranken, den Trauernden und Unglücklichen?“, fragt die Ulmer Bürgermeisterin für Kultur, Bildung und Soziales. „Diese Menschen werden aus der Spaßgesellschaft ausgeschlossen“, gibt die Kommunalpolitikerin zu bedenken. Die Stadt Ulm gehört mit dem Humboldt-Studienzentrum (HSZ) der Universität zu den Organisatoren der Denkanstöße. „Unsere Gesellschaft neigt zudem dazu, alles Leid zu pathologisieren, als wäre Unglück etwas Abnormales“, kritisiert auch HSZ-Vorstandssprecher Professor Heiner Fangerau.

Mit hochkarätigen Rednern und einer sehr breiten Themenspanne, die vom hochphilosophischen Vortrag über die Beschreibung skurriler sozialer Praktiken bis hin zum Extremsport-Eventbericht reichen, möchten die Veranstalter Impulse geben für die persönliche Lebensgestaltung. „Wir können dafür natürlich keine vorgefertigten Patentrezepte liefern, sondern nur dazu anregen, selbst einmal darüber nachzudenken, was uns im Leben wichtig ist“, meint HSZ-Geschäftsführerin Professorin Renate Breuninger. „Auch in der Bankenwelt stellen wir einen Wandel fest. Werte wie `Gemeinschaft´ und `Verantwortung´ gewinnen wieder an Bedeutung“, meint der Vorstandsvorsitzende der Sparda-Bank Baden-Württemberg e.G. Martin Hettich. Mit der Unterstützung der `Denkanstöße´, die aus dem öffentlichen Leben der Stadt nicht mehr wegzudenken seien, wolle die Sparda-Bank den Erfolg der Filiale in Ulm an die Region zurückgeben.

Vorträge zwischen Tugendethik und Wiesenwahn

Den Auftakt macht am Donnerstag-Abend um 19:30 Uhr Philosophieprofessor Julian Nida-Rümelin unter dem Titel „Zur Rehabilitierung der Tugendethik“. Der ehemalige Kulturstaatsminister plädiert in seinem Festvortrag für mehr Mut zu Bescheidenheit und Mittelmaß und sucht auf seiner philosophischen Rundreise nach Rezepten für ein gelungenes Leben.

Weiter geht es am Freitag-Nachmittag (14:30 Uhr) mit Wiesnwahnsinn (Brigitte Veiz) und Fußball-Bundesliga (Prof. Wolfram Pyta). Im Mittelpunkt dieser Diskussionsrunde stehen soziale Phänomene wie kollektive Grenzüberschreitung und Massenrausch. Heranführen an das von Südwestpresse-Lokalchef Hans-Ulrich Thierer moderierte Schwerpunkt-Thema „Der Zwang zum Glück in der Masse“ wird die Philosophieprofessorin und Autorin Annemarie Pieper. In der anschließenden Lesung „Soll das ein Witz sein?“ (17:00 Uhr) ist Kulturjournalist Dr. Hellmuth Karasek dem Wesen des Spaßes auf der Spur und gründelt im Bodensatz des deutschen Witzes nach tiefgründigem Humor und flachen Pointen.

Schwerpunkt der Diskussion am Samstag ist das „Event“ (13:30 Uhr). Die Trend- und Tourismusforscherin Professorin Felicitas Romeiß-Stracke sieht die Erlebnisgesellschaft im Umbruch. Ihre These: Im Urlaub geht der Mensch auf Sinnsuche. Der neue Trend: weg vom hedonistischen Konsum zum sinnstiftenden Erlebnis. Der Ethnologe Dr. Christoph Köck folgt dagegen den Spuren der Erlebnisgesellschaft in ursprüngliche Landschaften, getrieben von der urmenschlichen Sehnsucht nach Natur, Freiheit und Abenteuer. Der deutsch-österreichische Journalist Wolf Lotter geht dagegen der provokativen Frage auf den Grund, warum Gesellschaft und Wirtschaft die Verschwendung brauchen.  Moderiert wird das Streitgespräch von Torsten Blümke vom SWR-Studio Ulm.

Glück als Event und Anstrengung dagegen kennzeichnet den Lebensentwurf von Joey Kelly. Der Musiker und Extremsportler demonstriert unter seinem persönlichen Motto „No limits“  im Abschlussvortrag (Sa. 16:00 Uhr), dass man sein persönliches Glück mit Disziplin und Ausdauer hart erarbeiten muss.

Kabarett und Kino als Rahmenprogramm

Den kulturellen Rahmen der diesjährigen Denkanstöße setzen zwei Veranstaltungen ganz unterschiedlicher Art. Mit dem Film im Xinedome „Alles, was wir geben mussten“ (Mi. 18:00 Uhr) zeigt sich wie relativ das Glück ist, und wie schnell das Wissen um die Wahrheit die heile Welt eines beschaulichen Internats zu einem fürchterlichen Ort, in diesem Fall zu einer Organ-Spender-Farm, werden lässt. Den Kabarett-Abend am Freitag im Stadthaus (20:00 Uhr) bestreitet Hans Holzbecher, der mit gefühlter Schallgeschwindigkeit und ohne Gurt und Airbag ganz ungebremst auf der Suche nach dem wahren Glück ist.

Bis auf das Kabarett (12 Euro) sind alle Vorträge und Veranstaltungen der Denkanstöße kostenlos. Spenden und Einnahmen kommen in diesem Jahr der „Stiftung Gänseblümchen“ zugute, die sich um sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche in der Region kümmert.

Verantwortlich: Andrea Weber-Tuckermann

Weitere Informationen im Internet: www.ulmer-denkanstoesse.de

<link fileadmin website_uni_ulm presse dateien_termine flyer-1.pdf download>Flyer