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Weniger Artenvielfalt, mehr Krankheitserreger
Ulmer Studie zur Coronaviren-Dynamik bei Fledermäusen

Universität Ulm

Der Verlust von Biodiversität ist nicht nur ein Problem für die Natur, sondern auch für die Gesundheit des Menschen. So zeigt eine von der Universität Ulm geleitete Studie, dass ein Rückgang an Artenvielfalt die Ausbreitung von potenziell zoonotischen Krankheitserregern begünstigt. Untersucht wurde in der Studie, wie sich Veränderungen in der Zusammensetzung von Fledermausgemeinschaften auf die Verbreitung von Coronaviren auswirkt. Veröffentlicht wurde die von der DFG geförderte Studie, an der auch der Berliner Virologe Professor Christian Drosten beteiligt war, im Fachmagazin Nature Communications.

Das westafrikanische Land Ghana ist bekannt für seine artenreiche Tierwelt, insbesondere für die Vielfalt seiner Fledermauspopulationen. Doch der Klimawandel und vermehrte Eingriffe des Menschen in die Natur etwa durch Abholzung gefährden die Biodiversität in der Sub-Sahara-Region. Dass dies nicht nur massive ökologische Konsequenzen hat, sondern auch gesundheitliche, belegt eine von Biologen und Biologinnen der Uni Ulm geleitete Studie. Das internationale Forschungsteam, an dem Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Deutschland, Tschechien, Australien und Ghana beteiligt waren, hat analysiert, wie sich die Zusammensetzung von höhlenlebenden Fledermausgemeinschaften auf die Verbreitung von Coronaviren auswirkt. Über zwei Jahre hinweg wurden dafür in fünf Höhlen in Ghana mehr als 2300 Fledermäuse auf ihre Artzugehörigkeit untersucht und Kotproben analysiert.

„Da viele unterschiedliche Fledermausarten durch äußerliche Merkmale so gut wie nicht zu unterscheiden sind, mussten wir deren genetische Identität zunächst durch aufwändige molekulargenetische Untersuchungen bestimmen“, erklären die beiden Erstautoren der Studie, Dr. Magdalena Meyer und Dr. Dominik Melville vom Institut für Evolutionäre Ökologie und Naturschutzgenomik der Uni Ulm. „Die Tiere wurden dafür – mit größter Vorsicht und Sorgfalt – mit Netzen gefangen, beprobt, vermessen und gewogen und danach sofort wieder in die Freiheit entlassen“, erläutert Professor Marco Tschapka. Der Ulmer Fledermausexperte kommt aus dem gleichen Institut und hat die Feldarbeit vor Ort geleitet. Dank der morphologischen und genetischen Analysen konnte festgestellt werden, welche Fledermausarten in den untersuchten Populationen vorkommen und welche davon häufiger mit Krankheitserregern infiziert sind.

In den Höhlen wurden außerdem Kotproben der Fledermäuse gesammelt, die dann in der Charité in Berlin auf Infektionen mit Coronaviren untersucht wurden. Durchgeführt wurde das Virenscreening unter der Leitung des Berliner Virologen Professor Christian Drosten, der seit vielen Jahren mit den Ulmer Ökologen zusammenarbeitet.

Fledermausgemeinschaften, die weniger vielfältig sind,  werden dominiert von Arten, die anfälliger für Viren sind

Bekannt ist, dass Viren an potenzielle Wirtsarten unterschiedlich gut angepasst sind und deshalb von diesen in unterschiedlichem Maße übertragen werden können. Auch bei Fledermäusen gibt es demnach Arten, die besonders `kompetent´ sind und solche, die weniger `kompetent´ sind. „Bei unserer Untersuchung kam heraus, dass in weniger vielfältigen Fledermausgemeinschaften nur die besonders störungstoleranten Arten noch häufig anzutreffen waren. Und ausgerechnet diese gehören zu den `kompetenten´ Arten, die anfälliger für die untersuchten Viren sind und diese gut übertragen“, sagt Professorin Simone Sommer, Leiterin des Instituts für Evolutionäre Ökologie und Naturschutzgenomik der Universität Ulm, die die Studie koordiniert hat. Als Folge davon stieg das Infektionsrisiko innerhalb der gesamten Fledermauskolonie. Beobachtet wurde dieses Phänomen unter anderem für zwei besondere Coronaviren-Varianten: für die sogenannte Alpha-CoV 229E-like Variante, die einem menschlichen Erkältungsvirus ähnelt, als auch für die Variante Beta-CoV 2b, die mit dem SARS-Erreger verwandt ist.

„Alles in allem stützen unsere Ergebnisse das sogenannte `One Health´-Konzept. Dieses besagt, dass es eine enge Verbindung zwischen Umweltschutz, Tiergesundheit und menschlicher Gesundheit gibt“, so Sommer. Die Studie zeigt, wie Veränderungen in der Artenzusammensetzung von Wildtieren – ausgelöst durch menschliche Störungen in ihren Lebensräumen – die Verbreitung von Krankheitserregern begünstigen könnten. Der Schutz von Fledermäusen ist aber auch aus ökologischen Gründen wichtig. Erbringen diese artenreichen und sehr unterschiedlichen Tiere doch vielfältige Ökosystemleistungen: Sie regulieren Insektenpopulationen, bestäuben Pflanzen und verbreiten deren Samen. Der Erhalt und Schutz ihrer Lebensräume ist somit nicht nur von entscheidender Bedeutung für die Integrität unserer Ökosysteme, sondern trägt gleichzeitig zur Vorbeugung von Pandemien bei.

Die Geschichte hinter der Forschung  
Das Forschungsteam wurde übrigens vom SpringerNature-Verlag zu einem "Behind the Paper"-Beitrag eingeladen, der Einblicke gibt in die wissenschaftliche Arbeit und Fragen aufgreift, die hinter dem Forschungsprojekt stehen: https://go.nature.com/4cCuMst

Weitere Informationen:
Institut für Evolutionäre Ökologie und Naturschutzgenomik der Uni Ulm
Dr. Magdalena Meyer, E-Mail: magdalena.meyer(at)uni-ulm.de
Dr. Dominik Melville, E-Mail: dominikwerner.schmid(at)uni-ulm.de
Prof. Simone Sommer, E-Mail: simone.sommer(at)uni-ulm.de

Literaturhinweis
Meyer, M., Melville, D.W., Baldwin, H.J. et al. Bat species assemblage predicts coronavirus prevalence. Nature Communications 15, 2887 (2024). https://doi.org/10.1038/s41467-024-46979-1

Text und Medienkontakt: Andrea Weber-Tuckermann

 

Prof. Simone Sommer, Dr. Magdalena Meyer und Dr. Dominik Melville
v.l.: Das Ulmer Forschungsteam mit Prof. Simone Sommer, Dr. Magdalena Meyer und Dr. Dominik Melville (Fotos: privat)
Fledermäuse der Art Hipposideros caffer in einer Höhle in Ghana
Fledermäuse der Art Hipposideros caffer in einer Höhle in Ghana (Foto: Prof. Marco Tschapka / Uni Ulm)
Fledermaus der Art Hipposideros caffer
Einzelaufnahme einer Fledermaus der Art Hipposideros caffer in Ghana (Foto: Prof. Marco Tschapka)