Wissenschaftler aus Ulm und Mainz haben „maßgeschneiderte“, multifunktionale synthetische Moleküle hergestellt, die sich in lebende Zellen einbringen lassen. Dank Fluoreszenzmikroskopie können die Forscher die Selbstorganisation der Moleküle verfolgen und Rückschlüsse auf Mechanismen im Zellinneren ziehen. Ihr Fachbeitrag ist in der renommierten Zeitschrift „Nature Communications“ erschienen.
Chemiker und Toxikologen der Universität Ulm sowie des Max Planck-Instituts für Polymerforschung in Mainz haben thiophenbasierte Oligomere so modifiziert, dass diese in lebende Zellen eingebracht werden können. „In der Herstellung synthetischer Moleküle haben wir viel Erfahrung, doch bisher wurden ihre zahlreichen Eigenschaften als Materialien nur im Labor und nicht unter physiologischen Bedingungen untersucht. Die jetzt von uns maßgeschneiderten Moleküle sind mit Gruppen ausgestattet, die für eine gute Löslichkeit in nicht-wässriger Umgebung sorgen. Dank der Feinabstimmung einzelner Strukturkomponenten lassen sich die neuen Moleküle zudem gut optisch detektieren“, erläutert Professor Ulrich Ziener vom Institut für Organische Chemie III der Universität Ulm.
Durch diese Eigenschaften können die Wissenschaftler sogar die Selbstorganisation der „Designer-Moleküle“ in der Zelle verfolgen: „Mittels Fluoreszenzmikroskopie sehen wir, ob die Moleküle einzeln oder in Verbünden vorliegen. Zudem lässt sich beobachten, an welchem Ort und zu welcher Zeit die Selbstorganisation stattfindet“, erklärt Ziener weiter. Dabei sei alleine die Lokalisierung der Moleküle in der fluoreszierenden Zelle herausfordernd.
Hinweise auf Vorgänge im Zellinneren
Insgesamt haben die modifizierten Oligomere eine „Reporterfunktion“. Sie helfen den Wissenschaftlern also, Mechanismen im Zellinneren zu verstehen. Im Zuge der Studie haben die Forscher beispielsweise intrazelluläre Transportwege unterbrochen und die geänderten Molekülbewegungen nachvollzogen.
Abhängig von der genauen Struktur bewegen sich die Moleküle über verschiedene Zellkompartimente bis in die Nähe des Zellkerns und bilden dort größere Molekülverbünde – oder sie reichern sich in den Mitochondrien, also den Zellkraftwerken, an. Dies lässt sich durch den Einsatz eines spezifischen pharmakologischen Inhibitors und die Erniedrigung der Temperatur kontrollieren: „Detailliertere Kenntnisse über diese Vorgänge im Zellinneren könnten auf längere Sicht zu einem gezielten Einsatz von Medikamenten führen, die beispielsweise an den Mitochondrien angreifen“, sagt Professor Holger Barth vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie des Universitätsklinikums Ulm. Allerdings müsse noch weiter an der genauen Lokalisierung der Moleküle im Zellinneren geforscht werden. Schon jetzt gestatten die synthetischen Moleküle den Forschern jedoch ungeahnte Einblicke ins Zellinnere.
Die Wissenschaftler wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), insbesondere auch über die beiden Ulmer Sonderforschungsbereiche SFB1149 „Gefahrenantwort, Störfaktoren und regeneratives Potential nach akutem Trauma“ und SFB1279 „Nutzung des menschlichen Peptidoms zur Entwicklung neuer antimikrobieller und anti-Krebs Therapeutika“ gefördert. Weitere Unterstützung erhielten sie aus dem ERC Synergy Grant Bio Q, dem Projekt HYPERDIAMOND sowie vom Fonds der Chemischen Industrie.
David Y.W. Ng, Roman Vill, Yuzhou Wu, Kaloian Koynov, Yu Tokura, Weina Liu, Susanne Sihler, Andreas Kreyes, Sandra Ritz, Holger Barth, Ulrich Ziener, Tanja Weil
Directing Intracellular Supramolecular Assembly with N-heteroaromatic Quaterthiophene Analogues. Nature Communications (2017). doi:10.1038/s41467-017-02020-2