Neue DFG-Forschungsgruppe für die Universität Ulm: In den kommenden drei Jahren werden Forschende um Professor Marcus Fändrich, Leiter des Instituts für Proteinbiochemie, der systemischen Amyloidose auf den Grund gehen. Diese Erkrankung hat viele Gesichter und kann bei Herz- oder Nierenbefall unbehandelt nach wenigen Monaten zum Tod führen. Mit Fördergeldern von über 2,1 Millionen Euro wollen die beteiligten Wissenschaftler aus Ulm, Erlangen, München, Heidelberg und Kiel aufklären, welche proteinbiochemischen Faktoren zur Krankheitsentstehung und zu den so unterschiedlichen Ausprägungen der Amyloidose führen. Ihre künftigen Ergebnisse dienen nicht nur der Grundlagenforschung: Langfristig könnten sie die Frühdiagnose und somit die Versorgung betroffener Patienten verbessern.
Bei der systemischen Amyloidose lagern sich körpereigene, krankhaft veränderte Eiweiße im Gewebe oder in Organen wie Herz und Niere an. Diese Ablagerungen führen zu Fehlfunktionen bis zum Organversagen. Was die Menge der Amyloidablagerungen und den Krankheitsverlauf angeht, gibt es große Unterschiede: Jeder der jährlich rund 250 im Amyloidose-Zentrum des Universitätsklinikums Heidelberg diagnostizierten Patienten zeigt ein individuelles Krankheitsbild. Die häufigste Form, die in der Forschungsgruppe untersuchte Leichtketten oder AL-Amyloidose, verläuft oft sehr aggressiv: Schon nach kurzer Krankheitsdauer kann eine Organtransplantation nötig werden.
Oft sind Krebspatienten betroffen
Die Krankheitsentstehung ist noch nicht vollständig verstanden: Ursächlich ist wohl eine Fehlfaltung der so genannten Antikörper-Leichtketten, die zu den charakteristischen Ablagerungen im Gewebe führt. Dieser krankhafte Prozess wird zum Beispiel bei Krebspatienten mit einem Multiplen Myelom beobachtet. Aber warum entwickeln lediglich fünf Prozent aller Patienten mit einer solchen Vorerkrankung eine AL-Amyloidose? Und wie kommt es zu so unterschiedlichen Krankheitsbildern? Diesen Leitfragen will die neue Forschungsgruppe 2969 „Mechanismen der Fehlfaltung von Antikörper-Leichtketten in der systemischen AL-Amyloidose“ mit einem breiten biochemischen Methodenspektrum nachgehen. Dazu kommen innovative bildgebende Verfahren wie MALDI-Imaging oder Kryo-Elektronenmikroskopie.
Denn bisher ist unbekannt, warum die Amyloidablagerungen so unterschiedlich stark ausgeprägt sind, und die Erkrankung in einem Fall primär das Herz, im anderen Fall die Niere betrifft. Auch Mechanismen, die der Fehlfaltung der Leichtketten zugrunde liegen, und das Zusammenwirken der Ablagerungen mit Geweben sind weitgehend unverstanden. „Die AL-Amyloidose ist zwar relativ selten, gilt jedoch als Archetyp einer patientenspezifischen Protein-Fehlfaltungskrankheit. Ein tieferes Verständnis der proteinbiochemischen Grundlagen ist die Voraussetzung für die Entwicklung neuer Behandlungsansätze“, erklärt Professor Marcus Fändrich, Sprecher der DFG-Forschungsgruppe.
Rückschlüsse auf Krankheitsentstehung und -verlauf
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Medizin und Lebenswissenschaften nehmen an, dass die unterschiedlichen Krankheitsbilder der AL-Amyloidose durch die hochgradige Variabilität natürlicher Leichtketten und somit durch unterschiedliche Proteineigenschaften bestimmt werden. Um diese Hypothese zu prüfen, analysieren die Forschenden unter anderem Blut, Nieren- und Herzgewebe sowie Knochenmark und Fett von Patienten: So sollen Charakteristika der extrahierten Amyloidablagerungen mit Krankheitsausprägung und Organbefall korreliert werden.
Von der Universität Ulm bringt das Institut für Proteinbiochemie seine Expertise in die Forschungsgruppe ein: Mittels Kryo-Elektronenmikroskopie wird die Arbeitsgruppe Fändrich die Struktur von Amyloidfibrillen aus dem Herzgewebe betroffener Patienten untersuchen, während Dr. Christian Haupt in enger Zusammenarbeit mit Ärzten des Heidelberger Amyloidose-Zentrums die Variabilität der krankhaften Amyloidfibrillen bei Patienten mit hauptsächlichem Herz- oder Nierenbefall vergleicht. Ziel sind mögliche Rückschlüsse auf die Entstehung der verschiedenen Krankheitsbilder. „Ein weiteres Anliegen der weltweit in ihrer Ausrichtung einzigartigen Forschungsgruppe ist es, die relativ seltene Erkrankung und die Forschungsbemühungen hierzu einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen“, so die Wissenschaftler.
Neben den Ulmer Forschenden sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Kiel, Erlangen-Nürnberg, Heidelberg sowie der Technischen Universität München (TUM) beteiligt.
Eine DFG-Forschungsgruppe ist ein Arbeitsbündnis hervorragender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu einem aktuellen Forschungsthema. Die Zusammenarbeit ist zunächst auf drei Jahre angelegt, dann erfolgt eine neue Begutachtung und im Erfolgsfall eine zweite Förderperiode. Neben exzellenter Wissenschaft hat die Forschergruppe beispielsweise auch die Nachwuchsförderung zum Ziel.
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