Bis 2020 sollen eine Millionen Elektroautos über deutsche Straßen rollen – so die Zielvorgabe der Bundesregierung. Häufige Gründe, warum sich immer noch zahlreiche Verbraucher gegen die umweltfreundliche Alternative zum Benziner oder Dieselfahrzeug entscheiden, sind die langen Ladezeiten der Autobatterie und die geringe Reichweite entsprechender Autos. Womöglich kommt ein Lösungsansatz aus Ulm: Gemeinsam mit chinesischen Kollegen haben Forscher um Professor Carsten Streb (Institut für Anorganische Chemie I) ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Lithium-Ionen-Batterien wie sie in Smartphones, Digitalkameras oder eben Elektroautos eingesetzt werden, auf der Nanoebene „maßschneidern“ und somit optimieren lassen. Dafür benötigen die Chemiker vor allem winzige Kohlenstoff-Röhren sowie Metalloxide in Molekülform (POMs). Ihre Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Energy and Environmental Science“ erschienen.
An Materialien zur Leistungssteigerung von Batterien wird weltweit intensiv geforscht. Es gilt beispielsweise Metalloxide zu ersetzen, die als relativ schlechte Stromleiter für lange Ladezeiten von Lithium-Ionen-Akkus verantwortlich sind. Auf der Festkörperebene fällt es jedoch selbst versierten Wissenschaftlern schwer, nachzuvollziehen, warum eine Batterie besser funktioniert als eine andere. Die deutsch-chinesische Forschergruppe hat nun ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Prozesse auf der Nanoskala nicht nur verstehen, sondern auch gezielt beeinflussen lassen. Auf diese Weise wollen die Batterieforscher stabile und leistungsfähige Elektroden für Lithium-Ionen-Akkus nach ihren Wünschen maßschneidern. Die Grundidee: Auf Kationen, die an der Oberfläche von Kohlenstoff-Nanoröhrchen kleben, lassen die Wissenschaftler eine beliebig dicke Schicht aus Metalloxiden in Molekülform (Polyoxometallate / POMs) aufwachsen. Nun können sie an verschiedenen Stellschrauben drehen und so die Eigenschaften der Elektrode auf molekularer Ebene beeinflussen: „Zum einen lässt sich die Dicke der Polyoxometallat-Schicht per Ultraschall einstellen. Eine weitere Möglichkeit ist die chemische Veränderung der Kationen und der POMs“, erklärt Professor Streb. Zuvor müssten die in Pulverform vorliegenden Nanoröhrchen jedoch im Ultraschallbad „vereinzelt“ und in ein gemeinsames Reaktionsmedium mit den Polyoxometallaten gebracht werden.
Erste Tests verliefen vielversprechend und deuten auf eine schnellere Be- und Entladung entsprechend maßgeschneiderter Batterien gegenüber herkömmlichen Lithium-Ionen-Akkus hin. Doch bisher sind Herstellung und Aufreinigung der Kohlenstoff-Röhrchen schwierig und kostspielig. „Fünf Gramm Röhrchen, die für einen herkömmlichen Handy-Akku benötigt werden, sind wesentlich teurer als ein ganzes Smartphone“, schränkt Streb ein. Es müsse also ein günstiges Austauschmaterial wie Aktivkohle oder Ruß gefunden werden. Bei diesen und weiteren Herausforderungen erhalten die langjährigen Kooperationspartner aus Ulm und Peking ab sofort tatkräftige Unterstützung vom Helmholtz-Institut Ulm für elektrochemische Energiespeicherung (HIU). Und wer weiß? Gemeinsam gelingt den Batterieforschern vielleicht ein Durchbruch für die E-Mobilität. Die aktuelle Studie der Wissenschaftler wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und dem „National Basic Research Program of China“ unterstützt.
Weitere Informationen: Prof. Dr. Carsten Streb: 0731/50-23867, carsten.streb(at)uni-ulm.de
Text und Medienkontakt: Annika Bingmann