Mit einem Festakt hat die Biologie am Dienstag, 13. Juni, an der Universität Ulm ihr 50-jähriges Bestehen gefeiert. In seinem Festvortrag im TTU warnte der Sprecher der Biodiversitätsexploratorien Professor Markus Fischer vor dem Rückgang der Arten. Auf die Geschichte des Fachs an der Uni Ulm ging Studiendekan Professor Jan Tuckermann ein.
Blätter sammeln und Käfer zählen – lange Zeit sahen die meisten Menschen in Biologinnen und Biologen „eher schrullige Typen“, so Professor Jan Tuckermann. Der Studiendekan der Biologie zeichnete den Weg des Fachs an der Uni Ulm in den vergangenen 50 Jahren nach: von den Anfängen in einer Etagenwohnung in der Olgastraße in den 1970er Jahren, der Eröffnung des Botanischen Gartens in den 1980ern über die Stellenstreichungen 2006 und jüngst 2021, sowie die thematische Ausrichtung hin zu noch mehr bioethischen Inhalten und dem heutigen Forschungsschwerpunkt Stress und Resilienz in biologischen Systemen. Ein wichtiges Anliegen für Tuckermann: „Wir wollen Wissen in die Stadtgesellschaft transportieren“: ob mit dem Talking Tree Berti, der Wildbienen-Bestimmungs-App „BienABest“ oder der Aktion Bio-Blitz. Das gelinge der Biologie auch dank des Botanischen Gartens, durch den man einen „sehr, sehr guten Draht“ zur Bevölkerung habe und die Uni ihr „größtes Labor“, hatte zuvor Uni-Präsident Professor Michael Weber in seinem Grußwort befunden. „Die Biologie ist die Leitwissenschaft des 21. Jahrhunderts geworden“, so Weber weiter. Ohne sie könne man den Klimawandel nicht verstehen.
Zwei Prozent aller Arten sind schon ausgerottet
Um Wissen – nämlich darum, wie wichtig Artenvielfalt für das Überleben des Menschen ist – ging es auch im Festvortrag „Zustand und Bedeutung der Biodiversität“ von Professor Markus Fischer von der Universität Bern. Er ist Sprecher des von der DFG geförderten Infrastruktur-Schwerpunktprogramms der Biodiversitätsexploratorien und Leiter eines der drei großen Gebiete in Deutschland, die langfristig untersucht werden. In einem eindringlichen Appell mahnte Fischer, schnell etwas gegen das Artensterben und den Klimawandel zu unternehmen, denn: „Unser Fußabdruck ist dreimal so groß, wie er sein sollte.“ 40 Prozent des Naturkapitals habe die Menschheit bereits vernichtet, eine von insgesamt rund acht Millionen Arten gelte als vom Aussterben bedroht, zwei Prozent der Arten seien bereits ausgerottet: „Das ist unwiderruflich. Wir stehen am Anfang eines Massenaussterbens, wenn wir nichts dagegen unternehmen.“
Der Mensch nutze die Ökosysteme zu intensiv – auch auf der Schwäbischen Alb, wo Fischer selbst aufgewachsen ist. Untersuchungen des Biosphärengebiets Schwäbische Alb zeigen, dass durch intensive Landnutzung die Artenvielfalt zurückgeht: „Wir sehen auch in Ulm, was uns auf der ganzen Welt beunruhigt.“ Biodiversität und Klimawandel hingen zusammen, und das 1,5-Grad-Ziel sei zwar noch zu schaffen, wenn man wirklich wolle. Allerdings müsse jetzt gegengesteuert werden: „Wir denken, wir haben Zeit, aber die haben wir nicht.“ Auch wenn andere Länder nicht mitziehen, könne Deutschland sich nicht verstecken: „Deutschland muss vorangehen und kann ein Pionier des Wandels sein“, ist Fischer überzeugt. „Es muss nicht jeder Einzelne von uns die ganze Welt verändern, aber wir können alle etwas mithelfen.“
Weitere Informationen:
Prof. Jan Tuckermann, Institut für Molekulare Endokrinologie der Tiere, E-Mail: jan.tuckermann(at)uni-ulm.de
Text und Medienkontakt:
Christine Liebhardt