Durch die Studiengebührenbefreiung für Studierende mit zwei Geschwistern befinden wir uns derzeit in einer ziemlich grotesken Situation: Stark vereinfacht führen die Studiengebühren, die ja eigentlich die Verbesserung der Lehre zum Ziel hatten, zu einer Reduzierung der Hilfskraftstellen für mindestens das kommende Semester.
Tutoren gab es natürlich auch schon vor Einführung der Studiengebühren. Damals wurden diese voll von der Uni finanziert, die -- abhängig von der Zahl der Studierenden -- jedem Fachbereich ein Budget hierfür zur Verfügung stellte. Dazu gehörten auch Exportveranstaltungen, wie zum Beispiel Tutoren aus der Mathematik für die Informatiker, oder welche aus der Informatik für die Allgemeine Informatik. Nach der Einführung der Studiengebühren wurde dieses Budget zugunsten anderer Töpfe reduziert, also die Lehre eigentlich verschlechtert -- ein Schelm, wer hier "Heizkosten" denkt. Diese resultierende Verschlechterung konnte man dann durch Studiengebühren wieder auffangen, so dass am Ende wieder alles war wie zuvor, die Studiengebühren aber zumindest scheinbar dafuer eingesetzt wurden, wofür sie gedacht waren. Dass das Ganze eine Milchmädchenrechnung ist, ist ja nebensächlich.
Fairerweise muss man zugestehen, dass die Betreuungssituation durch dieses Konstrukt zwischenzeitlich sogar etwas verbessert wurde. Die Ironie der Geschichte nahm jedoch im vergangenen Frühjahr ihren Lauf. Seither können sich Studierende mit zwei oder mehr Geschwistern von den Studiengebühren befreien lassen, sofern sich diese zwei Geschwister nicht selbst befreien ließen. Dies traf aber offenbar auf deutlich mehr Studierende zu, als vorher erwartet wurde -- was sich nun direkt auf die inzwischen hauptsächlich aus Studiengebühren finanzierten Hilfskräfte auswirken wird.
Ende letzten Jahres stellte sich nun die Frage, wie man weiter fortfahren sollte. Die Mittel würden definitiv nicht ausreichen, um in gewohnter Weise Tutoren anzustellen, und so wurde den Vertretern der FIN in der Studienkommission vorgeschlagen, die bezahlten Stunden für die Hilfskräfte zu kürzen, um dafür wieder möglichst viele Tutorenstellen besetzen zu können.
In einer ausführlichen Diskussion innerhalb der Fachschaft kristallisierte sich heraus, dass das eigentliche Problem nicht (nur) auf den Wegfall der Mittel durch die Geschwisterregelung zurückzuführen ist. Die Heizkosten haben den ursprünglichen Hilfskraftmitteltopfs so stark gekürzt, dass er inzwischen aus Studiengebühren nicht mehr komplett auffüllbar ist. Damit würde die Betreuungssituation durch Tutoren schlechter als vor Einführung der Studiengebühren.
Die FIN befindet sich nun in einer Zwickmühle, denn eine praktikable Lösung muss natürlich im Interesse Aller gefunden werden. Hierfür ergeben sich eigentlich nur drei Möglichkeiten:
* Kürzung der monatlichen Vergütung der HiWis (geplant war die Kürzung um 12,5%)
* Kürzung der Tutorenstellen
* Andere nach Geld fragen
Die FIN hat von Anfang an darauf bestanden, dass der Betreuungsstandard nicht verschlechtert werden darf. Wir sehen es als ureigene Aufgabe der Universität an, ihre Studenten vernünftig zu betreuen. Die Auswahl zwischen Stundenkürzung und Stellenstreichung sahen wir als eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Deswegen haben wir darauf bestanden, dass die Anzahl der Tutoren bei gleichbleibender Vergütung nicht reduziert wird -- auch, um am Ende mit unserer Entscheidung der Universität keine Rechtfertigung für ihr Handeln zu bieten.
Im Endeffekt befinden wir uns, wie abzusehen war, in einer Lose-Lose-Situation. Wir haben die dringende Befürchtung, dass die Reduzierung der Arbeitsstunden von 40 auf 35 Stunden pro Monat, einmal eingeführt, zu einer dauerhaften Lösung werden würde -- insbesondere, da diese vorgeschlagene Kürzung der Stunden (um 12,5%) die wegfallenden Stellen (fakultätsintern 29%) unseren Rechnungen zufolge ohnehin nicht komplett refinanzieren könnte.
De facto sieht die Situation nun so aus: Im Sommersemester 2010 werden nach Planung der Studienkommission im Fachbereich Informatik 27% der eigenen Tutoren- und Hilfskraftstellen entfallen, so dass die Vorlesungen statt -- wie ursprünglich geplant -- von 105 Hilfskräften nur von 77 Tutoren betreut werden. Weitere 20 Tutorenstellen für die Exportveranstaltungen "Allgemeine Informatik" waren ebenfalls aus dem eigenen Budget geplant und werden nun übergangsweise durch universitätsweite Mittel finanziert. Damit fehlen aber immer noch 28 Tutoren, um die Veranstaltungen wie vor Einführung der Studiengebühren zu betreuen. Im Endeffekt bedeutet dies, dass im kommenden Semester bis auf vereinzelte Ausnahmen keine Hauptstudiumsveranstaltung im Fachbereich Informatik über studentische Tutoren verfügen wird.
Dieser Wegfall quasi aller Hilfskräfte in den Hauptstudiumsveranstaltungen ist für uns gleichermaßen inakzeptabel wie die geplante Stundenkürzung.
Mit am schlimmsten hat es diejenigen Studierenden getroffen, die für das Sommersemester fest damit gerechnet hatten, ihr Studium durch einen der nun weggefallenen Hilfskraftverträge finanzieren zu können. Selbst wenn durch einen (unwahrscheinlichen) Geldregen nun doch irgendwann noch Mittel für diese Stellen frei werden sollten: Entweder müssen sich die Studierenden nun einen anderen Job suchen, um auf jeden Fall im Sommer über die Runden zu kommen -- dann stehen sie als Hilfskraft ohnehin nicht mehr zur Verfügung. Oder sie hoffen einfach darauf, dass die Stellen doch noch "irgendwie" finanziert werden können -- und stehen im schlimmsten Fall im Sommer ohne Finanzierung da, falls die Verträge tatsächlich nicht zustande kommen.
Leider bekommt man auch nicht einfach so mal das Geld für 28 Tutorenstellen vom Präsiudium. Die Fachschaft hat zwar beim Kanzler angefragt, dieser sieht den Rückgang der Mittel um ~38% jedoch durch den Rückgang der Studierendenzahlen um ~18% gerechtfertigt. Wie diese Zahlen zusammenhängen, weiß allein der Himmel (und vielleicht auch der Kanzler).
Gleichermaßen interessant ist auch die Frage, wie die Tutoren finanziert worden wären, wenn es keine Studiengebühren gäbe. Dann wäre das Präsidium vermutlich erst garnicht auf die Idee gekommen, von den Fakultäten die Bezahlung der Heizkosten aus ihren Tutorenmitteln zu fordern -- weil die dann fast aufgebraucht gewesen wären. Die Fakultät hätte die Gelder aus anderen Töpfen nehmen müssen, und so wären die Einsparungen vielleicht nicht nur ausschließlich zu Lasten der Studierenden verteilt worden.
Die Fachschaft Informatik sieht hier alle Instanzen in der Verantwortung, diesen Missstand auszugleichen. Die Fakultät darf sich nicht länger auf den Kuhhandel mit dem Präsdium zur Umschichtung der Heizkosten einlassen. Das Präsidium wiederum darf die Heizkosten nicht allein auf die Fakultäten abwälzen. Und schließlich dürfen wir Studenten es uns nicht läger gefallen lassen, dass Studiengebühren durch billige Taschenspielertricks "gewaschen" werden, damit sie für Heizkosten draufgehen können.
Tutoren-GAU in der Informatik
Universität Ulm Universität Ulm
Warum wir mit Studiengebühren weniger Geld haben als ohne.