Geschichte des Neuromuskulären Zentrums Ulm (NMZU)
Muskelforschung wurde an der Universität Ulm schon von Beginn an im Physiologischen Institut unter Prof. Karl Brecht betrieben. Die Erforschung von Krankheiten der Muskulatur kam dazu, als Prof. Reinhardt Rüdel 1979 den Lehrstuhl für Allgemeine Physiologie übernahm. Rüdel initiierte 1982 eine Arbeitsgemeinschaft "Muskelforschung", die von 1985 bis1988 als Landesschwerpunkt Landes Baden-Württemberg gefördert wurde.
Nach Auslaufen des Landesschwerpunkts wurde die Zusammenarbeit der Ulmer Muskelforscher dadurch weiter beibehalten, dass diese - nach dem Vorbild der Muskelzentren in Großbritannien - an der Universität Ulm das erste Muskelzentrum Deutschlands etablierten. Schwerpunkt der Forschung waren Muskelkrankheiten mit Erregungsstörung. Genauso wichtig waren aber die Einrichtung einer regelmäßigen Muskelsprechstunde und ein bevorzugtes Aufnahmeverfahren für stationäre Muskelpatienten. Hier bildeten die Unterstützung der Atmung und die Bekämpfung der Skoliose Hauptschwerpunkte. Die Betreuung der Patienten wurde am neuen Rehabilitationskrankenhaus Ulm (RKU) angesiedelt, da es drei für diese Aufgaben wichtige Abteilungen führte: Neurologie, Orthopädie und die für die Beatmung so wichtige Anästhesie.
Nach guten Erfolgen des zunächst nur informell funktionierenden Muskelzentrums, stimmten die beiden Medizinischen Fakultäten der Universität der förmlichen Einrichtung des Zentrums zu, und diese Entscheidung wurde vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst 1993 mit einem Erlass bestätigt. Gründungsmitglieder waren die Abteilungen Anästhesiologie im RKU, Klinische Genetik, Kinderheilkunde, Neurologie, Nuklearmedizin, Orthopädie, Pathologie sowie die Abteilungen für Allgemeine Physiologie und für Angewandte Physiologie. Der Neurologe Prof. Hans Helmuth Kornhuber wurde zum Vorsitzenden, Prof. Rüdel zu seinem Stellvertreter gewählt. Kurz vor der Gründung war der Lehrstuhl der Angewandten Physiologie mit Prof. Frank Lehmann-Horn besetzt worden. Er brachte neu die Erforschung der Malignen Hyperthermie ein und erweiterte die Forschung an den Muskelkrankheiten mit Erregungsstörung um die Erforschung von deren Genetik. Nach der Emeritierung von Prof. Kornhuber 1993 wurde dessen Nachfolger, Prof. Albert Ludolph, Vorsitzender des Zentrums. Er brachte als neuen Schwerpunkt die Erforschung und Behandlung der Amyotrophen Lateralsklerose in das Zentrum ein. Seit 2009 ist Prof. Lehmann-Horn der Vorsitzende des Zentrums. Ebenfalls 2009 wurde der 2004 emeritierte Prof. Rüdel zum Ehrenmitglied ernannt. Herr Prof. Dieter Pongratz erhielt die Ehrenmitgliedschaft für seine selbstlose und kompetente Mitwirkung beim Ulmer Muskelkolloquium.
Nach dem Ulmer Vorbild wurden auf Betreiben der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e. V. auch an anderen großen deutschen Kliniken Muskelzentren gegründet - 25 sind es derzeit -, welche für die ganze Bundesrepublik die Versorgung der Muskelpatienten im Wesentlichen übernehmen. Seit 2001 nennen sie sich „Neuromuskuläre Zentren“, da sie sich auch um Patienten mit Krankheiten des Motoneurons und des peripheren Nerven kümmern. Über die Arbeit aller Zentren berichtet jährlich ein Buchband, der von der „Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e. V.“ (DGM) angefordert werden kann.