Forschungsprogrammatik im MTW

Um die komplexen Mechanismen physischer und psychischer Traumata und deren Folgen aufzuklären, setzt die Ulmer Traumaforschung auf eine enge Zusammenarbeit von Forschenden aus den verschiedensten Disziplinen. Wissenschaftliche Grundlagen sind die Arbeiten im Sonderforschungsbereich (SFB) 1149 "Gefahrenantwort, Störfaktoren und regeneratives Potenzial nach akutem Trauma" und dem Zentrum für Traumaforschung (ZTF). Das ZTF wurde 2015 von der Universität Ulm als virtuelles universitäres Zentrum gegründet, um die Traumaforschung insbesondere an der Schnittstelle zwischen physischem und psychischem Trauma zu stärken. Der SFB 1149 wird bisher mit ca. 22 Mio. Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Daran beteiligt sind 19 Kliniken und Institute in 21 Teilprojekten. 

Der ganzheitliche, inter- und transdisziplinäre Forschungsansatz im MTW baut auf diesen Vorarbeiten auf und erweitert sie inhaltlich und methodisch. Dabei verfolgen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Ziel, innovative mechanistische, diagnostische und therapeutische Prinzipien herzuleiten, um daraus passgenaue Therapiekonzepte für Trauma-Patienten zu entwickeln. Adressiert werden hierfür fünf inhaltlich stark verknüpfte Forschungsfelder.

Forschungsfelder

In hoher zeitlicher und örtlicher Auflösung untersucht F1 posttraumatische Schäden und Funktionsstörungen. Ziel ist es, neue Zell- und Organfunktionsmarker zu identifizieren, um die kontinuierliche Überwachung von Traumapatienten anhand von organspezifischen Parametern zu verbessern. Hierfür erfolgen umfassende OMICS- und systembiologische Analysen verschiedener Zellen und Gewebe. Auf epigenetischer Basis werden darüberhinaus die molekulare Traumaerinnerung und resultierende transgenerationale Effekte beleuchtet.

Aufgrund der geringen Regenerationskapazität des Gehirns bleibt das Schädel-Hirn-Trauma eine große klinische und wissenschaftliche Herausforderung. F2 untersucht die Mechanismen der Gehirnschädigung nach akutem oder repetetivem Schädel-Hirn-Trauma. Zudem wird der Einfluss peripherer Traumata auf das zentrale Nervensystem (und vice versa) erforscht. Im Fokus stehen dabei posttraumatische Veränderungen in der neuronalen Verschaltung (synaptische Plastizität) sowie zelluläre Regenerationsvorgänge. 

Da Trauma-Patienten häufig ein beeinträchtigtes Immunsystem und verletzte Gewebeschranken aufweisen, sind sie besonders anfällig für Gleichgewichtsstörungen kommensaler und pathogener Mikrooganismen. Mit diesem Wechselspiel und den Entstehungsmechanismen für posttraumatische Infektionen beschäftigt sich F3. Hervorzuheben ist die Verknüpfung von Erkenntnissen aus der Tumorentstehung mit der Traumaforschung – wichtige Aspekte dabei sind Mikromilieuveränderungen und Strategien zur Hemmung bakterieller Proteintoxine (Traumatoxikologie).

Die Regenerations- und Heilungsfähigkeit von Patienten mit schwerem Trauma ist deutlich beeinträchtigt. In F4 werden daher die Mechanismen der posttraumatischen Regeneration in verschiedenen Geweben, besonders im muskuloskelettalen System, untersucht. Dabei liegt ein Fokus auf der posttraumatischen Immunaktivierung und deren Auswirkungen auf molekulare und zelluläre Re- und Degenerationsprozesse. Darüberhinaus wird das immunmodulatorische und regenerative Potenzial von endogenen und exogenen Stammzellen nach Trauma beleuchtet.

Sowohl physische als auch psychische Traumata lösen eine molekulare Gefahrenantwort samt Aktivierung der neuroendokrinen Stressachse, des kardiovaskulären Systems und der Immunabwehr aus. Dabei können sie sich gegenseitig beeinflussen. Den Interaktionsmechanismen physischer und psychischer Traumata in Bezug auf den Heilungsverlauf gilt deshalb das Forschungsinteresse in F5. Zudem erfolgen BigData-Analysen und Studien zu den volkswirtschaftlichen Auswirkungen von Traumata basierend auf Routinedaten von Kosten- und Versorgungsträgern im Gesundheitswesen.