Peter Wehling, Willy Viehöver, Harald Hofer

Im Rahmen des übergreifenden Forschungsinteresses der Aufdeckung institutioneller Bedingungszusammenhänge sexuellen Missbrauchs beschäftigt sich das Teilprojekt 4 mit den Konzepten des Kindeswohls, die der pädagogischen Praxis in schulischen Einrichtungen zugrunde liegen. Es geht u.a. der Frage nach, ob sich in den praxisleitenden Kindeswohlkonzepten im Hinblick auf die Definition, Diagnose und Bewertung des Kindeswohls bzw. sexuellen Missbrauchs Medikalisierungs- oder auch Demedikalisierungsprozesse beobachten lassen. „Medikalisierung“ meint dabei, dass medizinische Begrifflichkeiten, Definitionen und Deutungen an Wirkungsmacht gewonnen und andere Konzepte, etwa pädagogische, juristische oder psychologische, ergänzt oder gar an den Rand gedrängt haben. Dieses Forschungsinteresse gründet darin, dass mit dem Begriff „Kindeswohl“ sehr verschiedene Aspekte (z.B. ethische, medizinische, pädagogische, juristische, psychologische usw.) gemeint sein können, wobei die Hypothese überprüft wird, nach der seit den 1960er Jahren die Medizin mehr und mehr zur Leitdisziplin für die Bestimmung von Kindeswohl und sexuellem Missbrauch avancierte. Im Mittelpunkt des Teilprojekts 4 stehen somit die Identifikation, Beschreibung und Analyse von Strukturen und Handlungsroutinen in pädagogischen Einrichtungen, die sexuellen Missbrauch ermöglichen, begünstigen oder aber verhindern und vermeiden könnten. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Analyse von Kindeswohlkonzepten, an denen sich die Einrichtungen bzw. deren Personal implizit oder explizit orientieren. Auf Basis der Analyseergebnisse soll in Kooperation mit den Einrichtungen die Frage nach möglichen Präventions- und Reaktionsmöglichkeiten erarbeitet werden, die pädagogischen Einrichtungen und ihren Mitarbeitern im Hinblick auf Verdachts- oder Missbrauchsfälle zur Verfügung stehen bzw. wünschenswert und zielführend wären.

Universität Augsburg, Lehrstuhl für Soziologie