Großer Erfolg für die Universität Ulm: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt die Einrichtung des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1279 „Nutzung des menschlichen Peptidoms für die Entwicklung neuer antimikrobieller und anti-Krebs-Therapeutika“. Im Zentrum des mit rund 12,1 Millionen Euro geförderten und zunächst auf vier Jahre angelegten Forschungsvorhabens stehen körpereigene Peptide. Dies sind kleine „Eiweißbausteine“ mit großem Potenzial für die Behandlung von Krebs und Infektionskrankheiten.
„Tatsächlich umfasst das Peptidom, das heißt die Gesamtheit der Peptide des Menschen, Millionen von Verbindungen, von denen manche die Immunabwehr von Bakterien und Viren stärken oder die Ausbreitung von Krebszellen hemmen können. Allerdings ist erst ein Bruchteil davon charakterisiert“, erklärt SFB-Sprecher Professor Frank Kirchhoff, Leiter des Ulmer Instituts für Molekulare Virologie. Das Peptidom stelle deshalb eine fast unerschöpfliche Quelle für neuartige Biowirkstoffe dar, ergänzt Professor Jan Münch, stellvertretender Leiter des Instituts für Molekulare Virologie. Hauptziel des neuen Sonderforschungsbereichs ist es, Peptide zur nebenwirkungsarmen Bekämpfung von Infektionskrankheiten sowie Krebs zu identifizieren – und diese mit neuen Technologien für den therapeutischen Einsatz im menschlichen Körper zu optimieren. Dazu haben sich renommierte Mikrobiologen, Virologen sowie Krebsforscher mit Quantenphysikern, Pharmakologen und weiteren Wissenschaftlern der Universität Ulm zusammengeschlossen.
Eine Schlüsselrolle für ihre wissenschaftliche Arbeit spielen Peptidbanken aus menschlichen Körperflüssigkeiten, wie sie bereits im Ulmer Zentrum für Peptidpharmazeutika (UPEP) und in der neu gegründeten Core Facility „Funktionelle Peptidomik“ an der Universität eingesetzt werden. So konnten die Ulmer Virologen beispielsweise Peptide identifizieren, die als körpereigene HIV-Hemmer wirken oder das Wandern von Krebszellen unterbinden. In menschlicher Samenflüssigkeit fanden sie jedoch auch „Verstärker“, welche die Virusübertragung durch Sexualkontakte fördern könnten.
Geht es in ersten SFB-Projektbereich um die Identifikation und Charakterisierung antimikrobieller Peptide, die beispielsweise gegen Tuberkulose-Erreger, HIV, Zika- und Herpesvieren wirken, stehen Krebserkrankungen im Zentrum des zweiten Bereichs. Denn Peptide modulieren auch das Überleben und die metastatische Ausbreitung von Krebszellen. Professor Christian Buske, Co-Sprecher des SFBs sowie Ärztlicher Direktor des Instituts für Experimentelle Tumorforschung, und weitere namhafte Kollegen werden vor allem die Interaktion von Leukämie- und Krebsstammzellen mit ihrer Mikroumgebung untersuchen.
Weitere SFB-Projekte drehen sich um neue Methoden zur Optimierung der Aktivität, Stabilität und der Freisetzung bioaktiver Peptide – unterstützt durch innovative bildgebende Verfahren zur Charakterisierung von Peptiden. Forscher um den dritten Co-Sprecher, den Quantenphysiker Professor Martin Plenio, arbeiten daran Peptidstrukturen mit Hilfe von Diamantsensoren darzustellen. Zudem bringen sie ihre Expertise zur hochleistungsfähigen Magnetresonanztomographie mittels hyperpolarisierter Diamanten ein. Darüber hinaus steht den Forschern das Niederspannungstransmissions-Elektronenmikroskops „SALVE“ (Sub- Ångström Low-Voltage Electron Microscopy) zur Verfügung. „Der SFB widmet sich einem neuen, anspruchsvollen Forschungsgebiet. Wir wollen grundlegende Erkenntnisse zur Rolle körpereigener Peptide bei pathologischen Prozessen gewinnen und diese für die Entwicklung neuer, Peptid-basierter Verfahren und Medikamente nutzen“, resümiert SFB-Sprecher Kirchhoff, Leibniz-Preisträger von 2009.
Zu diesem fünften DFG-Sonderforschungsbereich gratuliert auch Professor Michael Weber, Präsident der Universität Ulm: „Krebs und Infektionen zählen zu den häufigsten Erkrankungen des Menschen. Diese Krankheiten mit körpereigenen und somit nebenwirkungsarmen Peptiden zu besiegen, ist eine wichtige und zukunftsträchtige Forschungsaufgabe. Ich freue mich sehr, dass die Forscher um Professor Kirchhoff mit ihrem Konzept reüssieren konnten.“
Text/Medienkontakt: Annika Bingmann