Sich inspirieren lassen und vernetzen, Neues lernen und dabei die persönliche Bekanntschaft machen mit Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträgern: Darum geht es bei der 72. Nobelpreisträgertagung vom 25. bis zum 30. Juni in Lindau am Bodensee. Mit dabei auf der LINO 2023 zu Medizin und Physiologie sind in diesem Jahr mehr als 630 junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt. Sie haben ein strenges mehrstufiges Auswahlverfahren durchlaufen und jetzt dafür die Möglichkeit, rund 40 Laureaten und Laureatinnen persönlich kennenzulernen. Unter den Ausgewählten sind junge Forschende der Uni Ulm.
In Lindau mit dabei ist auch die junge Molekular-Biologin Dr. Dorota Kmiec. „Diese Tagung ist eine sehr intensive und inspirierende Veranstaltung. Ich fand es sehr beeindruckend, Nobelpreisträger und andere junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus so vielen unterschiedlichen Ländern zu treffen und mit ihnen zu sprechen“, sagte Kmiec. „Einige der klügsten Köpfe der Welt kommen hier zusammen und bieten uns Einblicke in ihre wissenschaftliche Arbeit, mit all den Höhen und Tiefen, mit denen sie konfrontiert waren.“ Die Molekularbiologin, die in Glasgow studiert und in Ulm promoviert hat, ist nach Postdoc-Phasen in London wieder an die Donau zurückgekehrt. Sie forscht jetzt als Juniorgruppenleiterin am Institut für Molekulare Virologie, finanziert über das Marie-Sklodowska-Curie-Programm der EU. Im Focus ihrer Arbeit steht die Frage, wie es Pandemieviren wie HIV-1 und SARS-CoV-2 gelingt, das angeborene Immunsystem auszutricksen. Besonders fasziniert war Kmiec von ihrer persönlichen Begegnung mit Professorin Emmanuelle Charpentier. Die Wissenschaftlerin erhielt 2020 den Nobelpreis für Chemie als Miterfinderin der Genschere CRISPR-Cas. „Ich war erstaunt, dass sie zu Beginn ihrer Karriere mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen hatte, mit denen ich derzeit konfrontiert bin. Sie gab uns wertvolle Tipps und hat uns ermutigt, in der Wissenschaft unsere eigenen Wege zu gehen und uns dabei gegenseitig zu helfen und zusammenzuarbeiten“, so die Ulmer Nachwuchsgruppenleiterin.
Im Gespräch auf andere Gedanken kommen
Nicht weniger begeistert von der LINO 2023 war Dr. Rüdiger Groß, der ebenfalls eine Forschungsgruppe am Institut für Molekulare Virologie leitet: „Denn im Gespräch mit Preisträgern und anderen jungen Wissenschaftlern kommt man auf ganz neue Gedanken.“ Der 30-jährige Biochemiker, der in Ulm studiert und promoviert hat, widmet sich in seiner Forschung extrazellulären Vesikeln mit antiviraler Wirkung, die unter anderem die sexuelle Übertragung von Viren verhindern. Besonders beeindruckt hat ihn der Vortrag des Informatikers Professor Shwetak Patel. Der Preisträger des „ACM Prize in Computing“ forscht zum medizinischen Einsatz von Smart Sensing Systemen und sucht nach Wegen, wie herkömmliche Sensoren in Smartphones die medizinische Diagnostik verbessern können.
Den Auswahlprozess für Lindau erfolgreich durchlaufen hat auch die 33-jährige Professorin Marie-Nicole Theodoraki, wissenschaftliche Oberärztin an der HNO-Klinik. Aus familiären Gründen konnte die deutsch-griechische Medizinerin allerdings dann doch nicht an der Bodensee-Tagung teilnehmen. Theodoraki, die kürzlich für ihre Exosomen-Forschung mit dem Anton-von-Tröltsch-Preis ausgezeichnet wurde, forscht am Uniklinikum zur Entwicklung von speziellen Biomarkern, die die Entstehung und das Wiederauftreten von Kopf-Hals-Krebs anzeigen.
Bei der Bootsfahrt auf der MS Sonnenkönigin stellen sich die Unis des Landes vor
Einer der Höhepunkte der Lindauer Tagung war die Bootsfahrt mit der MS Sonnenkönigin zur Insel Mainau für das gemeinsame Picknick. Bei der von „Baden-Württemberg international“ organisierten Überfahrt, die traditionell am letzten Tag der sechstägigen Veranstaltung stattfindet, stellen sich auf dem Schiff die baden-württembergischen Universitäten und Forschungseinrichtungen vor. Am Stand der Universität Ulm präsentierte sich am Freitag das Institut für Medizinische Systembiologie mit einem Forschungsprojekt über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Quanten-Computing in der Biologie. In dem von Professor Hans Kestler geleiteten Projekt geht es darum, komplexe genregulatorische Netzwerke über logikbasierte Modelle auf Quantenalgorithmen bzw. Quantenrechner zu übertragen, um diese realitätsnah zu simulieren. Vor Ort waren auch Dr. Johann Kraus und Felix Weidner. Die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter aus dem Institut hatten in diesem Jahr die Ehre, an Bord die Universität Ulm zu vertreten. In einem dreiminütigen Pitch-Vortrag stellte Johann Kraus außerdem die Sonderforschungsbereichen der Uni vor sowie die weiteren vielfältigen interdisziplinären Kooperationsmöglichkeiten für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. (03.07.23)
Weitere Informationen zur LINO 2023:
https://www.lindau-nobel.org/
Text und Medienkontakt: Andrea Weber-Tuckermann