Eine neue KI-basierte Technologie soll auf dem dezentralisierten Finanzmarkt Betrugsrisiken entdecken und Anlegerinnen und Anleger vor Verlusten schützen. Die sogenannte „DeFi – Risk Advisor KI“ wird vom Stuttgarter Startup Blockbrain in Zusammenarbeit mit der Universität Ulm entwickelt. Die Risikoberatungs-KI will Investitionen in Kryptowährungen, Non-Fungible Token (NFTs) und andere Blockchain-basierte Finanzprodukte mit automatisierten Entscheidungshilfen unterstützen. Dabei hilft ein datenbasiertes Frühwarnsystem. Das Land Baden-Württemberg fördert das Projekt für zwei Jahre mit rund 900 000 Euro als Innovations- und Technologievorhaben im Rahmen des Programms Invest BW.
Investitionen in Kryptowährungen oder andere Blockchain-basierte Finanzprodukte versprechen traumhafte Renditen. Doch auch die Risiken sind enorm. Allein im vergangenen Jahr verloren Investoren auf dem sogenannten Dezentralisierten Finanzmarkt (DeFi) rund 4 Milliarden US-Dollar an Betrüger. Wie können sich potentielle Anleger vor Verlusten schützen und bestmögliche Investment-Entscheidungen treffen? Hier hilft in Zukunft die „DeFi – Risk Advisor KI“ des Stuttgarter Startups Blockbrain und der Uni Ulm. Hinter dem ausführlichen Projekttitel des Verbundprojektes „Künstliche Intelligenz für Investitionsempfehlungen, Portfoliooptimierung und Betrugserkennung im Bereich Blockchain-basierter dezentraler Finanzprodukte“ versteckt sich eine neuartige Technologie. „Das Ziel ist es, mit Hilfe Künstlicher Intelligenz Menschen dabei zu unterstützen, das eigene Portfolio zu optimieren, gute Investment-Entscheidungen zu treffen und betrügerische Projekte zu vermeiden“, erklärt Professor Andre Guettler. Der Leiter des Instituts für Strategische Unternehmensführung und Finanzierung ist für die Uni Ulm am Projekt beteiligt.
„Die Künstliche Intelligenz nutzt große Mengen strukturierter Daten, beispielsweise von Blockchain-basierten Finanzprodukten oder DeFi-Marktplätzen, sowie unstrukturierte Daten aus Social Media, Blogs oder News-Plattformen. Damit sollen Muster erkannt werden, die Auskunft über Risiken und Gefahren geben und die letztendlich dabei helfen, das eigene Portfolio durch risikobewusste Entscheidungen zu optimieren“, erläutert Antonius Gress, einer der Blockbrain-Gründer. Die „DeFi – Risk Advisor KI“ soll diese besondere Anlageklasse aus Blockchain-basierten Finanzprodukten einer breiteren Masse an Menschen zugänglich machen.
Non-Fungible-Token sind wie digitale Panini-Bilder, mit denen sich Geld machen lässt
Zu den Blockchain-basierten Finanzprodukten gehören auch sogenannte Non-Fungible-Token (NFTs). Das sind digitale, eindeutig überprüfbare Objekte, die bestimmte digitale oder physische Gegenstände repräsentieren. „Ein NFT kann man sich wie ein digitales Panini-Sammelbild vorstellen. Dieses kann man für immer behalten, und beispielsweise seinen Freunden zeigen. Man kann es aber auch an jemand anderen verkaufen, wenn man möchte. Und diese Verkäufe kann man auf der Blockchain eindeutig nachvollziehen, was Fälschungen deutlich erschwert“, illustriert Guettler.
Im Metaverse, im Gaming- oder Kunstbereich werden über NFTs bereits jetzt schon Milliarden umgesetzt. Und auch andere zunehmend digital dominierte Bereiche wie die Musikindustrie werden für den Handel mit NFTs immer attraktiver. „Im Immobilienbereich, auf dem klassischen Finanzmarkt und im Handel mit CO2-Zertifikaten müssen NFTs physisch hinterlegt sein, sie brauchen also ein konkretes Pendant, um sich zu verbreiten. Deshalb dauert es wohl noch einige Zeit, bis NFTs auch in diesen Bereichen Fuß fassen. Jedoch werden diese Märkte dann deutlich größer sein als digital hinterlegte NFTs“, glaubt der Ulmer Wirtschaftswissenschaftler.
„Non-Fungible-Token stehen nicht nur für eine neuartige Gestaltungs- und Nutzungskultur für digitale Kunst. Sie haben langfristig durch ihre Dezentralität weitaus stärkere Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft. Vor allem ermöglichen sie eine bessere Verteilung der Macht weg von einigen US- oder China-dominierten Digitalkonzernen oder auch totalitären staatlichen Akteuren auf die Nutzer“, sagt Professor Andre Guettler. Denn die Blockchain, die für die sichere Verwahrung und nachprüfbare Transaktionen von NFTs sorgt, wird dezentral über eine Vielzahl an Computern organisiert. Doch mit den enormen Wachstums- und Renditepotentialen von NFTs, Kryptowährungen und anderen DeFi-Finanzprodukten gehen auch beträchtliche Risiken einher. Zwar gelten die technischen Verfahren der Umsetzung als sicher, doch hapert es nicht selten an der Implementation oder es stecken kriminelle Absichten dahinter.
Das System setzt Frühwarnsignale ab, um Anleger vor Verlusten zu schützen
Um den Markt dezentraler Finanzprodukte für Anleger sicherer zu machen und mehr Menschen für diese Finanzprodukte zu interessieren, möchte das Stuttgarter Startup Blockbrain in Zusammenarbeit mit dem Institut für Strategische Unternehmensführung und Finanzierung nun ein KI-basiertes Beratersystem etablieren, das in der Lage ist, beispielsweise bei NFT-Projekten Anzeichen eines absehbaren Betruges aufzuzeigen oder aufzudecken, wenn sich Anbieter vorzeitig aus dem Projekt zurückziehen wollen. „Das System setzt dann Frühwarnsignale ab und kann damit hoffentlich die Anleger vor Verlusten schützen“, präzisiert der Stuttgarter Startup-Gründer Gress. Außerdem arbeitet das Entwicklerteam an Optimierungstechniken bei NFT-Portfolios. „Wir wollen damit verhindern, dass Anleger zu viel Geld in zu wenige oder stark miteinander zusammenhängenden Projekte investieren. Diese Techniken sind auch bei klassischen Finanzanlagen wie Aktien weitverbreitet. Die Herausforderung besteht nun darin, diese auf den NFT-Bereich zu übertragen, der ja noch in den Kinderschuhen steckt“, so die DeFi-Experten aus Ulm und Stuttgart.
Hintergrund: Wofür steht DeFi? Was heißt Blockchain?
Die Abkürzung DeFi steht im Deutschen für den Begriff Dezentralisierter Finanzmarkt oder Dezentrales Finanzwesen. Gemeint ist damit ein Finanzwesen, das ohne Banken, Börsenmakler und Währungsinstitute auskommt und das Transaktionen unmittelbar, transparent und anonym ohne vermittelnde Instanzen von Person zu Person abwickeln kann. Technologisch wird dies realisiert über sogenannte Blockchain-Technologien, die auch die technische Grundlage für Kryptowährungen bilden. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik definiert Blockchain als eine technische Lösung, um Daten in einer verteilten Infrastruktur ohne zentrale Instanz nachvollziehbar und manipulationssicher im Konsens zu verwalten. Mit Blockchain ist es möglich, Transaktionen, beispielsweise von Kryptowährungen, ohne zentrale Instanz fälschungssicher und transparent zu verifizieren. Der Name Blockchain leitet sich von der Dokumentation der Daten ab: Blöcke von Datensätzen werden zu einer stetig wachsenden Blockkette aneinandergereiht. Kryptografische Verfahren sorgen dafür, dass einmal in die Blockchain aufgenommene Daten nicht mehr verändert werden können. Manche dieser Verfahren brauchen allerdings enorme Rechenleistungen, die dezentral von sogenannten Data-Minern zur Verfügung gestellt werden.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Andre Guettler, Leiter des Instituts für Strategische Unternehmensführung und Finanzierung, E-Mail: andre.guettler(at)uni-ulm.de
Antonius Gress, Co-Founder & Chief-Technology Brain von Blockbrain, E-Mail: info(at)theblockbrain.io
Text und Medienkontakt: Andrea Weber-Tuckermann