Neurobus 2.0
Neuronale Schnittstellen werden häufig für die Untersuchung komplexer Interaktionen zwischen Neuronen im Gehirn verwendet. Um die Aktivität von Nervenzellen zu verstehen, wird das Nervengewebe zunächst mit einem Strom- oder Spannungssignal stimuliert und anschließend seine elektrische Aktivität beobachtet. Die neuronale Antwort liegt typischerweise im Spannungsbereich von 50μV bis 1mV, was viel niedriger ist als das Stimulationssignal, das leicht einen Spannungsbereich von mehreren Volt überschreiten kann. Der große Unterschied in diesen Amplitudenniveaus macht die Entwicklung des analogen Front-Ends zu einer Herausforderung, da rauscharme und stromsparende Aufzeichnungsschaltungen mit einem Hochspannungsstimulator kombiniert werden müssen.
Eine weitere große Herausforderung bei der Entwicklung von Neuromodulatoren ist die Nachfrage nach immer höheren räumlichen Auflösungen, die nicht nur einen, sondern möglichst viele Aufnahme- und Stimulationskanäle erfordert. Eine hohe räumliche Auflösung ermöglicht zum einen einen detaillierteren Einblick in die Funktionsweise des Gehirns, zum anderen können Neuronen gezielter angesprochen werden, was wirksamere Behandlungen ermöglicht. Eine höhere Anzahl von Kanälen vergrößert jedoch nicht nur die Fläche, sondern auch den Stromverbrauch des Systems. Diese beide Größen sind jedoch in einem implantierbaren System sehr begrenzt.
In der Regel werden die Aufzeichnungs- und Stimulationsschaltungen für alle Kanäle auf einem einzigen ASIC implementiert. Dieser zentralisierte Ansatz erfordert jedoch eine große Siliziumfläche, um eine hohe Kanalzahl für eine hohe räumliche Auflösung zu integrieren. Der gekapselte ASIC wird typischerweise im Schädelknochen oder in der Brust platziert, da in diesen Körperregionen das einsetzen größerer Implantate möglich ist. Die Aufzeichnungs- und Stimulationselektroden müssen mit langen, mehrdrahtigen Kabeln an das Implantat angeschlossen werden. Das zentralisierte Konzept leidet unter einem erhöhten Verkabelungsaufwand und einer verschlechterten Signalintegrität aufgrund des großen Abstands zwischen dem Neurorecorder und der Aufzeichnungselektrode.
Neurobus zielt darauf ab, diese Probleme im Kern zu lösen. Anstelle einer zentralen Einheit sind die Aufzeichnungs- und Stimulationsschaltungen auf eine große Anzahl Mini-Implantate, sogenannte μASICs, verteilt. Dieser Ansatz ermöglicht es, die Aufzeichnungs- und Stimulationseinheiten nahe an den entsprechenden Elektroden anzubringen, was den Verdrahtungsaufwand verringert und die Signalintegrität verbessert. Aufgrund ihrer geringen Größe können die μASICs direkt auf dem Hirngewebe platziert werden. Alle Einheiten sind über einen Datenbus miteinander verbunden. Eine zentrale Einheit, die außerhalb des Hirngewebes platziert werden kann, ist für das Energiemanagement und die Kommunikation mit einer externen Einheit zuständig.
In der ersten Iteration des Projekts wurden die Grundlagen der Materialwissenschaft und der Mikroelektronik geschaffen. Ein erster Neurorecorder-Prototyp μASIC wurde entwickelt und getestet. Die zweite Iteration zielt darauf ab, die Leistung, den Strom- und den Flächenverbrauch durch eine neuartige Architektur zu optimieren. Außerdem soll das System um einen Stimulator erweitert werden, um Closed-Loop-Neuromodulation zu ermöglichen.
[1] M. Sporer et al., "NeuroBus – Architecture and Communication Bus for an Ultra-Flexible Neural Interface," 2023 IEEE International Symposium on Circuits and Systems (ISCAS), Monterey, CA, USA, 2023, pp. 1-5
DOI: 10.1109/ISCAS46773.2023.10181816
[2] M. Sporer et al., "NeuroBus - Architecture for an Ultra-Flexible Neural Interface," in IEEE Transactions on Biomedical Circuits and Systems, vol. 18, no. 2, pp. 247-262, April 2024
DOI: 10.1109/TBCAS.2024.3354785
DFG Projekt „NeuroBus 2.0“ - OR245/15-2