Das Studium gilt landläufig als schönste Zeit des Lebens. Allerdings birgt der Übergang ins „Erwachsenenalter“ auch ein erhöhtes Risiko für psychische Belastungen, die womöglich die Leistungsfähigkeit einschränken oder sogar zum Studienabbruch führen. In einer internationalen Längsschnittstudie soll der psychische Gesundheitszustand von Studierenden in rund 20 Ländern erfasst werden – ab Ende November werden auch Teilnehmer und Teilnehmerinnen an der Universität Ulm gesucht.
Der Erkrankungsgipfel zahlreicher psychischer Erkrankungen liegt vor dem 24. Lebensjahr. Und gemäß der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie verschiedener Untersuchungen sind Studierende häufiger betroffen als junge Berufstätige. Im Rahmen der Erhebung „StudiCare“ wollen Forscher um den Ulmer Psychologieprofessor Harald Baumeister und seine Erlanger Kollegen Dr. David Ebert und Professor Matthias Berking Risikofaktoren für seelische Erkrankungen bestimmen, aber auch Vorhersagemodelle für den Studienerfolg und psychische Gesundheitsverläufe entwickeln.
Die Online-Erhebung an den Universitäten Ulm und Erlangen-Nürnberg ist als Teil der internationalen WHO-Studie „International College Student Project“ auf fünf Jahre angelegt und startet in diesem Wintersemester. Koordiniert von Professor Ronald C. Kessler (Harvard Medical School) laufen vergleichbare Untersuchungen in etwa Frankreich, Belgien, Spanien, China, Südafrika sowie in den Niederlanden und den USA an.
Studierende werden begleitet
Mindestens ein Fünftel der Ulmer Erstsemester möchte der ausgebildete Psychotherapeut Professor Harald Baumeister mit seiner Befragung erreichen. Die erste Kohorte wird dann über drei Jahre begleitet: Zunächst sollen die Studienanfänger einen Online-Fragebogen zu ihrer psychischen Gesundheit ausfüllen. Dabei werden Sie zu Ihrem psychischen Wohlbefinden, Ihren Belastungen sowie Ihren Erwartungen an das Studium befragt. Zusätzlich werden biographische sowie sozio-demographische Merkmale erhoben. Als Zwischenziel können so Querschnittaussagen zur psychischen Gesundheit Ulmer und Erlanger Studierender sowie zu Risikofaktoren für die Entwicklung bestimmter Störungen gemacht und international verglichen werden.
Doch was passiert, wenn die Antworten eines Ulmer Teilnehmers auf eine hohe psychische Belastung schließen lassen? „In diesem Fall versuchen wir, die Person zu einer weiteren Abklärung zu motivieren und raten gegebenenfalls dazu, Unterstützungsangebote in Anspruch zu nehmen“, erläutert Harald Baumeister, Leiter der Ulmer Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie. „Je nach Symptomatik können wir auch eine unserer Online-Interventionen anbieten, etwa zur Prüfungsangst oder zu Depressionen. Der Ablauf dieser computerbasierten Angebote ähnelt einer Psychotherapie: In sechs bis zehn Sitzungen arbeitet sich der Nutzer durch multimedial aufbereitete Lektionen. Bei einigen Online-Interventionen bekommen die Teilnehmer– zum Beispiel nach jeder absolvierten Einheit – Rückmeldung von einem Psychologen. Wie sich der Gesundheitszustand der Teilnehmer mit oder ohne Intervention im Studienverlauf verändert, überprüft die Forschergruppe mit regelmäßigen computergestützten Befragungen der studentischen Probanden.
Internationalität soll Vergleiche ermöglichen
Im internationalen Vergleich werden so interkulturelle Gegenüberstellungen möglich: Wie unterscheiden sich deutsche, chinesische oder US-amerikanische Studierende in ihrer seelischen Gesundheit? Und wie empfänglich sind sie für das Forschungsvorhaben beziehungsweise für Online-Interventionen allgemein?
In Deutschland wird „StudiCare“ von der Barmer GEK mit über 1,2 Millionen Euro gefördert. Erweitert wird das Projekt durch parallel laufende internationale Projekte der europäischen Kommission.
An der Universität Ulm startet die Erhebung ab dem 20. November. Alle Studierende im ersten Semester erhalten eine Einladungsmail mit einem personalisierten Link zur Befragung.
Text und Medienkontakt: Annika Bingmann