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Welche Psychotherapie hilft bei Missbrauchs- und Gewalterfahrung? Biomarker sollen Therapie-Erfolg anzeigen

Universität Ulm

Menschen, die als Kind körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren mussten, leiden unter den Folgen oft ein Leben lang. Häufig kommt es zu schwerwiegenden psychischen Erkrankungen wie einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Eine bundesweite Studie möchte nun herausfinden, wie Psychotherapie Betroffenen am besten dabei helfen kann, diese traumatischen Kindheitserlebnisse zu verarbeiten. Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt 3 Millionen Euro geförderte „ENHANCE“-Studie wird von der Universität Gießen geleitet. Im Oktober geht das Projekt, an dem auch die Universität Ulm und das Ulmer Universitätsklinikum beteiligt sind, an den Start. Für die Studie werden übrigens noch Probanden gesucht. Menschen, die in ihrer Kindheit Missbrauchs- und Gewalterfahrungen gemacht haben, erhalten bei einer Teilnahme eine 6-monatige therapeutische Behandlung.

„Ziel des Forschungsprojektes ist es, evidenzbasierte Konzepte zur Prävention, Erkennung und Therapie von PTBS zu entwickeln, wie sie nach Missbrauchs- und Gewalterfahrungen in der Kindheit häufig auftreten“, erklärt Projektkoordinator Professor Falk Leichsenring von der Justus-Liebig-Universität Gießen. In der Hauptstudie, an der Forschende der Universität Ulm und der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm beteiligt sind, sollen unter der Leitung von Professorin Iris-Tatjana Kolassa und Professor Harald Gündel zwei Psychotherapie-Verfahren getestet und evaluiert werden, die bereits bei der Behandlung traumatisierter Patientinnen und Patienten zum Einsatz kommen. Verglichen werden eine kognitiv-behaviorale Trauma-fokussierte Psychotherapie sowie die Trauma-fokussierte psychodynamische Psychotherapie. Hierbei handelt es sich um zwei klinisch bewährte Formen der psychotherapeutischen Behandlung, die bei Patienten ganz unterschiedlich anschlagen. Um deren Wirksamkeit zu verbessern, sind die beiden im Projekt angebotenen Therapieformen noch spezifischer auf die Bedürfnisse der Betroffenen zugeschnitten worden. Besonders berücksichtigt wurden dabei die Probleme von Menschen, die in ihrer Kindheit Gewalt erfahren haben.

Biologische Marker sollen dabei helfen, die Effektivität der therapeutischen Behandlung zu messen 

„Wir wollen dabei nicht nur herausfinden, ob Betroffene von den beiden angepassten Therapien profitieren, sondern außerdem nach biologischen Markern suchen, die dabei helfen, Krankheitszustände und Therapieeffekte zu messen“, erklärt Professorin Iris-Tatjana Kolassa, Leiterin der Abteilung für Klinische & Biologische Psychologie an der Universität Ulm. Die Wissenschaftlerin koordiniert die mit 430 000 Euro geförderte Ulmer Teilstudie zur biomolekularen Psychotraumatologie. Im Mittelpunkt steht dabei die Identifikation von Biomarkern, die Auskunft geben könnten über den körperlichen und psychischen Gesundheitszustand der Betroffenen – und zwar vor und nach der psychotherapeutischen Behandlung. „Der Körper reagiert auf traumatische Erlebnisse mit dauerhaften und gravierenden Stressreaktionen, die das Stress-Antwort-System des Körpers aus dem Gleichgewicht bringen“, so Kolassa. Es kommt zu Veränderungen im Immun- und im Hormonsystem, und auch neuronale Prozesse bleiben davon nicht unbeeinflusst. Diese Veränderungen lassen sich mit molekularbiologischen Methoden sichtbar machen.

Die Ulmer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen nun untersuchen, ob sich die Trauma-bedingten biologischen Veränderungen durch Psychotherapie rückgängig machen lassen. Analysiert werden dafür Blutproben, Haarsträhnen und Speichelproben von Probandinnen und Probanden nach bestimmten Risiko- oder Schutzfaktoren. Diese können gegebenenfalls auch auf biomolekularer Ebene darüber Auskunft geben, wie nachhaltig effektiv die therapeutische Behandlung war. „So sollen biologische Marker identifiziert werden, die dabei helfen können, individuell passende Therapieformen zu finden und den Therapieerfolg vorherzusagen und langfristig zu verbessern“, meint Projektmitarbeiterin Melissa Hitzler, die in der Abteilung für Klinische & Biologische Psychologie der Uni Ulm promoviert.

­Die Forschungsergebnisse aus dem ENHANCE-Projekt sollen dabei helfen, die Therapiepraxis zur Behandlung von Menschen mit frühen Missbrauchs- und Gewalterfahrungen zu verbessern und individuelle Ansätze zu finden, die an die jeweils spezifischen persönlichen Voraussetzungen angepasst sind. Beteiligt an dem Forschungsvorhaben sind Universitäten und Universitätskliniken aus Berlin, Dresden, Gießen, Hamburg, Mainz und Ulm. 

Probanden gesucht!

Für die Studie, die voraussichtlich im Oktober startet, werden auch in Ulm noch Probandinnen und Probanden mit Missbrauchs- und Gewalterfahrungen in der Kindheit gesucht. Im Rahmen der Studienteilnahme wird eine 6-monatige psychotherapeutische Behandlung angeboten. Interessentinnen und Interessenten melden sich bitte per E-Mail unter der Adresse enhance-studie@uni-ulm.de oder telefonisch unter der Nummer 0731 / 500 – 619 49. Mehr Informationen zur Studie und zu Teilnahmevoraussetzungen finden Sie unter www.enhance-traumatherapie.de

Leiter der Ulmer Studie: Prof. Dr. Jörn von Wietersheim, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums, Tel.: 0731 /  500 - 61820, E-Mail: Joern.Vonwietersheim@uniklinik-ulm.de

Text und Medienkontakt: Andrea Weber-Tuckermann 

Therapiesituation
Eine psychotherapeutische Behandlung kann dabei helfen, Gewalterfahrungen aus der Kindheit besser zu verarbeiten. Im Bild eine Therapiesituation aus der Psychotherapeutischen Hochschulambulanz der Universität Ulm (Foto: Elvira Eberhardt / Uni Ulm)
Gruppenbild Prof. Gündel, Kolassa und von Wietersheim
Prof. Harald Gündel (links), Prof. Iris-Tatjana Kolassa und Prof. Jörn von Wietersheim