Im Forschungsbereich Fahrerassistenzsysteme und automatisiertes Fahren ist die Universität Ulm spitze: Auf einer Teststrecke in der Wissenschaftsstadt sind seit geraumer Zeit zwei hochautomatisierte Fahrzeuge des Instituts für Mess-, Regel- und Mikrotechnik (MRM) mit einer Ausnahmegenehmigung unterwegs. Die wissenschaftlichen Grundlagen des automatisierten Fahrens erforschen Ingenieure, Informatiker und Psychologen im Zentrum F3 und seit Januar ist die Universität Ulm federführender Partner im Tech Center a-drive, einem hochkarätigen Zusammenschluss mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und dem Forschungszentrum Informatik (FZI) – gefördert vom Land sowie von der Daimler AG mit insgesamt 7,5 Millionen Euro.
Jetzt hat die Landesregierung bekannt gegeben, dass das vom Ministerium für Finanzen und Wirtschaft ausgeschriebene Testfeld für automatisiertes und vernetztes Fahren nicht wie gehofft in Ulm, sondern in Karlsruhe/Bruchsal entstehen wird. Um die Landesförderung in Höhe von 2,5 Millionen Euro hatte sich die Ulmer Universität zusammen mit der Stadt Ulm und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Unterstützung der Industrie- und Handelskammer genauso beworben wie die Region Stuttgart/Ludwigsburg und eben das Konsortium aus FZI, KIT und regionalen Partnern. In der Pressemitteilung des Landesministeriums für Verkehr heißt es, dass zudem Gespräche mit Stuttgart und Ludwigsburg geführt werden sollen – „mit dem Ziel, in einer zweiten Phase geeignete Elemente aus deren Bewerbung mit dem Digitalen Testfeld BW zu verknüpfen.“
„Von unserem Konzept sind wir weiterhin überzeugt und auch aus Expertenkreisen haben wir überaus positive Rückmeldungen erhalten. In jedem Fall werden wir das Thema im Zuge des hocherfolgreichen Forschungsbereichs automatisiertes Fahren weiterverfolgen – womöglich in einer etwas anderen Form und im Rahmen anderer Fördermaßnahmen“, sagt Universitätspräsident Professor Michael Weber.
Das Ulmer Konzept umfasst alle Straßenkategorien sowie zu Testzwecken willkommene Herausforderungen für selbstfahrende Autos wie Tunnel, Ampeln und den Ringverkehr am Blaubeurer Kreisel. Das Testfeld soll allen Akteuren im Bereich automatisiertes Fahren offenstehen und richtet sich auch an kleinere Unternehmen, die ihre Technologien für selbststeuernde Fahrzeuge in einem realistischen Umfeld erproben möchten. Auch Tests von Mobilfunknetzen und IT-Backendsystemen sind möglich. Die Ulmer Voraussetzungen sind hervorragend: Ingenieure um Professor Klaus Dietmayer, Leiter des Instituts für Mess-, Regel- und Mikrotechnik, verfügen über eine wohl einzigartige Expertise im anspruchsvollen innerstädtischen Verkehr, in dem Fahrzeuge und Fußgänger auf engem Raum interagieren. Der Antrag wird weiterhin von zahlreichen Unternehmen unterstützt, darunter Nokia mit seinem hochleistungsfähigen zukünftigen 5G-Netz, das die Echtzeitübertragung von Daten ermöglicht.
Netzwerke für neue Projekte nutzen
„Ich bedaure die Entscheidung der Landesregierung sehr. Ich denke, die Ulmer Bewerbung ist konzeptionell sehr gut und vor allem detailliert ausgearbeitet, hat eine sehr breite industrielle Unterstützung und war vor allem vom Budget her, auch durch Beteiligung des im Testfeldaufbau erfahrenen DLR, verlässlich kalkuliert“, sagt Professor Klaus Dietmayer zu der nun veröffentlichten Entscheidung und bedankt sich bei den engagierten Unterstützern. „Im Rahmen der Ausarbeitung des Konzepts sind viele neue Kontakte und Netzwerke entstanden, mit denen wir nun unabhängig von der Förderung des Testfeldes in Ulm weiter an gemeinsamen Ideen und Konzepten für das automatisierte und vernetze Fahren arbeiten werden. So wird die Universität Ulm mit ihren Partnern auch in Zukunft ihre Spitzenposition in diesem Bereich ausbauen können“, ergänzt Dr. Michael Buchholz vom MRM, der den Antrag maßgeblich mitgestaltet hat.
Oberbürgermeister Gunter Czisch steht ebenfalls hinter dem Antrag und will die Idee im Sinne der Stadt weiterverfolgen: „Das Ulmer Konzept fügt sich hervorragend in unsere städtische Strategie der ,Digitalen Stadt‘ ein, bei der wir einen Schwerpunkt auf die Fortentwicklung der Mobilität durch Vernetzung verschiedener Verkehrsträger legen. Wir werden deshalb mit engagierten Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft weiter daran arbeiten, denn hier geht es um die Zukunftsfähigkeit Ulms.“
IHK-Hauptgeschäftsführer Otto Sälzle zeigt sich optimistisch, was die weitere Entwicklung des Standortes betrifft. „Mit unseren Partnern im Cluster auto-mobile-IT werden wir die Entwicklung des Standortes weiter vorantreiben. Die hier vorhandene Kompetenz in der Wissenschaft und die Präsenz von Firmen wie Audi, BMW, Conti und Daimler sowie Nokia sind einzigartig.“ Tatsächlich können sich die Partner der Universität Ulm auch über den Testfeld-Antrag hinaus gemeinsame Projekte gut vorstellen. „In Ulm betreiben wir ein On-Air Testnetz für LTE und in Zukunft auch 5G. Mobilfunkszenarien für das Automatisierte Fahren stehen bei uns fest auf der Agenda. Nichts ist dabei naheliegender als eine Erprobung vor Ort“, sagt Dr. Hans-Joachim Dreßler, Betriebsleiter des Standortes Nokia Networks Ulm.
Mit oder ohne Testfeld: Ulm ist eines der weltweit führenden Zentren für Fahrerassistenzsysteme und das automatisierte Fahren. Dies unterstreicht einmal mehr die breite Unterstützung des Antrags durch renommierte Unternehmen und Forschungseinrichtungen in der Ulmer Wissenschaftsstadt und darüber hinaus.