Bald führerlose Autos auf Ulmer Straßen!
Ingenieure um Professor Klaus Dietmayer haben eine ganz normale Mercedes-Limousine zu einem hochautomatisierten Fahrzeug mit erstaunlichen Fähigkeiten umgebaut: Das Auto kann seine Geschwindigkeit führerlos regulieren, hält selbstständig die Spur und manövriert vielleicht schon bald in Parklücken, die selbst routinierten Fahrkünstlern Schweißperlen auf die Stirn treiben würden. Das Sicherheitskonzept der Forscher ist kürzlich vom TÜV abgenommen worden: Mit einer Ausnahmegenehmigung des Regierungspräsidiums rollt das Erprobungsfahrzeug der Wissenschaftler ab sofort auch ohne Fahrereingriff über Ulmer Straßen.
Andere Verkehrsteilnehmer müssen sich aber keine Sorgen machen: „Obwohl das Fahrzeug eigenständig durch den Stadtverkehr manövrieren wird, sind immer noch zwei geschulte Sicherheitsfahrer an Bord, die zum Beispiel bei Fehlfunktionen eingreifen können“, sagt Klaus Dietmayer, Direktor des Instituts für Mess-, Regel- und Mikrotechnik und Experte für Fahrerassistenzsysteme.
Und so wird die hochautomatisierte Fortbewegung möglich: Kameras, Radar- und Lasersensoren erfassen die Umgebung des Autos. Auf Basis der Sensordaten analysieren in das Fahrzeug integrierte Rechner die Verkehrssituation. Dann planen die kleinen Computer sinnvolle Handlungen des Autos, zur Ausführung steuern sie Gas, Bremse sowie Lenkung an. Weitere, davon unabhängige Sensoren überprüfen kontinuierlich den Fahrzeugzustand und verhindern so kritische Situationen. Ob aus Spaß am Fahren oder sicherheitstechnischen Gründen: Der Autofahrer kann jederzeit selbst die Kontrolle übernehmen. Ein Knopfdruck beziehungsweise die Betätigung des Gas- oder Bremspedals reicht aus.
Ein erster Schritt von Fahrerassistenzsystemen zum automatisierten Fahren ist geschafft: „In bestimmten Situationen, beispielsweise bei kleinen Geschwindigkeiten im Stau, können Serienfahrzeuge schon heute selbstständig Gas geben und lenken“, weiß Dietmayer. In Zukunft gelte es, komplexe Fahrsituationen, wie sie beispielsweise in der Stadt auftreten, zu meistern. Schlüssel zum Erfolg sind neue grundlegende Methoden und Algorithmen. Daran arbeiten auch Klaus Dietmayers Doktoranden Jürgen Wiest, Dominik Nuß und Felix Kunz: Bei den Testfahrten auf Ulmer Straßen wollen die Ingenieure Versuche durchführen, die nur unter realen Bedingungen möglich sind.
Die deutliche Mehrzahl der Unfälle ist bekanntermaßen auf menschliches Versagen zurückzuführen: Hochautomatisierte und vollständig selbst steuernde Fahrzeuge, die Situationen selbst „ korrekt einschätzen“ und entsprechend reagieren können, werden eines Tages maßgeblich zur Sicherheit im Straßenverkehr beitragen – so die Expertenmeinung. „In ungefähr 20 bis 30 Jahren können wir uns von unserem Fahrzeug bedenkenlos zum Stadtbummel chauffieren lassen. Auf Autobahnen und Landstraßen wird automatisiertes Fahren schon früher zur Routine. Viele Automobilhersteller arbeiten daran“, sagt Klaus Dietmayer. Er freue sich, dass seine Forschergruppe nun diesen Herstellern bei der Erprobung hochautomatisierter Fahrzeuge gleichgestellt sei und das bereits aufgerüstete Auto auch abseits von Testgeländen und Verkehrsübungsplätzen auf den Prüfstand stellen dürfe. „Erprobungsfahrten bei realen Verkehrssituationen sind immer noch die höchste zu überwindende Hürde. Das kann man nicht simulieren“, so Dietmayer.
Die Forschungsgruppe um Professor Dietmayer am Institut für Mess-, Regel- und Mikrotechnik der Universität Ulm arbeitet seit über zehn Jahren auf dem Gebiet der Fahrerassistenzsysteme. Die Gruppe hat mehrere Versuchsträgerfahrzeuge und umfasst zurzeit über 15 Wissenschaftler. Klaus Dietmayer ist zudem Leiter des driveU, einem gemeinsamen Innovationszentrum der Daimler AG und der Uni Ulm. Auch hier geht es um Fahrerassistenzsysteme. Schwerpunkte sind die maschinelle Wahrnehmung und das Verstehen von Situationen.
Weitere Informationen: Prof. Dr. Klaus Dietmayer: 0731 50-26302, klaus.dietmayer(at)uni-ulm.de
Foto: Das Kernteam „Automatisiertes Fahren“ am Institut für Mess-, Regel und Mikrotechnik (v.l.): die Doktoranden Jürgen Wiest, Dominik Nuß und Felix Kunz sowie Prof. Klaus Dietmayer
Pressemeldung der Uni Ulm, Annika Bingmann