Daniela Künzel ist eine begabte Frau mit Kind, die sich eine wissenschaftliche Karriere anstrebt. Genau diese Kriterien machen die junge Chemikerin zur Wunschkandidatin der Christiane Nüsslein-Volhard Stiftung. Bis zur Abgabe ihrer Dissertation oder bis März nächsten Jahres wird die Stiftung Künzel, die zur Anordnung organischer Moleküle auf Oberflächen forscht, mit einem Stipendium unterstützen. Denn die aktuell größte Herausforderung, das gibt die 29-Jährige gerne zu, ist der sprichwörtliche Spagat zwischen Wissenschaft und Kinderzimmer. Hilfen im Haushalt und bei der Kinderbetreuung waren bisher nur schwer zu finanzieren. Dabei mangelt es der gebürtigen Bad Mergentheimerin sicher nicht an Organisationstalent: Neben ihrem mit Auszeichnung und dem Dr. Barbara Mez-Starck-Preis abgeschlossenen Chemiestudium an der Uni Ulm lernte sie Chinesisch und Russisch. Ihre Sprachkenntnisse hat Daniela Künzel bei einem Laborpraktikum in Shanghai zwischen Diplomarbeit und Dissertation vertieft. Eine gute Entscheidung, schließlich stammt der Vater ihres elf Monate alten Sohnes Jonas aus dem Reich der Mitte.
Während ihres Studiums hat sich Künzel vor allem für die theoretische Chemie begeistert. In den bisher viereinhalb Jahren als Doktorandin am Institut für Theoretische Chemie ist ihr der Austausch mit experimentell arbeitenden Naturwissenschaftlern immer wichtiger geworden: „Viele Bausteine der Doktorarbeit sind im Zuge des kürzlich ausgelaufenen DFG-Sonderforschungsbereichs 569 ,Hierarchische Strukturbildung und Funktion Organisch-Anorganischer Nanosysteme‘ entstanden“, erzählt die Forscherin. In diesem Kontext habe sie vor allem mathematische Überlegungen sowie quantenchemische Untersuchungen beigesteuert und im Gegenzug von den experimentellen Fähigkeiten ihrer Kollegen profitiert. Zeitweise hat Daniela Künzel das Graduiertenkolleg des Sonderforschungsbereichs als Sprecherin vertreten. „Im Zentrum meiner aktuellen Forschung stehen Graphit und Metalle. Ein Anwendungsgebiet könnte die Nanotechnologie sein, zum Beispiel im Bereich Oberflächenbeschichtung“, erklärt die junge Mutter.
Freude über das Stipendium auch bei Daniela Künzels Doktorvater, Professor Axel Groß, Leiter des Instituts für Theoretische Chemie und Dekan der Fakultät für Naturwissenschaften: „Ich schätze ihre hohe wissenschaftliche Kompetenz, ihren selbständigen Arbeitsstil und hohe Arbeitsbereitschaft.“ Aus Daniela Künzels Doktorarbeit seien bereits neun Publikationen entstanden, viele davon in enger Zusammenarbeit mit experimentellen Arbeitsgruppen. Diese Tatsache verdeutliche ihre Fähigkeit, einen konstruktiven wissenschaftlichen Dialog zu führen.
Dank der Finanzspritze kann sich Daniela Künzel auch künftig eine ausreichende Kinderbetreuung leisten und ihre Dreiviertel-Stelle am Institut weiterhin voll ausfüllen. Das heißt vor allem an ihrer Dissertation („Organische Oberflächen-Templat-Strukturen als Wirtssysteme zur Metallanbindung") arbeiten und Lehrveranstaltungen anbieten. „Überrascht und erfreut“ sei sie über die Zusage der Stiftung gewesen – vielleicht ein Meilenstein in ihrer wissenschaftlichen Karriere zwischen theoretischer und experimenteller Chemie. Zuvor ist Daniela Künzel von der Universität Ulm mit Mitteln aus dem Professorinnenprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bei der Finanzierung einer Tagesmutter unterstützt worden.
Die Christiane Nüsslein-Volhard-Stiftung fördert begabte Nachwuchswissenschaftlerinnen mit Familienpflichten, die in einem Fach der experimentellen Naturwissenschaften oder in der Medizin forschen. Mit 200 bis 400 Euro monatlich sollen sich die Frauen zusätzliche Hilfen im Haushalt oder in der Kinderbetreuung leisten können – vom abendlichen Babysitter bis zur neuen Waschmaschine. Die Förderung läuft zunächst über ein Jahr und soll den Stipendiatinnen weiterhin Forschung auf höchstem Niveau ermöglichen. Die Direktorin des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen und Nobelpreisträgerin von 1995, Professorin Christiane Nüsslein-Volhard, steht der Stiftung vor.
von Annika Bingmann