Elf Publikationen in drei Jahren, davon vier Mal als Erstautorin: Das ist die beeindruckende Bilanz von Simone Neuß, Doktorandin am Institut für Humangenetik und Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe Professor Günter Speit. Für ihre Arbeiten zum genotoxischen Wirkungsmechanismus von Formaldehyd ist sie von der Gesellschaft für Umwelt-Mutationsforschung (GUM) mit dem „Preis für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 2010“ ausgezeichnet worden. „Bereits die Nominierung hat mich sehr überrascht, da eigentlich nur promovierte Forscher berücksichtigt werden“, so die 28-Jährige.
Offenbar haben die Arbeiten der Diplom-Biologin die Jury vollends überzeugt: In den letzten drei Jahren ist Simone Neuß der kontrovers diskutierten Frage nachgegangen, ob die potenziell krebserregende Industriechemikalie Formaldehyd nach der Inhalation Leukämie auslösen kann. Dazu müsste die Chemikalie ins Knochenmark gelangen oder beispielsweise blutbildende Stammzellen in der Nase schädigen, die dann ins Knochenmark wandern. In Zellkultur- und Tierexperimenten konnte Neuß zeigen, dass Formaldehyd nur die Zellen schädigt, mit denen die Chemikalie direkt in Kontakt kommt und sich nicht im Körper verteilt. Folglich scheint selbst die Inhalation von hohen Formaldehydkonzentrationen keinen Einfluss auf die Erbsubstanz im Knochenmark zu haben.
In einem zweiten Schritt hat die Doktorandin Freiwillige, die unterschiedliche Formaldehydkonzentrationen eingeatmet hatten, auf DNA-Schäden im Blut und in der Nasenschleimhaut untersucht. Mit molekularbiologischen Methoden prüfte sie zudem, ob Veränderungen in der Aktivität menschlicher Gene vorliegen. „Insgesamt zeigen meine Untersuchungen, dass es bisher keine biologisch plausible Erklärung für die Entstehung von Leukämien nach Formaldehydinhalation gibt“, resümiert Neuß. Ihre Forschungsergebnisse hat sie auf der Jahrestagung der GUM in Potsdam präsentiert. Hier erhielt die junge Wissenschaftlerin auch den mit 2500 Euro dotierten Preis.
Im Dezember wird Simone Neuß ihre Dissertation verteidigen, anschließend plant sie, Erfahrungen in der Industrie zu sammeln. Die gebürtige Allgäuerin hat ihr Biologiestudium mit den Schwerpunkten Mikrobiologie, Humangenetik, Virologie und Ökologie an der Universität Ulm absolviert. Ihr Interesse für die Humangenetik wurde einst in einer Vorlesung von Günter Speit geweckt.