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Wissenschaft zum Anfassen beim „Tag der offenen Tür“
Ingenieure, Informatiker und Psychologen laden ein

Universität Ulm

Bierflaschen und Radler im Hörsaal? Vorträge über Bauchgefühl und Big Brother? Wie geht das denn? Ganz einfach, wie man am "Tag der offenen Tür" an der Uni West mit eigenen Augen sehen konnte. So hat die Fakultät für Ingenieurwissenschaften und Informatik Anfang November eindrucksvoll demonstriert, dass sich die Uni auch am Abend sehr wohl mit Leben füllen lässt. In den langen Gängen herrschte zum Teil dichtes Gedränge. Das Motto: Wissenschaft zum Anfassen, haben viele dabei sehr wörtlich genommen. Unter den zahlreichen Exponaten und Experimenten gab es Einiges zum Ausprobieren. So boten die Psychologen ganz neue Wege zur Selbsterfahrung, ob im Blickbewegungs- oder Lernlabor, bei der Hirnwellenmessung mit EEG oder der Aufnahme von Nahrungsbildern. Virtuelle Welten dagegen konnten bei den Informatikern beschritten werden, mal am Smartphone und mal in 3D am Computer. Mensch-Maschine-Interaktionen gab es nicht nur an den allgegenwärtigen Computerbildschirmen, auf die zahlreiche Augen gerichtet waren, um den Demonstrationen aus der Künstlichen Intelligenz oder dem Softwareprojektmanagement zu folgen. Mit Hilfe sensibelster Sensortechnologie und ausgeklügelter Datenanzüge war es dem ein oder anderen sogar vergönnt, einem virtuellen Avatar die eigenen Augen- oder Körperbewegungen zuzuschreiben. Auch der ein oder andere Schüler nutze dabei am Nachmittag die Chance, mal in eine andere Haut zu schlüpfen und bekam vorab schon eine echte Prise studentisches Lebensgefühl und am Stand der Studienberatung diverse Flyer zum Studienangebot.

Etwas handfester wurde es dann bei den Ingenieuren. Exponate zur Regelungstechnik, zu Fahrerassistenzsystemen, Demonstrationen zur optischen Messtechnik sowie zur Radiometrie und Radartechnik, aber auch Laborführungen durch Reinräume verschafften auch dem eher unkundigen Besucher einen Zugang in das technische Universum der Ingenieurwissenschaften. Von den zahlreich anwesenden Familienangehörigen waren sicher nicht wenige Mütter und Väter, die zum ersten Mal eine konkrete Vorstellung davon bekamen, was ihr Nachwuchs an der Uni eigentlich so macht. Und auch Kinder konnte man dabei beobachten, wie sie Exponate bestaunten und sich von Papi erklären ließen. Am Stand der Fachschaft Elektrotechnik wurde ein mit Fischer-Technik erbauter 3D-Drucker vorgeführt, der aus geschmolzenen Einkaufschips unter hellem Scheinwerferlicht neue bizarre Objekte druckte, die sich nicht aus Einzelteilen zusammensetzen ließen.

Uni-Vorträge in Science-Slam Atmosphäre

In den Hörsälen war es dann etwas schummriger und auch ruhiger. Geradezu gemütlich könnte man sagen. Zum späten Abend hin sah man dort auch die ein oder andere Bier- oder Radlerflasche stehen. Science-Slam Atmosphäre, wenngleich der ein oder andere Vortrag dann doch etwas akademisch geriet. Allerdings kam auch das Bauchgefühl nicht zu kurz. Die Gesundheitspsychologin Professorin Olga Pollatos wies auf die Rolle der Intuition für die Entscheidungsfindung hin. So sollte man sich ruhig auf sein Bauchgefühl verlassen, denn es könne Risiken minimieren und nutze einen großen Schatz an Erfahrungen, die sich zu allererst körperlich niederschlügen und später als "Intuition" wieder auftauchten.

Professor Frank Kargl vom Institut für verteilte Systeme nahm sich in seinem Vortrag über Privacy und Datenschutz nicht nur die "Big-Brother-artigen, ungesetzlichen und grundrechtswidrigen" Aktivitäten der NSA vor, sondern ging auch mit allzu naiven Nutzern von Social-Media-Diensten wie Facebook & Co kritisch ins Gericht. "Natürlich ist Privatsphäre ein Grundrecht und ein öffentliches Gut" und fordert auf, auch persönlich dafür einzustehen. So könne man sich auch mal mit den Datenschutzeinstellungen dieser Dienste vertraut machen. Auch Kundenregister wie "Payback" seien ein Problem. "Viele Konsumenten wissen gar nicht, welche Informationen sie über ihr Kaufverhalten preisgeben". Nach dem Prinzip tausche "Privatsphäre gegen Bratpfanne", würden die Konsumenten selbst zur Ware: "Facebook-Nutzer und Payback-Zahler sollten wissen, dass sie nicht die Nutzer kostenloser Dienste sind, sondern das Produkt, das teuer verkauft wird", warnt Kargl.

Der Materialwissenschaftler Professor Carl Krill outete sich dagegen in seinem Vortrag als großer Hollywood-Fan. So wie der Kampf zwischen King-Kong und Godzilla stellte er sich den Kampf bei der Blasenbildung in Schäumen vor. Ein Kämpfen und Sterben sei das wie im Kriegsfilm. Sein größter Traum: einen Oscar für einen materialwissenschaftlichen Spielfilm in 3D, der es schafft, dynamische Prozesse des Kornwachstums und der Blasenbildung nicht nur von außen abzubilden, sondern auch live in diese hineinzublicken. Vom Röntgenbild über die Computertomografie zum tomografischen "Actionfilm" illustrierte er die 3D-Röntgenmikrotomografie so anschaulich, dass sich viele im Publikum wohl gefragt haben, wieso sie das früher nie kapiert haben. Er hoffe natürlich auf einen Oscar für seine spektakulären, allerdings auch extrem speicheraufwändigen Kurzfilme. Die Stars dabei - heiße Aluminiumzylinder - seien zwar nicht ganz so schön wie Julia Roberts aber auch nicht so zickig. An diesen mit Fenstern versehen Proben könne er jetzt endlich selbst seine eigenen Materialfilme drehen und dabei festhalten, wie Kornwachstumsprozesse in heißem Aluminium wirklich ablaufen. Achtung Suspense!

Fotos: Rosa Grass

Verantwortlich: Andrea Weber-Tuckermann