Wie viel Mathematik steckt hinter Handy, Navi, DVD und Internet zum Beispiel? Und welche? Erklärungen liefert ein Lehrbuch von Professor Martin Bossert und dessen Sohn Sebastian, das dieser Tage im VDE-Verlag erschienen ist („Mathematik der digitalen Medien“,ISBN 978-3-8007-3137-4), „präzise, verständlich, einleuchtend“, wie die Autoren auf dem Titel des 268-seitigen Werks versprechen. Zutreffend, wie erste Interessenten urteilen. Der Arbeitgeberverband Südwestmetall, bereits seit Jahren Sponsor beim „Tag der Mathematik“, fördert das Projekt und finanziert Gymnasien der Region das Lehrbuch. „Wir unterstützen ein Mehr an Mathematik, schließlich sind es die guten Mathematiker und Ingenieure, die die Innovationskraft in unserer Metall- und Elektroindustrie voranbringen und damit Betriebe und Arbeitsplätze hier in der Region sichern“, sagt Geschäftsführer Götz Anselm Maier.
Es ist nicht das erste Lehrbuch, das Professor Bossert, Direktor des Instituts für Telekommunikationstechnik und Angewandte Informationstheorie, jetzt auf den Markt gebracht hat. Aber das ungewöhnlichste ist es allemal. Nicht nur der innerfamiliären Koautorenschaft wegen. Denn das Buch ist Teil einer Mission. Als Hochschullehrer wie als Vater von drei Kindern, nicht zuletzt auch als Vorsitzender eines Vereins zur Förderung mathematisch begabter Jugendlicher, beobachtet er seit mehr als zehn Jahren sinkende Kenntnisse im Mathematik-Unterricht in vielen Bundesländern. Handfeste Belege dafür liefert ihm alljährlich eine Art Mathe-Olympiade, die der Verein seit langem unter anderem an der Ulmer Uni ausrichtet. Dass dabei seit fünf Jahren fast ausnahmslos Teilnehmer aus dem benachbarten Bayern gewonnen haben, ist für den Wissenschaftler kein Zufall. „Das korreliert mit der Abschaffung des Leistungskurses in Baden-Württemberg“, ist Bossert überzeugt, spricht von einer Benachteiligung eher mathematisch als sprachlich begabter Kinder.
Damit einher gehend plagt den renommierten Forscher, der international als einer der Mobilfunkpioniere der ersten Stunde gilt, die Sorge um den Ingenieurnachwuchs im Lande, „Mathematik ist für alle natur- und ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge elementare Voraussetzung und eine Grundlage unseres gesellschaftlichen Wohlstandes“, sagt Martin Bossert, unter anderem vor drei Jahren mit dem Vodafone-Innovationspreis ausgezeichnet. Nur zu gut weiß er auch aus eigener Erfahrung: „Mangelnde Mathematikkenntnisse sind der Hauptgrund für ein Scheitern im Studium.“ Mitnichten nur in der Elektrotechnik, aber ganz besonders. Und jetzt noch das G8, zwangsläufig mit noch weniger Mathematikunterricht.
Folglich kämpft der engagierte Professor seit langem gegen diesen Trend, mit Vorträgen, in Diskussionsrunden und Gesprächen mit Lehrern vor allem. Mit vielen Erfahrungen für Martin Bossert, die in sein jüngstes Buch eingeflossen sind, zunächst in die Idee, später in die Konzeption. Ob sich damit die Entwicklung stoppen oder gar umkehren lassen wird?
Seinen Beitrag dazu jedenfalls will der Ulmer Wissenschaftler leisten, will dem Vorwort zufolge spannende mathematische Lösungen aus seinen Fachgebieten „einem größeren Kreis an technisch und mathematisch interessierten Personen zugänglich machen“. Primär Lehrern und Schülern natürlich. Letzteren vor allem will er die Faszination der Mathematik vermitteln, will sie motivieren, sich einfach mal mit ihr zu beschäftigen. Wie, so seine Überlegung, soll das gelingen, wenn nicht mittels der Dinge, denen sie sich im Alltag am liebsten widmen, freiwillig und stundenlang: Handy, Internet, MP3- oder CD-Player zum Beispiel?
In sieben weitgehend autonomen Kapiteln beschreiben die Autoren deshalb ausgewählte mathematische Verfahren, die in den alltäglich genutzten Geräten stecken, jeweils von der Problemstellung über die Grundlagen bis zu Übungsaufgaben.
Bestärkt auch durch die Erkenntnis des römischen Philosophen Lucius Annaeus Seneca (4-65 nach Christus), dem in seinem sechsten Brief an Lucilius der Satz zugeschrieben wird: „Ist es ein langer Weg, der durch Belehrung, ein kurzer und erfolgreicher, der durch das Beispiel wirkt.“
Wobei die Rolle des Sohnes, wie Vater Bossert betont, keinesfalls dem Vaterstolz geschuldet ist. Den er gleichwohl, verständlich, nicht verhehlen mag. Sebastian nämlich, der Diplom- und Lehramt-Mathematik studiert, repräsentierte beim Entstehen des Buches die Generation Anwender. „Mit vielen entscheidenden Beiträgen“, so Martin Bossert, unter anderem Hinweisen „auf fehlende erklärende Zwischenschritte in den Gedankengängen, die man als Fachmann leicht übersehen kann“.
Aus Sicht der Autoren nicht unwichtig: „Das Buch kann auf unterschiedliche Weise gelesen werden, je nachdem in welche mathematische Tiefe man eindringen möchte“, erläutern sie in der Einleitung, gefolgt von Tipps zur Bearbeitung und weiteren vermutlich berechtigten Ratschlägen („nicht zu schnell aufgeben“). Wer das beherzigt und sich durchkämpft bis zum „glücklichen Moment, etwas, was sich zunächst verschlossen hat, zu verstehen“, sollte indes nicht vorschnell vom Master oder gar Doktorhut träumen. „Es sei angemerkt, dass im Studium der Elektrotechnik an einer Universität eine noch erheblich tiefere Durchdringung der Theorie notwendig ist“, warnt Professor Bossert. Unbestritten aber: Auf einem guten Weg ist ein erfolgreicher Anwender allemal.