Unser Körper ist äußerlich symmetrisch; wir besitzen zum Beispiel zwei Arme, Beine und Augen und in der Mitte des Gesichts die Nase. Im Körperinnern sieht es jedoch anders aus; dort herrscht Asymmetrie. Das Herz zeigt beispielsweise nach links, die Leber liegt rechts, die Lungenflügel sind verschieden groß und der Darm ist gewunden. Das gilt für die Mehrzahl der Menschen. Doch bei einigen von ihnen wurde diese Asymmetrie nie richtig etabliert (Situs-Anomalie) und die normale Anordnung der inneren Organe ist verändert.
Bei der Heterotaxie, einer besonderen Form der Situs-Anomalie, suchen sich die inneren Organe scheinbar unabhängig voneinander einen Platz im Bauchraum, so dass in Folge der neu entstandenen "Ordnung" eine Art "Symmetrie" entsteht, was auch zur Ausbildung falscher Verbindungen zwischen den Organen führen kann. Am deutlichsten wird das beim Herz. Es ist das erste Organ, das sich im Embryo entwickelt und seine Funktion erfüllen muss; damit aber auch das Organ, bei dem die meisten Entwicklungsdefekte auftreten. Patienten mit Heterotaxie leiden daher meist unter angeborenen Herzfehlern, die sehr kompliziert sein können. Wie und warum solche schweren Defekte entstehen, war bislang unklar.
Dr. Martin Burkhalter vom Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena und Dr. Melanie Philipp von der Universität Ulm gelang es nun in Zusammenarbeit mit Forschern der renommierten Duke University in den USA einen bis dato unbekannten Mechanismus zu identifizieren, der bei der Embryonalentwicklung die Asymmetrie-Ausbildung des Herzen maßgeblich beeinflusst. Diese Forschungsergebnisse wurden jetzt in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Cell Reports veröffentlicht.
Das "Lateralitätsorgan" - ein Vesikel mit Zilien - bestimmt die Lage der Organe
"Lange bevor sich überhaupt das erste Organ in unserem Körper entwickelt, wird die Asymmetrie festgelegt", berichtet Dr. Burkhalter, Postdoc in der Arbeitsgruppe Rudolph. Dafür ist ein kleines Vesikel (Zellbläschen) zuständig. "Dieses vermutlich 3 Wochen nach der Befruchtung gebildete Vesikel existiert nur relativ kurz, hat aber eine ganz wichtige Funktion", so Burkhalter weiter. "Es bestimmt über die Zilien, das sind kleine Flimmerhaare auf der Oberfläche des Vesikels, welche Seite des Körpers links und welche rechts ist und legt so fest, wo später das Herz liegt und wie es über Blutgefäße mit der Lunge und dem Rest des Körpers verbunden ist".
Wird GRK5 deaktiviert, verändert sich die Größe der Zilien
Die Wissenschaftler konnten nun am Modellorganismus Zebrafisch nachweisen, dass GRK5 (G-Protein-gekoppelte Rezeptor-Kinase 5) entscheidenden Einfluss auf die Ausbildung der Asymmetrie des Herzen während der embryonalen Entwicklung hat. "Bereits früher war der Einfluss von GRK5 auf die Funktion des adulten, ausgewachsenen Herzen diskutiert und nachgewiesen worden", so Dr. Melanie Philipp von der Uni Ulm, "doch bislang wurde ihr Einfluss bei der Embryonalentwicklung noch nicht detailliert untersucht."
"Uns gelang es, einen neuartigen Mechanismus zu identifizieren, wie GRK5 die Ausbildung der Asymmetrie reguliert", erläutert Dr. Burkhalter vom FLI. GRK5 wirkt dabei direkt in dem temporär auftretenden Asymmetrie-Vesikel und hält dort den mTOR-Signalweg, ein zentraler Regulator des Zellwachstums, in einer Art Gleichgewicht (Homöostase). Wird dieses Gleichgewicht zum Beispiel durch verhinderte Expression von GRK5 gestört, nimmt die mTOR-Signalaktivität zu. Mit fatalen Folgen: Die Zilien auf dem Vesikel verändern sich und werden länger. "Eine geänderte Gestalt der Zilien verändert in der Regel auch den Fluss, der durch die Flimmerbewegungen der Zilien entsteht, was wiederum zu falschen Signalen für die Ausbildung einer Asymmetrie und damit für die normale Entwicklung des Herzens führt." Die gefundenen Ergebnisse dieser Grundlagenforschung besitzen auch medizinisches Potential: GRK5 könnte als Suszeptibilitätsallel für bestimmte Fälle von angeborenen Herzkrankheiten fungieren.
Text: Dr. Kerstin Wagner, Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI)