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Wachstum mit Mehrwert: Podiumsdiskussion mit Mitgliedern der Enquete-Kommission zur Vermessung des Wohlstandes

Universität Ulm

„Das Bruttoinlandsprodukt ist ein weithin gebräuchlicher aber nicht unproblematischer Indikator zur Vermessung des Wohlstandes“, könnte das Fazit der gut besuchten Podiumsdiskussion vom Montag, den 8. Juli, an der Universität Ulm lauten, bei der Politiker, Wissenschaftler und Wirtschaftsvertreter über eine Neufassung der Wohlstandsmessung diskutierten. Die Kritik: Wichtige Dimensionen wie soziale Teilhabe und Umweltaspekte würden nicht berücksichtigt. Das Podium der Veranstaltung teilten sich Dr. Georg Nüßlein (MdB), Wirtschafts-, Energie- und Verkehrspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Professor Marc Oliver Bettzüge, Geschäftsführender Direktor des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln, sowie Professor Martin Müller, Inhaber des Stiftungslehrstuhls für „Nachhaltigkeit“ an der Universität Ulm und Dr. Hans-Dieter Bühler vom Ulmer Gesundheitselektronikhersteller Beurer GmbH. Moderiert wurde die Veranstaltung eloquent und kompetent von SWR-Moderatorin Maren Haring.

Nüßlein ist Mitglied der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität“ des Deutschen Bundestages und Bettzüge Sachverständiger dieser Kommission. Die Enquete-Kommission ist eine fraktionsübergreifende Arbeitsgruppe, bei der es darum geht, langfristige Fragestellungen zu lösen, wobei neben sozialen und ökonomischen Aspekten auch ethische Gesichtspunkte zum Tragen kommen. An der Uni Ulm stellten Bettzüge und Nüßlein Hintergründe ihrer Arbeit in der Kommission kurz dar.

Im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion stand in Anlehnung an den Abschlussbericht der Enquete-Kommission die Frage, inwiefern althergebrachte Wohlstandsdefinitionen und Indikatoren für die sozialökonomische Entwicklung von Gesellschaften geeignet sind, gesellschaftlichen „Wohlstand“ angemessen abzubilden. Müssen wir nicht darauf achten, dass auch sozialen und ökologischen Aspekten stärker Rechnung getragen werden? Bei der Diskussion zeigte sich schnell, dass es keinen Königsweg gibt, auf den sich alle schnell einigen konnten, gleichwohl solche Positionen stark perspektivenabhängig sind. Die Befürworter des klassischen Bruttoinlandproduktes stellten die hohe Praktikabilität heraus, die Kritiker dagegen betonten, dass ökonomische Aspekte allein nicht ausreichten, um das Wohlbefinden von Menschen zu beschreiben, denn darum gehe es ja letzten Endes. Daher müssten auch die Möglichkeiten der sozialen Teilhabe und das Ausmaß der Umweltverschmutzung sowie des Ressourcenverbrauchs mit einbezogen werden. Fragwürdig war auch, inwiefern Wohlstandsentwicklung von einem kontinuierlichen Wachstum abhängt. Während eine Seite sehr wohl auf Wachstum setzte, das allerdings von Investitionen in Zukunftstechnologien geprägt sein müsse, war die andere Seite doch skeptischer, und wollte dazu anregen, auch einmal über Verzicht und Konsumzurückhaltung nachzudenken. 

Enquete-Kommission: Keine "Quasselbude"
Die Moderatorin, Maren Haring, hakte gegen Ende kritisch nach, ob man ein Gremium wie die Enquete-Kommission eher als „Labor“ oder als „Quasselbude“ betrachten müsse. Nüßlein und Bettzüge sehen die Aufgabe der Kommission eher in ihrem Laborcharakter, konnten dabei allerdings auch nicht ausschließen, dass gelegentlich auch Letzteres in die öffentliche Wahrnehmung hineinspielt: „Aber letzten Endes geht es ja auch um Meinungsbildung. Es ist ja nicht schlecht, wenn es dadurch gelingt, wichtige Themen in den öffentlichen Raum zu tragen. Außerdem finden viele Ergebnisse später tatsächlich Anwendung“, findet der Bundestagsabgeordnete Nüßlein. Bei der Begrüßung hatte nicht zuletzt der Vizepräsident für Lehre und Internationales, Professor Ulrich Stadtmüller bereits betont, welche Rolle hierbei die Universität Ulm spielen kann. „Forschungsschwerpunkte wie Nachhaltigkeit, Energiewandlung- und –speicherung sowie Elektromobilität tragen dazu bei, Fragen der verantwortungsvollen Wachstums- und Wohlstandsentwicklung zeitgemäß zu beantworten“, so der Mathematiker. Sein finaler Appell: „ Wir sollten nicht darauf warten, dass internationale Institutionen unsere Zukunftsprobleme lösen. Jeder muss bei sich selbst anfangen!“.