Eine rundum positive Bilanz zogen dieser Tage der Ulmer Oberbürgermeister Ivo Gönner und Professor Martin Müller bei einem Pressegespräch für das erste Jahr des Stiftungslehrstuhls Nachhaltiges Wissen, nachhaltige Bildung, nachhaltiges Wirtschaften. „Seine Einrichtung hat sich gelohnt“, sagte Gönner, „insgesamt ziehe ich ein positives Fazit“, formuliert es der Inhaber des Lehrstuhls, der von der Stadt zum 40jährigen Bestehen der Universität initiiert worden war und an der Fakultät für Mathematik und Wirtschaftswissenschaften angesiedelt ist. Finanziert wird er für fünf Jahre von der Stadt und von Unternehmen der Region.
Müller zufolge verzeichnen die Vorlesungen und Übungen zum Thema Nachhaltigkeit wachsendes Interesse seitens der Studierenden, nicht nur der wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge übrigens, sondern auch der Biologie und Informatik. Über die Lehrveranstaltungen hinaus profitierten Studenten auch von Praktika, Betriebsbesichtigungen und Diplomarbeiten. „Zugleich binden wir damit die beteiligten Unternehmen aktiv ein“, erklärte der Lehrstuhlinhaber. In Verbindung mit einer Reihe von öffentlichen Vorträgen sei damit eine „enge Verzahnung von Uni, Stadt und regionalen Unternehmen entstanden“. Gleiches gelte zumindest zum Teil auch für die Forschungsprojekte des Instituts, zum einen die Begleitforschung zum car2go-Projekt der Daimler AG, zum anderen die Studie mit der Dietenheimer Spinnerei Otto zum Thema Recycling von Baumwollabfällen im Produktionsprozess.
Von Ulm aus fortgeführt habe er ferner ein schon vor längerer Zeit begonnenes Projekt in Zusammenarbeit mit dem VW-Konzern über die Nachhaltigkeit in Lieferantenbeziehungen. „Das erweitert die Drittmittelbasis des Stiftungslehrstuhls“, so Professor Müller, der diese gleichwohl noch weiter ausbauen will. Mit zwei Projektanträgen beim Bundesforschungsministerium zum Thema Klimaschutz etwa, über die allerdings noch nicht entschieden sei.
Ausbauen will der Wissenschaftler auch die bislang als Querschnittsstudie angelegte Begleituntersuchung des Ulmer Carsharing-Projekts car2go. „Interessante Ergebnisse für die Region“ konnte er bereits vermelden, zum Mobilitätsverhalten der Ulmer Bürger vor allem und zu den mit so genannten vollflexiblen Carsharing-Systemen möglichen Kohlendioxid-Einsparungen. Diese seien nämlich auf jeden Fall zu erwarten. „Basierend auf einer empirischen Datenerhebung zu car2go-spezifischen Nutzungsmustern haben wir drei denkbare Szenarien berechnet“, berichtete Martin Müller. Im schlechtesten Fall lägen die eingesparten Emissionen bei 2100 Tonnen, im günstigsten bei 4032 Tonnen.
Bemerkenswert indes noch ein weiterer Aspekt der „aus Eigenmitteln finanzierten und völlig unabhängigen Untersuchung“ (Müller): Über das klar identifizierbare Milieu von Nutzern klassischer Carsharing-Systeme (überdurchschnittlich gebildet, höheres Einkommen, Öko-affin) hinaus gelinge es mit car2go auch andere Bevölkerungsschichten anzusprechen. „Damit kommt man aus der Nische raus“, ist der Wissenschaftler überzeugt, ebenso von der Qualität der Studie: „Das wird eine hochkarätige Publikation.“
Mit Interesse verfolgt fraglos auch von der Kommunalpolitik. Oberbürgermeister Gönner wertet das veränderte Mobilitätsverhalten als „Schritt zu mehr Freiheit und verbesserter Lebensqualität“. Nicht die pauschale Grundsatzentscheidung zwischen Individual- und öffentlichem Nahverkehr sei künftig nötig. Vielmehr ermögliche die Kombination verschiedener Verkehrsmittel maximale urbane Mobilität. Von Bus oder Straßenbahn in den Smart etwa oder umgekehrt.
„Beim Thema Nachhaltigkeit ist es wichtig, die Leute mitzunehmen und zu überzeugen“, hatte Professor Müller eingangs festgestellt, „einfach von oben Regeln ist nicht möglich“. Ganz im Sinne des Stiftungsinitiators vermutlich. Ivo Gönner jedenfalls gab sich zufrieden, mit der Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Unternehmen und dem Lehrstuhl ebenso wie mit dessen Arbeit. Und mit dem Lehrstuhlinhaber ganz besonders: „Herr Professor Müller ist ein mitreißender und profunder Experte.“