10 Jahre Ulmer Denkanstöße! Für die Veranstalter ist dies Grund genug, in diesem Jahr wieder ein ganz besonderes Programm auf die Beine zu stellen. So laden die Universität und die Stadt Ulm gemeinsam mit der Stiftung Bildung und Soziales der Sparda-Bank BW vom 15. bis zum 18. März wieder ins Ulmer Stadthaus. Das Jubiläumsthema betrifft im wahrsten Sinne des Wortes ein ganz entscheidendes Thema der modernen Lebenswelt: "Entscheiden in einer komplexen Welt!"
"Noch nie hatte der Mensch so viele Möglichkeiten wie heute. Doch sich zu entscheiden, ist harte Arbeit. Es ist mit Verlust und Angst verbunden, denn mit jeder Entscheidung beraubt man sich einer Möglichkeit und das mit ungewissem Ausgang", sagt Professorin Renate Breuninger, Geschäftsführerin des Humboldt-Studienzentrums (HSZ) der Uni. So geht es bei der 10. Auflage dieser Veranstaltungsreihe um Entscheidungen, wie sie jeder Mensch für sich ganz privat treffen muss - ob in Liebesdingen oder der Berufswahl. Aber auch der professionelle Umgang mit Entscheidungsprozessen, beispielsweise im Kontext einer juristischen oder medizinischen Entscheidungsfindung, ist Gegenstand der thematischen Auseinandersetzung; nicht zu vergessen die psychologischen Grundlagen des Entscheidens und Urteilens.
"Mit dem Verlust von Traditionen und dem Wegfall von Konventionen wird der Spielraum für die Menschen immer größer. Doch die große Freiheit hat auch Schattenseiten. Bei der beruflichen Lebensplanung müssen die jungen Leute heute auswählen aus einem schier endlosen Angebot an Ausbildungsmöglichkeiten", so die Ulmer Kulturbürgermeisterin Iris Mann. So haben die Veranstalter in diesem Jahr besonders auch das jüngere Publikum im Blick. "Zum zehnten Geburtstag sollen die Ulmer Denkanstöße größer und jünger werden. Es würde uns sehr freuen, wenn es uns gelingt, auch die Jungen an diese Themen heranzuführen", erklärt Andreas Küchle, Bereichsleiter für Marketing bei der Sparda Bank Baden-Württemberg. Die Stiftung Bildung und Soziales der Genossenschaftsbank ist finanzieller Förderer und fester Partner bei dieser äußerst erfolgreichen Veranstaltungsreihe, die weit hinaus in die Region ausstrahlt.
Intellektueller Widerstand in schwierigen politischen Zeiten
Den Auftakt zur Hauptveranstaltung macht Dr. Martin Roth am Donnerstag, den 16. März, mit einer ganz persönlichen Entscheidung, die einerseits sehr privat andererseits zugleich hochpolitisch ist. Der international renommierte und zugleich schwäbisch geprägte Kulturmanager war von 2011 bis 2016 Direktor des Viktoria and Albert Museum (V&A) in London, dem er nicht nur Rekordzahlen an Besuchern sondern zudem höchste internationale Auszeichnungen verschaffte. Aus Protest gegen den Brexit gab Roth diese Spitzenposition jedoch auf und legte die Leitung dieses weltweit renommierten Kulturhauses nieder - und zwar ohne dass ihm ein angemessenes Alternativangebot vorlag. "Wer sich nicht in Gefahr begibt, kommt darin um - Intellektueller Widerstand in schwierigen politischen Zeiten" lautet der gleichermaßen griffige wie programmatische Titel des Festvortrages.
Die schier endlose Zahl an Optionen macht das Entscheiden unmöglich
Das Freitagspodium (14 Uhr) widmet sich den psychologischen Grundlagen und dem Zusammenspiel von intuitiven und bewussten Prozessen bei der Entscheidungsfindung. Zu Gast auf dem Podium ist neben dem Psychologieprofessor Andreas Glöckner (Fernuniversität Hagen) und der Memminger Rechts- und Schlichtungsanwältin Anja Mack der vielfach ausgezeichnete Philosoph und Schriftsteller Sven Hillenkamp. Mit seinem Bestseller "Die Nulloptionengesellschaft" beschreibt Hillenkamp eines der großen Dilemmata unserer Zeit: Mit der schier endlosen Zahl an Optionen reduziere sich der Entscheidungsspielraum für den Einzelnen faktisch auf null. Für die Liebe in den Zeiten des Webs habe dieses Paradoxon besonders dramatische Auswirkungen: Die virtuelle Suche nach der Liebe des Lebens ende oft in Einsamkeit, weil mit jeder neuen Option auch die Hoffnung genährt wird, es könnte ja noch was Besseres kommen. Zum Autorengespräch im Anschluss (17 Uhr) lädt Ernst-Wilhelm Händler. Der mehrfach ausgezeichnete Schriftsteller und Unternehmer ist Kulturpreisträger der Stadt Regensburg. Er wird in seinem Vortrag ausführen, wie frei wir heute wirklich sind in unseren Lebensentscheidungen.
Am Samstag (14 Uhr), wird sich das Podium unter juristischen, medizinisch-ökonomischen und sportlichen Vorzeichen mit ganz professionellen Aspekten der Entscheidungs- und Urteilsfindung befassen. Während sich der Präsident des Landgerichts Ulm Rüdiger von Au mit dem Wesen des Rechts und der richterlichen Entscheidungsfindung auseinandersetzt, widmet sich die Ulmer Professorin Doris Henne-Bruns den medizinisch-ökonomischen Abwägungen, mit denen sie bei ihrer Arbeit als Klinik-Chirurgin befasst ist. Der Konzertpianist und Fußballschiedsrichter Herbert Fandel, Zeit seines Lebens hin und hergerissen zwischen seiner künstlerischen und sportlichen Berufung, verspricht Auskunft darüber, wie man sicher unter Druck entscheidet.
Vom Gerichtssaal ins Fernsehen: Richter Alexander Hold
Den Abschlussvortrag am Samstag (17 Uhr) bestreitet SAT1-Fernseh-Richter Alexander Hold. Der studierte Jurist hat viele Jahre als Staatsanwalt und Richter gearbeitet. Dem breiteren Publikum dürfte Hold nicht erst seit seiner Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten für die Freien Wähler bekannt sein. Mit seinen quotenstarken Gerichtsshows und TV-Sendungen zu spektakulären, vertrackten oder auch ganz alltäglichen Gerichtsfällen hat er sich nicht nur eine gewisse Prominenz erarbeitet sondern zudem beachtliche Resonanz in der Fachwelt. Sprechen wird Hold über "Das Entscheidende an richterlichen Entscheidungen".
Beim Theaterstück "Terror" ist auch das Publikum gefordert
Kulturelles Highlight der Veranstaltung ist das Theaterstück "Terror" von Ferdinand von Schirach, aufgeführt vom Mainfranken Theater Würzburg am Freitagabend (20 Uhr). Ein Bundeswehrpilot steht vor Gericht, weil er eine von Terroristen entführte Passagiermaschine abgeschossen hat, um Tausende Menschen in einem ausverkauften Stadion zu retten. Die juristisch-moralische Kernfrage: Darf Leben gegen Leben abgewogen werden? Wie nach der erfolgreichen ARD-Verfilmung im Oktober letzten Jahres ist das Publikum gefordert, in dieser vertrackten Frage zu urteilen.
Talkrunde mit Wieland Backes
Ein weiterer Höhepunkt ist sicherlich die Talkrunde mit Wieland Backes am Samstag (20 Uhr). Der Begründer und langjährige Moderator des Nachtcafés hat sechs prominente Gäste geladen, um mit ihnen gemeinsam über persönliche Lebensentscheidungen zu reden. Zu Gast: die Afrika-Reisende und Autorin Corinne Hofmann ("Die weiße Massai"), die US-Schriftstellerin Deborah Feldman, die in ihrem Buch "Unorthodox" ihren Ausstieg aus einer ultra-orthodoxen jüdischen Familie literarisch verarbeitet sowie der Intendant und Dramaturg der Württembergischen Landesbühne in Esslingen, Friedrich Schirmer. Persönliche Erfahrungen mit weitreichenden Lebensentscheidungen haben auch Martina Meisenberg und Elke Gründler gemacht. Die ehemalige Landesschaumoderatorin Meisenberg nahm nach einem sehr persönlichen Schicksalsschlag Abschied von ihrer Fernsehkarriere und veränderte ihr Leben radikal. Jetzt arbeitet sie als Coach und freie Moderatorin. Gründler dagegen gab ihren Job als Gesundheitsberaterin auf, um mit 60 Jahren eine süße Leidenschaft zum Beruf zu machen: mit einem exquisiten Schokoladengeschäft in Mannheim. Der Psychologe, Publizist und Gestalttherapeut Dr. Mathias Jung ergänzt die Runde mit wissenschaftlichen Anmerkungen zur Psychologie des Entscheidens.
Kinoauftakt mit "Captain Fantastic"
Den kulturellen Auftakt macht in diesem Jahr der Kinofilm "Captain Fantastic - Einmal Wildnis und zurück" am Mittwochabend um 18 Uhr im Xinedome, der von einer Aussteiger-Familie handelt, die aus der Wildnis zurück in die Zivilisation kommt. Diese Reise wird für die Kinder zu einer wilden und aufregenden Abenteuerfahrt und für den Vater zu einer erzieherisch-moralischen Herausforderung.
Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei. Die Einnahmen aus freiwilligen Spenden kommen in diesem Jahr der Krebsberatungsstelle Ulm zugute.
Ulmer Denkanstöße im Netz: http://www.ulmer-denkanstoesse.de
Text und Medienkontakt: Andrea Weber-Tuckermann