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Volkswirtschaftslehre mit Blick über den Tellerrand
Professor Georg Gebhardt

Universität Ulm

Seit einigen Monaten leitet Professor Georg Gebhardt das Institut für Wirtschaftswissenschaften der Universität Ulm, als Nachfolger also von Professor Frank Stehling, der das Institut Jahrzehnte lang geprägt und die erfolgreiche Entwicklung der Fakultät maßgeblich verantwortet hat. Eine wichtige Gemeinsamkeit mit seinem Vorgänger verrät bereits Georg Gebhardts Lebenslauf: Beide haben stets über den Tellerrand geschaut.

„Bereits in meiner Schulzeit habe ich mich für wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Themen interessiert. Auch mit Blick auf den Arbeitsmarkt entschied ich mich dann für ein Studium der Volkswirtschaftslehre mit Politikwissenschaft im Nebenfach“, erinnert sich Gebhardt. Während seiner Ausbildung an der Ludwig-Maximilians-Universität München erhielt er ein Stipendium für ein Jahr an der renommierten Georgetown University in Washington D.C. und konnte, abgesehen von den größeren Ressourcen amerikanischer Universitäten, keinen nennenswerten Unterschied zur Lehre in Deutschland ausmachen. Nach dem Diplom folgte eine kumulative Promotion am Münchner Seminar für Wirtschaftstheorie über Vertragsgestaltung im Bereich Wagniskapital. Ein weiteres Thema waren Blasen am Aktienmarkt: „Investoren gleichen ihren Konsum oft mit einer Bezugsgruppe ab. Dabei sind sie vorübergehend bereit, unangemessene Preise zu akzeptieren, wenn andere Investoren ebenfalls zahlungsbereit sind.“ Dieses Modell hat Gebhardt mit weiteren Ansätzen kombiniert, um nachzuvollziehen, wie sich unangemessene Wertpapierpreise auch makroökonomisch auswirken können.

Ein zwischenzeitlicher Ausflug in die Welt der Unternehmensberatung war kurz und lehrreich: „Bald haben McKinsey und ich gemerkt, dass ich nicht der geborene Consultant bin“, schmunzelt der Volkswirt.
Die Devise hieß also zurück an die Uni: An seiner Münchner Alma Mater änderte er den Blickwinkel und wandte sich der Industrieökonomie zu. Für seine Habilitation untersuchte Gebhardt das Verhalten von Unternehmen in Märkten und beschäftigte sich vor allem mit dem Internethandel. Ein weiterer Bestandteil der kumulativen Habilitation, für die er auch an der University of Chicago forschte, waren interne Organisationsstrukturen und Entscheidungsfindungsprozesse.

Inzwischen hatte der Volkswirt auch ein lebhaftes Interesse an psychologischen Fragestellungen entwickelt. Doch wo liegen eigentlich die Schnittpunkte von Psychologie und Wirtschaftswissenschaft? „In einem Experiment haben wir zum Beispiel geprüft, inwieweit sich das Verhalten von Probanden im Labor von ihren Verhaltensweisen im realen Berufsleben unterscheidet. Testpersonen sollten Bücher zu einer fixen Bezahlung in eine Datenbank eintragen. Dabei wurden Arbeitszeitmodelle, Gruppenzusammensetzung und somit Anreize variiert. Letztendlich haben wir im Laborexperiment viele Situationen der realen Arbeitswelt mit spieltheoretisch gleicher Struktur vorgefunden“, so der Wissenschaftler.
Gebhardts Kompetenz im Grenzbereich Wirtschaftswissenschaften und Psychologie ist unter anderem durch seine Gutachtertätigkeiten für das Journal of Economic Psychology und das Journal of Psychology belegt.

Nach einer Zeit als Vertretungsprofessor an der Universität zu Köln, nahm Georg Gebhardt den Ruf an die Uni Ulm an. „Ich hatte sofort einen guten Eindruck von der Universität. Die Ausrichtung der Wirtschaftswissenschaft ist sehr quantitativ und die Studierenden sind mathematisch versiert.“
Wer in den nächsten Semestern Seminare bei ihm belegt, wird in der Lehre sicher nicht enttäuscht. Bei Evaluationen in München und Köln gaben ihm die Studenten Bestnoten, außerdem erhielt Gebhardt den Preis der Lehre des Münchner Volkswirte Alumni Clubs. In der Forschung möchte der 37-Jährige in Zukunft stärker experimentell arbeiten und hofft vor allem auf Kooperationen mit Psychologie und Medizin. Weiterhin werden seine Schwerpunkte wieder auf Makroökonomie und den Finanzmärkten liegen.

Abseits der Wirtschaftstheorien macht sich Gebhardt als Bayern München-Fan nicht bei allen Ulmern beliebt. In den Semesterferien reist er gerne, widmet sich Kunst und Architektur oder lädt seine Frau, eine Juristin, ins Theater ein.

Von Annika Bingmann

Foto: privat