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Volkskrankheit Diabetes: Alles andere als harmlos!
Bewegung und Ernährung im Mittelpunkt der Diabetes-Tagung

Universität Ulm

Fußamputationen, Erblindung, Herzinfarkt, Schlaganfall und bleibende Nierenschäden. Die Folgen und Begleiterkrankungen sind eigentlich dramatisch. Und doch wird die Volkskrankheit Diabetes noch immer unterschätzt. Unter der "Zuckerkrankheit", wie der Diabetes Mellitus im Volksmund genannt wird, leiden über sechs Millionen Menschen in Deutschland. Fast eine Million allein in Baden-Württemberg. Über 90 Prozent der Erkrankten sind Typ2-Diabetiker. "Hinzu kommt eine  hohe Dunkelziffer, die bundesweit die Millionenmarke übersteigt. Diese Menschen wissen noch nichts von ihrer Stoffwechsel-Erkrankung, während Gewebe-, Nerven- und Organschäden langsam fortschreiten", warnt  Professor Reinhard Holl von der Universität Ulm. Der Diabetologe vom Institut für Epidemiologie und medizinische Biometrie gehört zum Veranstalterkreis der Tagung der Arbeitsgemeinschaft Diabetologie Baden-Württemberg (ADBW), die am 22. und 23. November an der Uni Ulm stattfindet.

"Mit der zunehmenden Alterung der Gesellschaft erkranken auch immer mehr Menschen an Typ2- Diabetes - früher bekannt als `Alterszucker´", so der Diabetes-Experte. "Bedenklich ist auch, dass immer jüngere Menschen, selbst Jugendliche Diabetes vom Typ2 bekommen. Die Ursache ist - neben einer gewissen familiären Veranlagung - zumeist ein ungesunder Lebensstil aus Fehlernährung, Bewegungsmangel und Übergewicht", so PD Dr. Sigrun Merger. Die Oberärztin am Ulmer Klinikum ist Adipositas- und Diabetes-Expertin, und hat die ADBW-Jahrestagung in Ulm mit vorbereitet. Die wissenschaftliche Fachvereinigung unterhält einen speziellen Arbeitskreis `Diabetes und Sport´, der sich ganz gezielt mit den medizinischen Auswirkungen und besonderen Voraussetzungen sportlicher Betätigung befasst.

"Eine gesunde Ernährung und viel Bewegung sind wirkungsvolle Waffen gegen Typ2-Diabetes, bei der Behandlung nicht weniger als in der Prävention" sind die Mediziner überzeugt. Die Diabetes Tagung der ADBW möchte genau hier ansetzen. Schwerpunkt ist daher die sogenannte "Lifestyle Intervention". "Es ist natürlich nicht einfach, sein Leben komplett umzustellen. Gerade den Älteren fällt es sehr schwer, sich von liebgewonnenen Gewohnheiten zu trennen", weiß Merger. "Doch auch die Ärzteschaft ist hier manchmal zu `rezeptblockorientiert´", kritisiert Holl. Die alte Vorstellung, ich gehe zum Arzt und der hilft mir jetzt, greift hier nicht mehr. Denn jeder muss bei sich selbst beginnen. Das unterscheidet die Lebensstil-Intervention ganz stark von der gebräuchlichen Pharmakotherapie.

Enge Verzahnung zwischen Patientenselbsthilfe und medizinischer Versorgung

Bei der Diabetes-Tagung tauschen sich Diabetologen aus ganz Baden-Württemberg, mit Sportwissenschaftlern, Ernährungsberatern, Patienten- und Krankenkassenvertretern aus. "Nicht zu vergessen die Praxisärzte und Pflegeexperten, die direkt mit den Patienten arbeiten", ergänzt Tagungsleiter Reinhard Holl. "Dass gleichzeitig in Ulm der Patiententag des Deutschen Diabetiker Bundes stattfindet, ist kein Zufall", versichert die Vorsitzende des Landesverbandes, Elke Brückel. Der gemeinsam veranstaltete Ulmer Diabetestag und die wissenschaftliche Fachtagung verdeutlichen die enge Verzahnung zwischen Patientenselbsthilfe und medizinischer Patientenbetreuung, wie sie in Baden-Württemberg seit vielen Jahren Realität ist. Eröffnet wird der Diabetikertag am Samstag im Stadthaus auf dem Münsterplatz vom Ulmer Oberbürgermeister Ivo Gönner.

 Bei der Konferenz geht es neben dem Schwerpunktthema auch um die Diagnostik des "Doppel-Diabetes", um Methoden der Blutzuckermessung sowie um spezielle Aspekte von Hyperinsulinismus und um Hypoglykämie. Zudem gibt es Vorträge zu Diabetes in der Menopause, aber auch zu Sonderformen wie Diabetes bei Mukoviszidose sowie Steroid- und Transplantationsbedingte Zuckerkrankheit. Die Behandlung diabetischer Folgeerkrankungen, speziell an Auge und Fuß, spielt dabei ebenso eine Rolle wie neue Ansätze zur Therapie der Augenveränderungen sowie der Zuckerkrankheit selbst. Vorgestellt wird neben der Insulinpumpentherapie ein neues endoskopisches Verfahren (Endobarrier) sowie vielversprechende Erkenntnisse über den Einsatz so genannter SGLT2-Hemmer.

Seit der Gründung der Universität Ulm hat die Diabetologie einen großen Stellenwert. Einer der wichtigsten Vertreter war der renommierte Diabetologe und Endokrinologe Professor Ernst Pfeiffer (1922-1997). Seine 1994 vorgestellte, am Handgelenk getragene "Ulmer Zuckeruhr" alarmiert den Patienten bei Über- und Unterzuckerung.

Alarm schlagen bei gefährlich niedrigen Blutzuckerwerten kann auch der Mindelheimer "Diabetiker-Warnhund", der sowohl bei der Tagung als auch beim Patiententag seinen Auftritt haben wird. Am Geruch von Schweiß und Atem erkennt er, wenn seiner Bezugsperson eine lebensgefährliche Unterzuckerung droht. 

Bildunterschrift: Bei der Pressekonferenz "Diabetes in Baden-Württemberg", die am 18. November in N27 veranstaltet wurde, nahmen Prof. Thomas Seufferlein (2. v.l.), Elke Brückel (DDB-BW), PD Dr. Sigrun Merger, Dr. Guido Freckmann und Prof. Reinhard Holl teil. 

 

Verantwortlich: Andrea Weber-Tuckermann