Der Ulmer Virologe Dr. Konstantin Sparrer erhält vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 1,8 Millionen Euro für die Einrichtung einer BMBF-Nachwuchsgruppe zur Infektionsforschung. Die Förderdauer beträgt fünf Jahre mit der Option auf eine maximal vierjährige Verlängerung. Sparrer ist Juniorgruppenleiter am Institut für Molekulare Virologie des Universitätsklinikums Ulm und forscht zur Modulation der angeborenen Immunabwehr.
Die beste Waffe des Menschen gegen Krankheitserreger ist das körpereigene Immunsystem. Tagtäglich wird eine ungeheure Zahl an Viren, Bakterien, Pilzen und Parasiten erfolgreich abgeschmettert. „Was das Immunsystem leistet, merken wir im Normalfall gar nicht“, erklärt Dr. Konstantin Sparrer. Doch gelingt es mikrobiellen Angreifern wie SARS-CoV-2, das Immunsystem auszutricksen beziehungsweise zu überfordern, sieht das gleich aus wie ein totales Versagen. Der 35-jährige Wissenschaftler möchte nun mit seiner Forschung zur Immunmodulation der körpereigenen Erregerabwehr auf die Sprünge helfen, damit es virale Eindringlinge effektiver unschädlich machen kann.
Dass Dr. Konstantin Sparrer jetzt auch zum neuen Coronavirus forscht, ist der aktuellen Pandemie geschuldet. Mit dem Zusammenspiel von Viren und Immunsystem befasst sich der in München geborene Forscher allerdings schon viel länger. Sparrer, der an der LMU München Chemie und Biochemie studiert und dort über Tollwut- und Masernviren promoviert hat, forschte als Postdoktorand an der Harvard Medical School und später an der University of Chicago zu mehr als 10 verschiedenen Virusarten. Dabei ging es darum, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Interaktion zwischen Erreger und Immunabwehr zu erkennen.
2018 kam der junge Virenforscher mit einem Marie-Skłodowska-Curie-Stipendium als Juniorgruppenleiter an die Universität Ulm. Von hier aus hat er sich 2019 auf das Förderprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) für Nachwuchsgruppen in der Infektionsforschung beworben. Dieses fachspezifische Förderformat wurde bereits vor der Corona-Pandemie ausgeschrieben, um vermehrt auftretenden Resistenzen und neu aufkommenden Krankheitserregern, die sich weltweit verbreiten, wirkungsvoll zu begegnen. Mit SARS-CoV-2 rückt nun genau solch ein neuartiger Erreger in den Fokus der Infektionsforschung.
Manchmal braucht das Immunsystem einen kleinen 'Push'
Dr. Konstantin Sparrer konzentriert sich in seiner Forschung auf die sogenannte angeborene Immunantwort, die in jeder Zelle unseres Körpers aktiv ist und dort zur Abwehr von Krankheitserregern ganz wesentlich beiträgt. „Wir suchen in diesem hochkomplexen System nach ‚Knotenpunkten‘, an denen sich verschiedene Pfade und Signalwege des Immunsystems überschneiden. Welche gemeinsamen Moleküle gibt es hier? Über welche Knotenpunkte lässt sich das System gezielt beeinflussen?“, fragt der Forscher. „Manchmal brauchen die körpereigenen Verteidigungslinien nur einen kleinen ‚Push‘, um noch schlagkräftiger zu werden. Unser Ziel ist es, das Immunsystem gezielt an mehreren Stellen gleichzeitig zu unterstützen“, sagt der Virenforscher. Immunmodulation nennt man diesen Prozess. Die Kunst besteht darin, Immunprozesse zu fördern, ohne das Gesamtsystem zu überfordern. Welche gefährlichen Folgen eine überschießende Immunreaktion hat, weiß man nicht erst seit dem Auftreten von SARS-CoV-2. So rufen beispielsweise Influenzaviren wahre Cytokinstürme hervor, die Körpergewebe und Organe massiv schädigen.
Ein weiterer Ansatz besteht darin, systematisch nach antiviralen Wirkstoffen zu suchen und diese zu evaluieren. Dafür untersuchen die Ulmer Forscher nicht nur pflanzliche Substanzen, sondern auch körpereigene Peptide, und zwar in Zusammenarbeit mit dem Ulmer Peptidom-SFB, dem Sonderforschungsbereich 1279 zur „Nutzung des menschlichen Peptidoms zur Entwicklung neuer antimikrobieller und anti-Krebs Therapeutika“. Die Methoden, die in der neuen Arbeitsgruppe zum Einsatz kommen, sind auf dem neuesten Stand der Forschung: dazu gehören gentechnologische Methoden wie CRISPR-Screens mit Zelllinien, Hochdurchsatz-Verfahren zur genetischen Sequenzierung aber auch bioinformatische Ansätze. „Wir arbeiten interdisziplinär an der Schnittstelle zwischen Virologie, Biochemie und Bioinformatik“, bestätigt Dr. Konstantin Sparrer, der als Postdoktorand in Labors an der Harvard Medical School und der University of Chicago sein methodisches Spektrum erweitert hat.
In Zukunft wird der erfolgreiche Nachwuchsgruppenleiter nicht mehr so oft im Labor stehen wie als Postdoc. Der Virenforscher wird sich jetzt mehr um Management-Aufgaben kümmern müssen, wie Personalleitung, Projektplanung und Antragstellung. Seine „Kleingruppe“ wird in nächster Zeit immerhin auf ein 8-köpfiges Team anwachsen, und zwar um zwei Doktoranden, eine Postdoc- und eine Technische Assistentenstelle.
Hintergrund:
Die BMBF-Nachwuchsgruppe ist ein besonderes Förderformat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Gefördert werden damit exzellente Forscherinnen und Forscher sowie Ärztinnen und Ärzte, die in einem bestimmten Forschungsbereich eine Nachwuchsgruppe aufbauen möchten. Die wissenschaftliche Arbeit muss dabei über die reine Grundlagenforschung hinausgehen und einen klinischen oder anderen Anwendungsbezug haben. BMBF-Nachwuchsgruppen sind themenspezifisch ausgelegt. Die Nachwuchsgruppe in der Infektionsforschung wurde ausgeschrieben, um neue Strategien zur Prävention und Therapie von Infektionskrankheiten zu entwickeln. Damit sich hier möglichst viele qualifizierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bewerben konnten, wurde die Ausschreibung für die BMBF-Nachwuchsgruppe zur Infektiologie sogar zweimal veröffentlicht. Über die erste Förderrunde werden voraussichtlich 13 Gruppen gefördert. Die Arbeitsgruppe von Dr. Konstantin Sparrer ist die erste, die im Rahmen dieses Formats bewilligt wurde.
Text und Medienkontakt: Andrea Weber-Tuckermann