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Versuch erfolgreich: Ethylen aus Methan gewinnen
Klimakiller reagiert im Goldnebel
Umwandlung mit wenig Energieaufwand und umweltfreundlich

Universität Ulm

„Für uns war es noch lupenreine Grundlagenforschung“, sagt Professor Thorsten Bernhardt, stellvertretender Direktor des Instituts für Oberflächenchemie und Katalyse der Universität Ulm, „aber wenn bestimmte Abläufe erst einmal bekannt und belegt sind, ist der Weg zur praktischen Anwendung oft nicht mehr so weit“. Was in diesem Fall hieße: Ethylen, einen der wichtigsten Ausgangsstoffe für die chemische Industrie, künftig nicht mehr aus dem zur Neige gehenden Erdöl zu gewinnen, sondern aus Methan, einem inzwischen als Klimakiller eingestuften Erdgas und noch in riesigen Mengen vorrätig. Wie es gehen könnte, hat Bernhardts Ulmer Forschergruppe in Zusammenarbeit mit Professor Uzi Landman vom Georgia Institute of Technology in Atlanta (USA) belegt. Der renommierten Zeitschrift „Angewandte Chemie“, auch international die führende Chemie-Fachzeitschrift, war das Thema unlängst eine Titelgeschichte wert.

Seit vielen Jahren beschäftigt sich Professor Bernhardt, Jahrgang 1967, im Oktober 2005 von der Freien Universität Berlin nach Ulm berufen, mit kleinen Teilchen, so genannten Clustern. Noch kleiner als Nanopartikel sind sie, in der „Größenordnung“ einzuordnen zwischen Festkörpern und Atomen. Das Besondere daran: „Ihre Eigenschaften kann man nicht vorhersagen, schon jedes einzelne Atom verändert diese“, erläutert der Wissenschaftler, der vor seiner Habilitation in Berlin zwei Jahre in Pasadena/USA bei Professor Ahmed Zewail geforscht hat, dem Chemie-Nobelpreisträger von 1999.

Ursprünglich sei denn auch die Herstellung von Ethylen gar nicht das Ziel der Versuche gewesen, räumt Bernhardt ein. „Das war vielmehr eine Reaktion in Richtung Methanol.“ Die chemische Verbindung also, zum einen Alkohol in seiner einfachsten Form, zum anderen gefragt als Kraftstoff wie als Lieferant von Wasserstoff in Brennstoffzellen, darüber hinaus in der Industrie als Basis für verschiedene Chemikalien. „Daran halten wir auch fest“, so der Forscher, spricht indes in diesem Zusammenhang von einem „enormen Wettlauf in der Wissenschaft“.

Ziel weiterer Experimente sei jedenfalls die Identifizierung weiterer Prozesse auf molekularer Ebene, „bevor sich daraus praxistaugliche katalytische Vorgänge entwickeln lassen“.

Wie es jetzt mit der Umwandlung von Methan in Ethylen gelungen ist. Nicht auf Anhieb allerdings. Vorausgegangen waren nämlich Professor Bernhardt zufolge Versuche mit verschiedenen katalytischen Metallclustern, Anhäufungen weniger Metallatome also als Modellsystemen. Erst bei Tests mit Partikeln aus sehr wenigen Goldatomen wurden die Forscher fündig. Präziser: Einfach positiv geladene Teilchen aus zwei Goldatomen, eine Art Goldnebel und in einer so genannten Ionenfalle durch elektrische Felder fixiert, wandelten im Massenspektrometer das eingeblasene Methan zu Ethylen. Wichtig dabei für das Verständnis der Wissenschaftler: „Wir konnten alle Zwischenstufen der Reaktion festhalten“, berichtet Thorsten Bernhardt, „und in Verbindung mit den Modellrechnungen unseres Kollegen Uzi Landman waren wir in der Lage, den Reaktionsmechanismus für diesen katalytischen Zyklus zu formulieren“. 

Bemerkenswert: Während sich Gold in „normaler“ Form sehr unreaktiv verhält und auch deswegen so gut für Schmuck geeignet ist, fungieren kleine Teilchen aus Gold als ausgezeichnete Katalysatoren. Dies haben Professor Bernhardt zufolge schon vor geraumer Zeit japanische Wissenschaftler entdeckt. Wie überhaupt die Katalyse mit kleinen Goldteilchen heute von vielen Gruppen erforscht werde. „Aber die molekularen Details sind bisher noch sehr wenig verstanden.“ Die Arbeit seiner Gruppe dagegen habe nun „ein sehr gutes Bild ermöglicht, wie die Methan-Moleküle zusammenkommen, wie sie sich verändern und an zweiatomigen Goldteilchen zu Ethylen umwandeln“. Für ihn ein weiterer wichtiger Aspekt: Das Verfahren sei durchaus „grüne Chemie“ im besten Sinne, ohne Einsatz giftiger Substanzen also, ohne Rückstände und mit geringem Energieverbrauch durchzuführen.

Dass für den Modellversuch zudem ein möglichst einfaches System gewählt worden sei, habe entscheidend zu dem hohen Detailverständnis beigetragen, erklärt der Chemiker nicht ohne Stolz. Professor Bernhardt: „Darauf können wir bei zukünftigen Untersuchungen aufbauen.“

 

Von Willi Baur

Durchblick im Goldnebel: Professor Thorsten Bernhardt und seine Mitarbeiterin Sandra Lang