Viele Tausend Technikinteressierte werden ab dem 7. April in der niedersächsischen Landeshauptstadt erwartet. Bei der diesjährigen Hannover Messe zum Leitthema „Integrated Industry – Next Steps“ ist die Universität Ulm mit zwei Beiträgen vertreten: Mit einem per Computersimulation optimierten Tischkicker stellt sich das Ulmer Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (UZWR) vor. Das Institut für Mess-, Regel- und Mikrotechnik steuert gemeinsam mit der FESTO AG ein „Hightech-Känguru“ bei.
Das UZWR der Uni Ulm beweist: Tischkicker passen nicht nur in verrauchte Kneipen oder Jugendzentren, sondern auch auf die Hannover Messe – zumindest wenn die Kickerfiguren mit aufwändigen Berechnungen am Computer optimiert worden sind. Genau das haben Studierende der Uni Ulm getan. Sie haben mit Hilfe von so genannten Finite-Elemente-Modellen statische und dynamische Festigkeitsanalysen durchgeführt und herausgefunden, wie belastet die Miniatur-Fußballer an verschiedenen „Körperstellen“ sind. Ihr Auftraggeber ist die Schreinerei Lettner, ein Hersteller von Premium-Kickern aus dem baden-württembergischen Erbach. Diese Zusammenarbeit verdeutlicht die besondere Funktion des UZWR: Die Einrichtung der Uni Ulm soll kleinen und mittleren Unternehmen der Region Zugang zu numerischen Methoden, Simulationen und Produktoptimierung verschaffen.
Bei der Hannover Messe stellen UZWR-Geschäftsführer Ulrich Simon und weitere Uni-Vertreter das Zentrum vor. Aktuelle Schwerpunkte sind Wissenschaftliches Rechnen, Modellbildung, Simulation und Optimierung sowie Numerische Methoden der Biomechanik. Außerdem ist seit rund drei Jahren der Bachelorstudiengang „Computational Science and Engineering“ (CSE) am UZWR beheimatet – dazu kommt inzwischen auch der Master. Gemeinsam mit der Hochschule Ulm werden hier Fachkräfte ausgebildet, die sich sowohl mit Mathematik und Informatik als auch in den Ingenieurwissenschaften auskennen. Unterstützt wird dieses wohl einmalige Konzept von der VolkswagenStiftung, der Stiftung Mercator sowie der Industrie- und Handelskammer Ulm.
Eine Arbeitsprobe der CSE-Studierenden ist der Tischkicker: Aufgrund ihrer Berechnungen hat die Schreinerei Lettner, die auch Tische für Bundesligaspiele herstellt, ihre Fußballer neu gestaltet: Die Spieler sind nun geformt wie ein Keil, Gewicht wurde von den Füßen der Figur in die Körpermitte verlagert. Dadurch lässt sich die Stange des Kickers schneller drehen und das Spiel wird noch rasanter. Bei der Hannover Messe können Besucher testen, ob die Mini-Fußballer der Dauerbelastung gewachsen sind – automatische Schusskraftmessung inklusive (Halle 2, Stand C17). „Das Kickerprojekt ist ein exzellentes Beispiel dafür, wie angewandte Forschung mit guter Lehre verknüpft werden kann“, resümiert Ulrich Simon.
Bionisches „Beuteltier“ bei der Technikschau
Eines der wichtigsten Vorbilder für
Ingenieure ist und bleibt Mutter Natur. Bei der Hannover Messe präsentiert die FESTO AG in Kooperation mit dem Institut für Mess-, Regel- und Mikrotechnik der Uni Ulm einen Roboter („BionicKangaroo“), der ganz offensichtlich vom bekanntesten Beuteltier Australiens inspiriert ist. Der äußerliche Wiedererkennungswert ist schon einmal hoch: Das nachgebildete Tier ist etwa einen Meter groß und wiegt sieben Kilogramm. Damit das „Hightech-Känguru“ genau wie sein natürliches Vorbild durch die Gegend hüpfen kann, bedarf es allerdings modernster Automatisierungstechnik. Die Fortbewegung des australischen Wappentiers ist nämlich recht speziell: Der Hüpfmechanismus ermöglicht es dem Känguru, seine Geschwindigkeit zu erhöhen, ohne dabei den Energieverbrauch zu steigern.
Um diese Technik auf den Roboter zu übertragen, braucht es eine spezifische Beinkinematik im Leichtbau – also eine Kombination aus pneumatischer und elektrischer Aktorik – sowie innovative Regelungstechnik, beigesteuert von der Uni Ulm. In diesem Zusammenhang haben der Ulmer Professor Knut Graichen und sein Mitarbeiter Diplom-Ingenieur Sebastian Hentzelt gleich zwei Herausforderungen gemeistert: „An erster Stelle stand die Stabilisierung der Flugphase. Also haben wir die Flugbahn und den ,Anstellwinkel' der Beine für die Landung berechnet“, erklärt Graichen. Eine wichtige Frage dabei: Wie soll das BionicKangaroo Schwanz und Hüfte einsetzen, um den optimalen Anstellwinkel zu erreichen? Zweitens galt es, die Bodenphase des natürlichen Vorbilds während der Landung nachzubilden. Da bei Landung und Absprung große Kräfte einwirken, sind eine weiche Einfederung sowie der richtige Absprungzeitpunkt wichtig. Das künstliche Tier von FESTO lässt sich übrigens über Gesten steuern, zur Energieversorgung ist ein Kompressor in seinen Körper eingebaut.
Ob das bionische Känguru einen Ausflug in das australische Outback oder in den nächstgelegenen Zoo überflüssig macht? Am FESTO-Stand D07 in Halle 15 können sich Besucher von seiner Sprungkraft (bis zu 40 Zentimeter hoch und bis zu 80 Zentimeter weit!) überzeugen.
Der hochtechnologisierte Beutler ist ein Prototyp des „Bionic Learning Network“, in dem der Spezialist für Automatisierungstechnik FESTO AG mit Hochschulen, Instituten und Entwicklungsfirmen kooperiert. Gemeinsam wollen sie biologische Prinzipien und moderne Antriebstechnik verbinden.
Die Hannover Messe läuft vom 7. bis zum 11. April. Sie gilt als weltweit wichtigste Industrieschau und vereint sieben Leitmessen. In diesem Jahr sind die Niederlande Partnerland.
Verantwortlich: Annika Bingmann