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Osteoporose wird Problem der Zukunft
Prof. Anita Ignatius: Forschung und Management vereinen

Universität Ulm

„Ja“, bestätigt Professorin Anita Ignatius ohne Zögern, „das sind schon große Fußstapfen, die mir Professor Claes hinterlassen hat“. Von ihm hat sie Anfang April die Leitung des Instituts für Unfallchirurgische Forschung und Biomechanik übernommen, national wie international wahrgenommener Leuchtturm in der Ulmer Forschungslandschaft. „Eine schöne Aufgabe, aber auch eine echte Herausforderung“, sagt die 1990 von der Ludwig-Maximilians-Universität München promovierte Fachtierärztin für Pharmakologie und Toxikologie, seit 1993 im Institut und seit Januar 1998 Leiterin der Forschungsbereiche Biomaterialien, Tissue Engineering und Zellbiologie. Beim Jahrestag der Universität kürzlich hat sie sich mit ihrer Antrittsvorlesung der Öffentlichkeit vorgestellt.

Zugleich ihr Spezialgebiet, die Regeneration von Knochengewebe, dem sie sich auch künftig intensiv widmen will. Dabei weiß die Wissenschaftlerin um den Spagat, den ihre neue Aufgabe bereits fordert, Führungsarbeit vor allem, Kampf um Drittmittel, viel Verwaltung und Repräsentationspflichten. „Aber ich will keine reine Forschungsmanagerin werden“, macht Professorin Ignatius deutlich, „sondern weiterhin eng an der Forschung selbst bleiben“. Dass ihr, wie sie durchblicken lässt, das Management durchaus „Spaß macht“, dürfte ihr die Doppelrolle merklich erleichtern.

Wobei sie allem voran ihre „integrative Funktion“ in den Blickpunkt rückt, „bei einem so interdisziplinär ausgerichteten Institut zweifellos stärker gefragt als bei anderen“. Vergleichbar wenig homogen besetzte Forschungsgruppen schließlich finden sich ungeachtet des gegenläufigen Trends noch immer selten: Ingenieure, Informatiker, Biologen, Molekularbiologen, Human- und Veterinärmediziner prägen bekanntlich das Ulmer Institut, oft nicht nur fachbezogen unterschiedlich getaktet. Gleichwohl: „Teamarbeit ist mir enorm wichtig“, betont die Leiterin, die den kollegialen Führungsstil ihres Vorgängers beibehalten und, für sie ganz wichtig, „die bewährte interdisziplinäre Zusammenarbeit im Hause erhalten und ausbauen“ will.

Eine umfassende wissenschaftliche Neuausrichtung wird es Ignatius zufolge nicht geben. „Wohl aber eine gewisse Verschiebung der Schwerpunkte.“ Neue ebenfalls, in der regenerativen Medizin und Traumaforschung nämlich. Im Vordergrund hier: Die Regeneration und Heilung bei degenerativen Erkrankungen und nach Verletzungen. Bei Osteoporose etwa, „dem Problem der Zukunft“, wie die Wissenschaftlerin mit Blick auf die alternde Gesellschaft verdeutlicht. „Jede zweite Frau über 50 wird eine osteoporotische Fraktur erleiden“, sagt Anita Ignatius. Problem dabei und bei Schwerverletzten gleichermaßen: „Diese Brüche heilen schlecht.“ Das sei bekannt, nicht aber die Ursachen.

Mit dieser Fragestellung beschäftige sich das Institut zum einen im Rahmen einer überregionalen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsgruppe, zum andern vor Ort mit Wissenschaftlern der chirurgischen Klinik um Professor Florian Gebhard. Unabhängig davon: Weiterhin unvermindert widmen werde sich das Institut, so Professorin Ignatius, „sowohl der anwendungsorientierten Grundlagenforschung als auch translationaler Forschung in den Bereichen Biomaterialien, Tissue Engineering, der Biologie von Zellen des muskuloskeletalen Gewebes sowie der Biomechanik von Wirbelsäulen und Gelenken“. Mit nach wie vor vielen ungelösten Fragen, so die 2002 mit dem Merckle-Forschungspreis und dem Frauenförderpreis ausgezeichnete Wissenschaftlerin, die im Vorfeld ihrer Berufung auf die Institutsleitung Rufe nach Freiburg und Würzburg abgelehnt hatte.

Sie kennt indes auch den harten Wettbewerb auf diesen Gebieten, national wie weltweit. „An Biomaterialien und Knochenersatzstoffen arbeiten viele Gruppen“, weiß Professorin Ignatius, aber auf biologische und gleichzeitig biomechanische Kompetenzen zurückgreifen könnten deutlich weniger. Eine wesentliche Stärkung des Standorts Ulm sei zudem mit der Gründung des Zentrums für Muskuloskeletale Forschung erzielt worden. Nicht zu vergessen das engagierte Mitarbeiterteam und das über zwei Jahrzehnte erarbeitete Wissen.

„Wir haben hier schon ideale Voraussetzungen“, freut sich die  Institutsleiterin, „vor allem die interdisziplinäre Zusammenarbeit unter einem Dach ist ein großer Vorteil“. Von der übrigens auch die vielen Doktoranden des Instituts profitierten. „Die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses liegt uns sehr am Herzen“, erklärt Ignatius in diesem Zusammenhang. „Nur räumlich stoßen wir mit derzeit 43 Beschäftigten an unsere Grenzen“, so die Professorin. Dabei lasse die Architektur des mehrfach erweiterten Gebäudes zunächst wohl keine neuerliche Vergrößerung zu.

 

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Wechsel nach 20 Jahren: Prof. Anita Ignatius leitet jetzt das Institut für Unfallchirurgische Forschung und Biomechanik der Universität Ulm, das ihr Vorgänger Prof. Lutz Claes erfolgreich aufgebaut hat. Er ist im Frühjahr in den Ruhestand getreten