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Optimistisch für Regeneration von Ohrmuscheln:
EU-Projekt für Professorin Nicole Rotter

Universität Ulm

„Alltäglich im Klinikbetrieb sind sie nicht, aber doch häufiger als man annimmt“, sagt Professorin Nicole Rotter, Leitende Oberärztin an der Ulmer Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde: Beschädigte oder gar abgerissene Ohrmuscheln nämlich. Und ihre Wiederherstellung sei schwierig und aufwendig. Das gängige Verfahren bisher: Eine Rekonstruktion aus Rippenknorpel. Letzteres allerdings erfordert mehrere Schritte, unter anderem die Entnahme von drei oder vier Rippen bei mehreren Operationen von vier bis fünf Stunden. Jetzt aber arbeitet eine internationale Forschungsgruppe an Alternativen, darunter auch Nicole Rotter mit ihrem Ulmer Team.

Ihr Ziel: Die Entwicklung von Ohrmuschel-Transplantaten aus körpereigenen Zellen, mittels des so genannten Tissue Engineering also. Für ihre bisherigen Beiträge auf diesem Gebiet war die Ulmer Medizinerin im Frühjahr mit dem Wissenschaftspreis der Ingrid-zu-Solms-Stiftung ausgezeichnet worden. Der mit 10 000 Euro dotierte Preis wird seit 1994 im Zwei-Jahres-Turnus für herausragende Arbeiten in der Grundlagenforschung ausschließlich an Frauen vergeben.

330 000 Euro sind der HNO-Klinik vom Bundesforschungsministerium dieser Tage zur Finanzierung ihres Parts im Rahmen eines großen EU-Projekts bewilligt worden. Beteiligt daran ferner: Universitäten in Göteborg und Rotterdam sowie die ETH Zürich, zudem renommierte Unternehmen in Deutschland und Holland. Im Mittelpunkt des momentan auf drei Jahre angelegten Forschungsnetzwerks: Neue Strategien zur Regeneration von Knorpelgewebe für die Ohrmuschel, die auf innovativen Biomaterialien beruhen. „Alle Partner können bereits umfangreiche und viel versprechende Vorarbeiten aufweisen“, weiß Professorin Rotter. Die schwedischen Kollegen zum Beispiel beschäftigten sich mit der Herstellung von Zellulose aus Bakterien. Ein  gemeinsames Problem beim plastischen Aufbau von Knorpelgewebe: „Die mechanische Stabilität.“

Nicole Rotter selbst beschäftigt sich seit ihrer Promotion („summa cum laude“) an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München mit ihrem Spezialgebiet Tissue Engineering, darunter auch bei mehreren Forschungsaufenthalten in den USA. Die noch ausstehende klinische Anwendung im Kopf-Hals-Bereich hat für sie einen einfachen Grund: „Hier sind bei weitem nicht so viel Mittel investiert worden wie beispielsweise im Gelenkbereich, wo ein enormer Bedarf erwartet wird.“ Bedarf bestehe indes auch auf dem HNO-Sektor, nicht zuletzt bei der Wiederherstellung von Ohrmuscheln. Gründe? „Angeborene Schäden, Tumore, Auto- oder Fahrradunfälle, mitunter auch Pferdebisse“, nennt Expertin, weiß dabei zudem um eine weitere Risikogruppe: „Gefährdet sind manchmal auch Cabrio-Fahrer.“

Und natürlich kennt sie die Besonderheiten bei der Rekonstruktion des äußeren Hörorgans: „Man braucht viel Gewebe für das Knorpelgerüst und muss sich auch um die Haut kümmern.“ Insofern hätten sich auf die Wiederherstellung ganzer Ohrmuscheln nur einige wenige Kliniken spezialisiert. „Teile aber rekonstruieren wir häufig“, so Professorin Rotter.

Vielleicht bald mittels körpereigenem Gewebe? „Ich bin überzeugt, dass das möglich sein wird. Die Frage ist nur: wann?“, gibt sich die Wissenschaftlerin vorsichtig optimistisch. Auf drei Jahre ist das EU-Projekt angelegt. „Wenn wir es in diesem Zeitraum schaffen, wäre es wunderbar“, so die Leiterin der achtköpfigen Ulmer Forschungsgruppe. Die Vorteile des Verfahrens jedenfalls liegen Nicole Rotter zufolge unabhängig davon auf der Hand: Weniger Belastungen  für die Patienten und eine ungleich bessere Akzeptanz der Implantate durch deren Immunsystem als bei Fremdmaterialien. „Die von der Preisträgerin vorangetriebene Forschung leistet einen wichtigen Beitrag zu einer der zentralen Technologien für die regenerative Medizin“, hatte denn auch die Solms-Stiftung die Auszeichnung der Ulmer Wissenschaftlerin begründet.

 

Von Willi Baur

Bei der Preisverleihung in Frankfurt: in der Mitte die Preisträgerin Prof. Nicole Rotter,  li. Dr. Ingrid Gräfin zu Solms-Wildenfels