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Molekulare Medizin trifft Informatik
Neue Karl-Steinbuch-Stipendiaten sind dem Altern auf der Spur

Universität Ulm

Am Computerbildschirm wollen die Ulmer Masterstudenten Lea Siegle und Julian Schwab Prozesse des Alterns aufdecken und so bestenfalls zur Behandlung altersbedingter Krankheiten beitragen. Für ihr Projekt, das in der Ulmer Arbeitsgruppe „Bioinformatik und Systembiologie“ angesiedelt ist, sind die Molekularmedizinerin und der Bioinformatiker, der inzwischen im Master Informatik eingeschrieben ist, mit einem Karl-Steinbuch-Stipendium ausgezeichnet worden. Dank der Förderung der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MFG-Stiftung) über 4200 Euro können die Nachwuchsforscher neben ihrem Studium weiterhin wissenschaftlich arbeiten.

Siegle und Schwab haben die Signalwege IGF und Wnt im Visier, die beim Alternsprozess eine große Rolle zu spielen scheinen. Der so genannte Insulin-like growth factor (IGF) reguliert das Wachstum sowie den Stoffwechsel. Demgegenüber sind Wnt-Glykoproteine bedeutend für den Zellzyklus und die embryonale Entwicklung. Sind diese Signalwege gestört, können sich Krankheiten wie Diabetes oder schlimmstenfalls Krebs entwickeln. Trotzdem ist über ihr Zusammenspiel erst wenig bekannt.
Das wollen die Stipendiaten mithilfe eines mathematisch-formalen Modells ändern: „Wir hoffen, durch Boolesche Netzwerke neue Informationen über das Verhalten der Signalwege zu gewinnen“, erklärt Lea Siegle. Die Besonderheit: So genannte temporale Prädikate beschreiben Veränderungen im Laufe des Alternsprozesses. Für die Visualisierung des Verhaltens der Booleschen Netzwerke entwickeln die Studenten zudem eine Software mit grafischen Methoden. Diese Methoden ermöglichen auch die Manipulation der Netzwerke – so soll zum Beispiel die Bedeutung von Regulatoren aufgedeckt werden. „Womöglich können wir sogar Zielstrukturen für die Behandlung alternsassoziierter Krankheiten identifizieren“, sagt Julian Schwab.

Das Altern am Computer verstehen

Das Projekt der Studierenden ist hochrelevant: „Strukturen der Signal-Netzwerke sind so komplex, dass sie nur durch mathematische Betrachtungen verstanden werden können“, bekräftigt Professor Hans Armin Kestler, der die Studierenden als Leiter der Ulmer Arbeitsgruppe „Bioinformatik und Systembiologie“ betreut. Inzwischen ist er Universitätsprofessor für Bioinformatik und Systembiologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Leiter der Forschungsgruppe „Bioinformatik und Systembiologie des Alterns“ am Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI), wo er nunmehr alternsassoziierte onkologische Erkrankungen untersucht und zelluläre Signalwege sowie Alternsprozesse mathematisch modelliert.

In diesem Jahr sind 13 junge Forschergruppen bei einem Festakt in Stuttgart mit einem Karl-Steinbuch-Stipendium ausgezeichnet worden. Die Verleihung erfolgte durch Jürgen Walter, Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) sowie Professor Carl Bergengruen (Geschäftsführer MFG-Stiftung) mit Hans-Günter Hohmann aus dem Stiftungsrat. Eine Förderzusage der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg erhalten bevorzugt Projekte, die Informatik oder Medienwissenschaften mit einem weiteren Fach verbinden. Professor Karl Steinbuch, Namensgeber des Stipendiums, hat die Informatik in Deutschland mitbegründet. Der Karlsruher gilt als „Vater der künstlichen neuronalen Netze“.

 

Verantwortlich: Annika Bingmann/FLI
Foto: privat