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Millionenzuschuss für neues Forschungsgebäude
Universität Ulm baut Zentrum für Quanten-Biowissenschaften

Universität Ulm

Das Ulmer Bauvorhaben „Forschungsgebäude ZQB“ wurde vom Wissenschaftsrat zusammen mit sechs weiteren Anträgen aus anderen Ländern in allen maßgeblichen Förderkriterien mit der Bestnote „herausragend“ eingestuft und in die Spitzengruppe eingereiht. Damit konnte – vorbehaltlich der abschließenden Entscheidung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK) Ende Juni – eine 50-prozentige Mitfinanzierung des Bundes in Höhe von rund 13,5 Millionen Euro für die Universität Ulm eingeworben werden.

Die Gesamtbaukosten für das interdisziplinäre Zentrum für Quanten-Biowissenschaften ZQB  belaufen sich ohne die Erstausstattung und Großgeräte auf 23 Millionen Euro. „Wir sind sehr stolz auf diesen Erfolg. Das neue Forschungsgebäude stärkt nicht nur die Universität Ulm als international wettbewerbsfähigen Standort in der Quantenforschung, sondern es ist weltweit auch das erste Zentrum dieser Art in den Quanten-Biowissenschaften“, freuen sich Universitätspräsident Professor Karl Joachim Ebeling, der in dieser schnell aufstrebenden Disziplin ein enormes Zukunfts- und Innovationspotential sieht, und Dr. Simone Schwanitz, Ministerialdirektorin im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst.

Das Forschungszentrum und der damit verbundene  Forschungsbau mit einer Fläche von rund 2 700 Quadratmetern soll in der Nähe des Botanischen Gartens entstehen. Arbeitsgruppen – von der Physik, Chemie bis hin zur molekularen Medizin – werden an diesem Institut zusammenarbeiten. Ausgelegt für etwa 115 Mitarbeiter erfüllt der Neubau höchste Standards der physikalischen und biomedizinischen Forschung. „Quantenforscher, Chemiker und molekulare Mediziner arbeiten Seite an Seite, um neue quantentechnologische Verfahren und Konzepte zu entwickeln und anschließend in die biomedizinische Forschung zu tragen“, informiert Hauptantragsteller Martin Plenio, Alexander von Opens external link in new windowHumboldt-Professor und Leiter des Instituts für Theoretische Physik an der Universität Ulm. Äußerst vielversprechend und zukunftsweisend hierbei: die Quantensensorik und Quanteneffekte in der Biologie. „Wir setzen hierfür winzigste Diamanten ein, die magnetische und elektrische Felder im Nanobereich erfassen können und es damit erlauben, sogar einzelne Proteine zu untersuchen“, erklärt Plenio. Die Wissenschaftler hoffen, auf diese Weise nicht nur biomedizinischen Fragen, sondern auch grundsätzlichen biologischen Prozessen auf den Grund gehen zu können, indem sie die Struktur und Dynamik einzelner Proteine auf atomarer Ebene aufklären. Dabei werden auch gänzlich neuartige Fragestellungen der experimentellen Forschung zugänglich: Welche Rolle spielt die Quantendynamik in grundlegenden Prozessen wie der Photosynthese, dem Magnetfeldsinn, dem Geruchssinn oder viralen Infektionen?

Besondere Infrastruktur für hochinnovative Forschung

Die hochspezifische Infrastruktur gewährleistet nicht nur die Durchführung quantenoptischer Messungen und den Einsatz der Diamant-basierten Quantensensorik unter biologischen Sicherheitsbedingungen. Zur besonderen Ausstattung gehört nicht zuletzt ein Kernspinresonanz-Spektrometer, das wichtige Entwicklungsschritte auf dem Weg zur Einzelmolekülbeobachtung auf atomarer Ebene auch in seiner natürlichen Umgebung ermöglichen soll. „Zudem wird es, gemeinsam mit der Elektronenmikroskopie, zur Validierung der neu entwickelten Diamantsensorik beitragen“, erklärt der Mitantragssteller Professor Fedor Jelezko, Leiter des Instituts für Quantenoptik. „Die dafür benötigten thermisch stabilisierten Laboratorien brauchen eine absolut ruhige und störungsfreie Umgebung. Einige der Labore müssen daher gegen elektromagnetische und akustische Felder abgeschirmt und durch ein separates Fundament gegen Vibrationen gesichert sein“, informiert Reiner Hausbeck, Leiter des federführenden Dezernats V für Gebäudemanagement, das zusammen mit dem Ulmer Amtsleiter Wilmuth Lindenthal (Vermögen und Bau Baden-Württemberg) den baulichen Teil des Antrags vorbereitet hat. Geplanter Baubeginn ist Anfang 2015. „Wenn alles gut geht, könnte das neue Forschungsgebäude möglicherweise schon Ende 2017 bezugsfertig sein“, hofft Hausbeck. Alles in allem belaufen sich die Kosten auf insgesamt 26,96 Millionen Euro, also Gesamtbaukosten von 23 Millionen zuzüglich 2,06 Millionen für die Ersteinrichtung und 1,9 Millionen für Großgeräte. Beantragt und bewilligt wurde das Forschungsgebäude überArt. 91 b Absatz 1 des Grundgesetzes zur Kooperation von Bund und Ländern in der Wissenschaft.

Mit der Bewilligung des Förderantrags erreicht eine über mehrere Jahre angelegte Strategie ihren nächsten wichtigen Erfolg. Die Idee für ein Forschungszentrum entstand 2011 als Teil der Vorbereitung zu dem durch Professor Martin Plenio gemeinsam mit den Professoren Tanja Weil und Fedor Jelezko eingeworbenen ERC Synergy Grant, der Anfang Dezember 2012 als eines von nur 11 Projekten in Europa mit einer Fördersumme von 10,3 Millionen Euro bewilligt wurde. Durch den Erfolg von Professor Frank Kirchhoff, Leiter des Instituts für Molekulare Virologie, im Wettbewerb um einen ERC Advanced Grant im gleichen Jahr, ergab sich die Gelegenheit, die Initiative auf die molekulare Medizin auszuweiten. „Diese Erfolge haben uns natürlich geholfen, das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst und letztendlich den Wissenschaftsrat von unserer Vision eines fachübergreifenden Forschungszentrums zu überzeugen“, sagt Plenio. „Wir sind inzwischen ein eingespieltes Team, was für den Gesamterfolg dieses herausfordernden, multidiszipliären Projekts sicherlich von großer Bedeutung sein wird“ fügt Tanja Weil, Leiterin des Instituts für Organische Chemie III, hinzu.

Als Gründungsdirektor übernimmt Professor Martin Plenio die wissenschaftliche Leitung des ZQB. Dem Direktorium gehören neben Plenio die stellvertretende Direktorin Professorin Tanja Weil und die Mitantragsteller Professor Fedor Jelezko und Professor Frank Kirchhoff an. Dieses wird unterstützt durch eine Geschäftsstelle und beraten durch einen wissenschaftlichen Beirat. Das Forschungsprogramm umfasst vier zentrale Arbeitsbereiche: die Diamant-Quantensensorik, die Anwendungen in der Quantenbiologie, die Funktionalisierung der Diamantsensoren  sowie Anwendungen in der Biomedizin, die durch die Direktoriumsmitglieder wissenschaftlich geleitet werden.

Die Universität Ulm hat sich im Bereich der Quantenforschung – auch international – bereits einen Namen gemacht. Etabliert sind am Standort Ulm Forschungsgebiete wie die Diamant-Quantensensorik, die Quantentechnologien, die Quanteninformation und die Quantenbiologie. „Nicht nur in der Theorie, sondern auch im Experiment wurden hier bereits Pionierarbeiten geleistet“, erklärt Präsident Ebeling. „Zudem gibt es bereits erfolgreiche interdisziplinäre Kollaborationen zwischen den am Zentrum beteiligten Arbeitsgruppen von der Physik, Chemie bis hin zur molekularen Medizin“, fügt Kirchhoff hinzu. Das interdisziplinäre Zentrum für Quanten-Biowissenschaften bündelt diese besonderen Stärken der Ulmer Forschung, um ein neues Forschungsgebiet an der Schnittstelle zwischen den Quantentechnologien und der biomedizinischen Forschung zu erschließen.

 

Verantwortlich: Andrea Weber-Tuckermann