Über 500 wissbegierige Bürger, überwiegend im dritten Lebensalter, verfolgten am Montag die Eröffnung der 19. Herbstakademie des Zentrums für Allgemeine Wissenschaftliche Weiterbildung (ZAWiW) an der Universität Ulm. Anknüpfend an die Frühjahrsakademie steht die Weiterbildungswoche in diesem Jahr unter dem Motto „Darf man alles machen, was möglich ist?“Offenbar stößt diese Frage auf großes Interesse: Aufgrund des Andrangs musste die Eröffnung in vier weitere Hörsäle übertragen werden. Bei seiner Begrüßung unterstrich Universitätspräsident Professor Karl Joachim Ebeling die Bedeutung des lebenslangen Lernens und würdigte in diesem Zusammenhang das ZAWiW. „Es ist bemerkenswert, wie viele Senioren Interesse an Bildungsangeboten unserer Universität haben. Dabei vertiefen sie nicht nur ihr eigenes Wissen, sondern bringen sich auch mit ihrer Lebenserfahrung ein“, so Ebeling. Weiterhin hießen der Neu-Ulmer Oberbürgermeister Gerold Noerenberg, ZAWiW-Geschäftsführerin Carmen Stadelhofer sowie Vorstandssprecher Professor Othmar Marti die Senioren herzlich willkommen. Stadelhofer freute sich besonders über etliche auswärtige Gäste, die den Weg an die Universität Ulm gefunden hatten.
Tatsächlich waren bereits die Auftaktvorträge mit anschließender Diskussion echte Highlights: Mit dem Ulmer Neurowissenschaftler Professor Manfred Spitzer und Professor Rudolf Tippelt, Bildungsforscher an der Ludwig-Maximilians-Universität München, trafen zwei hochkarätige Wissenschaftler aufeinander. Aus ihren jeweiligen Perspektiven erläuterten sie Lernprozesse und führten in aktuelle Fragestellungen sowie wissenschaftliche Methoden ihrer Fächer ein. Dabei schlugen Spitzer und Tippelt einen Bogen vom frühkindlichen Lernen zur Erwachsenenbildung. „In unserem Gehirn sind über 100 Milliarden Nervenzellen an unvorstellbar vielen Stellen verbunden. Verarbeiten wir neue Informationen, ändern sich diese Verknüpfungen - und zwar in jungen Jahren schneller als im Alter“, so Spitzer. Besonders Lernprozesse ab dem 17. Lebensjahr bauen vorwiegend auf bereits vorhandenen Strukturen auf. Das gesamte Leben im Blick, ging der Neurowissenschaftler zudem auf die Rolle von Emotionen bei Lernprozessen ein.
Rudolf Tippelt begann seinen Vortrag mit einem Lob an die Akademieteilnehmer: „Viele Menschen haben das Gefühl, bereits mit 55 Jahren zu alt zum Lernen zu sein. Sie gehören zum Glück nicht dazu.“ Ohnehin plädierte er für lebenslange Weiterbildung, die auch einer so genannten Lernentwöhnung vorbeuge und größere geistige Mobilität fördere. Die Zukunft der Bildungsforschung sieht Tippelt in der interdisziplinären Zusammenarbeit mit angrenzenden Fächern. In diesem Sinne stellten sich die Professoren gegenseitig Fragen und gingen auch auf aktuelle Bildungsthemen wie die Bologna-Reform und die Migrations-Debatte um Thilo Sarrazin ein. Das Plenum nutzte die Gelegenheit und diskutierte mit den bekannten Wissenschaftlern, Akademieteilnehmer aus anderen Hörsälen wurden per Telefon zugeschaltet.
Die Weiterbildungswoche läuft in diesem Jahr vom 27. September bis zum 1. Oktober. Neben der Hirn- und Bildungsforschung beleuchten Vorträge so unterschiedliche Themen wie Kinderschutz sowie die Nutzung von Stammzellen. Natürlich darf das große Ulmer Forschungsthema Batterien und Brennstoffzellen als Basis der Elektromobilität ebenso wenig fehlen wie eine Diskussion ethischer Aspekte der experimentellen Laborforschung in den Sozialwissenschaften. Nachmittags können sich die Senioren in Arbeitsgruppen aus den Bereichen Kultur, Geschichte, Gesundheit, Religion und Alltag weiterbilden.
Von Annika Bingmann