Sie haben mit ihrer Forschung das schier Unmögliche möglich gemacht, um dem Unsichtbaren Sichtbarkeit zu verleihen: Die vier Physikprofessoren Harald Rose, Maximilian Haider, Knut Urban und Ondrej Krivanek erhalten den hochrenommierten Kavli-Preis für Nanowissenschaften. Dies hat am Mittwoch, den 27. Mai, die Norwegische Akademie der Wissenschaften bei der digitalen Bekanntgabe-Feieröffentlich gemacht. Die Akademie vergibt den mit 1 Million Dollar dotierten Preis gemeinsam mit dem norwegischen Forschungsministerium und der US-amerikanischen Kavli-Stiftung. Die diesjährigen Preisträger des Kavli-Preises für Nanowissenschaften gehören zu den Wegbereitern der modernen Elektronenmikroskopie: Professor Harald Rose kam 2010 als Carl Zeiss-Gastprofessor an die Universität Ulm und forscht hier seit 2016 auf einer Seniorprofessur. Zuvor war er viele Jahre an der Technischen Universität Darmstadt tätig.
Dass es mehr als 60 Jahre nach der Erfindung des Transmissionselektronenmikroskops (TEM) endlich möglich wurde, einen Blick in die Welt der Atome zu werfen, ist nicht zuletzt diesen vier Wissenschaftlern zu verdanken. Was viele Physiker bis dahin grundsätzlich für unmöglich hielten, ist den vier Kavli-Preisträgern mit wissenschaftlicher Bravour und Hartnäckigkeit gelungen. Harald Rose (Universitäten Darmstadt und Ulm), Maximilian Haider (CEOS GmbH) und Knut Urban (Forschungszentrum Jülich) haben in den 1990er Jahren ein technisches System zur Korrektur optischer Bildfehler entwickelt, mit dessen Hilfe erstmals höchstauflösende elektronenmikroskopische Aufnahmen von subatomaren Strukturen gemacht werden konnten. Mit ihrer Forschungs- und Entwicklungsarbeit zur Aberrationskorrektur von Linsen für Elektronenmikroskope haben sie einen technologischen Grundstein gelegt, um die chemische Struktur und Zusammensetzung von Materialen in bislang unerreichten Maßstäben aufzuklären.
„Mit diesen bildfehlerkorrigierten Linsen wurde es nicht nur möglich, einzelne Atome, sondern auch deren Bewegungen und Interaktionen mit bisher nie gekannter Präzision sichtbar zu machen“, erklärt Professor Harald Rose, Seniorprofessor an der Universität Ulm.
Grundlage hierfür waren Harald Roses bahnbrechende theoretische Vorarbeiten zur elektromagnetischen Korrektur sogenannter Öffnungsfehler aus seiner Zeit an der TU Darmstadt. Maximilian Haider und Knut Urban gelang schließlich die technische Umsetzung dieses Konzepts und die Entwicklung des ersten konventionellen aberrationskorrigierten Transmisssionselektronenmikroskops (TEM). Der tschechisch-amerikanische Physiker Ondrej Krivanek (Nion Co.) wurde hingegen für seine wissenschaftlichen Verdienste um die fehlerkorrigierte Rastertransmissionselektronenmikroskopie (STEM) geehrt.
Digitale Bekanntgabe-Feier mit dem World Science Fesitival
Für die Bekanntgabe der Kavli-Preisträger in Nanowissenschaften, Neurowissenschaften und Astrophysik, die jeweils mit einer Million Dollar dotiert sind, wurde aufgrund der Corona-Pandemie eigens ein Online Format entwickelt. Nach der Live-Übertragung am 27. Mai kann die Online Show auch später noch weltweit im Internet verfolgt werden. Die digitale Umsetzung gelang dank einer Kooperation der Veranstalter mit dem World Science Festival New York. Für diese besondere Premiere wurde die gesamte Veranstaltung samt Preisreden, Interviews und Diskussionen in eine webfähige Form gebracht. Die traditionelle Übergabe der goldenen Kavli-Medaillen durch den norwegischen König Harald V. musste allerdings auf den September 2022 verschoben werden.
Mit ihrer außerordentlichen wissenschaftlichen Leistung haben die vier Ausgezeichneten Harald Rose, Maximilian Haider, Knut Urban und Ondrej Krivanek einen grundlegenden Beitrag dazu geleistet, die Welt im Kleinen besser zu verstehen. „Ihre Arbeit ist ein schönes Beispiel für wissenschaftlichen Einfallsreichtum, Hingabe und Beharrlichkeit. Sie haben es der Menschheit ermöglicht, dort etwas zu sehen, wo wir vorher nicht sehen konnten", sagte Professorin Bodil Holst, Vorsitzende des Kavli-Preis-Komitees für Nanowissenschaften. „Diese Wissenschaftler zu ehren und der Welt bekannt zu machen, wer sie sind und wie sie die Forschung und Technologie, die Industrie und unser Leben verändert haben, ist wichtiger denn je.“
Der Kavli-Preis
Der nach dem norwegisch-amerikanischen Wissenschaftler Professor Fred Kavli benannte Wissenschaftspreis wird gemeinsam vergeben von der Norwegischen Akademie der Wissenschaften, dem norwegischen Ministerium für Bildung und Forschung sowie der US-amerikanischen Kavli-Stiftung. Verliehen wird die Auszeichnung alle zwei Jahre an herausragende Forschende, die mit ihrer Arbeit einen wissenschaftlichen Durchbruch erreicht haben. Die drei jeweils mit 1 Million US-Dollar dotierten Preise werden für die Bereiche Nanowissenschaften, Neurowissenschaften und Astrophysik vergeben. Der Kavli-Preis gehört zu den renommiertestes Forschungspreisen weltweit, unter den Ausgezeichneten sind viele Nobelpreisträger; den Kavli-Preis für Nanoscience erhielten beispielsweise die Professoren Stefan Hell und Gerd Binnig. Hinzu kommen weitere Wegbereiter modernster Bildgebungs- und Mikroskopietechnologien. 2018 wurden die Professorinnen und Professoren Emmanuelle Charpentier, Jennifer Doudna und Virginijus Šikšny für ihre Forschungen zur Genschere CRISPR/Cas ausgezeichnet.
Zur Person:
Professor Harald Rose forschte viele Jahre am Institut für Angewandte Physik der TU Darmstadt. Nach seiner Pensionierung kam er 2010 als Carl Zeiss-Gastprofessor an die Universität Ulm. Seit 2016 ist der Physiker Inhaber einer Seniorprofessur an der Uni Ulm. Hier war er maßgeblich an der Entwicklung des zweifach fehlerkorrigierten Niederspannungstransmissionselektronenmikroskops (SALVE) beteiligt. Das Ulmer SALVE-Gerät ist das weltweit erste Mikroskop seiner Art und erlaubt die Untersuchung besonders elektronenstrahlempfindlicher Materialen mit subatomarer Auflösung. Der vielfach ausgezeichnete 85-jährige gebürtige Bremer gehört zu den renommiertesten Wissenschaftlern auf dem Gebiet der Elektronenmikroskopie.
Das Video zur Bekanntgabe-Feier im Internet finden sie hier!
Ausführliche Informatinen zu allen Kavli-Preisträgern 2020 finden sie in Englischer Sprache hier!
Text und Medienkontakt: Andrea Weber-Tuckermann