Freude und Stolz bei den im Sonderforschungsbereich (SFB) 569 versammelten Chemikern und Physikern der Universität Ulm: Der seit sieben Jahren bestehende SFB „Hierarchische Strukturbildung und Funktion Organisch-Anorganischer Nanosysteme“ wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für weitere vier Jahre gefördert. Mehr als neun Millionen Euro hat sie dazu neu bewilligt, unter anderem auch für die Einrichtung einer integrierten Graduiertenschule und für den wissenschaftlichen Austausch mit Russland. „Dieser Erfolg ist umso höher zu bewerten, als die allerorts schwierige finanzielle Situation der Universitäten den bundesweiten Wettbewerb um diese Fördermittel deutlich verschärft hat“, freut sich der Sprecher des SFB, Professor Paul Ziemann, Direktor des Instituts für Festkörperphysik der Uni Ulm.
Dies nicht ohne Stolz auf die zusammenfassende Beurteilung der DFG-Gutachter: „Der SFB bewegt sich auf hohem wissenschaftlichen Niveau, hat seit seiner Einrichtung deutliche Fortschritte erzielt und beeindruckende Publikationsleistungen erbracht, die auch international Anerkennung finden. So hat sich der Verbund zu einem weltweit sichtbaren Zentrum auf dem Gebiet entwickelt“, hatten die Experten nach der zweitägigen Begutachtung vor Ort festgestellt. Der relativ große SFB gliedert sich in 17 Teilprojekte, Ziemann zufolge etwa hälftig geleitet von experimentell und theoretisch arbeitenden Chemikern und Physikern. Die neu bewilligten Mittel ermöglichen neben der Beschäftigung zahlreicher Nachwuchswissenschaftler, insbesondere Doktoranden, Investitionen in neue Forschungsgeräte, aber auch die Finanzierung häufig recht teurer Verbrauchsmaterialien.
„Zudem können wir unsere nationalen und internationalen Kontakte weiter ausbauen“, sagt Professor Ziemann. Spezielle Gäste- und Konferenzmittel erlaubten es nämlich, auswärtige Experten nach Ulm zu holen und internationale Treffen zu organisieren. Für den SFB-Sprecher ein weiterer bemerkenswerter Aspekt ist die im Zusammenhang mit der Verlängerung genehmigte integrierte Graduiertenschule: „Sie ermöglicht nicht nur eine noch bessere Betreuung der Doktoranden durch zusätzliche Lehrangebote, sondern auch Hilfe zur Selbsthilfe und die Übertragung von Eigenverantwortung.“ Vermehrt vorgesehen sei überdies die Teilnahme junger Mitarbeiter an internationalen Konferenzen, auf denen sie ihre Ergebnisse präsentieren und neue Kontakte knüpfen könnten.
Zusätzliche Mittel bewilligt worden sind jetzt für den intensiven Austausch mit der Russischen Akademie für Wissenschaften und der Staatlichen Universität Moskau. Aus gutem Grund: „Durch die Mitarbeit des Akademie-Mitglieds und Wolfgang-Paul-Preisträgers Professor Khokhlov konnte sich unser SFB auf dem Gebiet der theoretischen Beschreibung von Polymeren deutlich verstärken“, berichtet Professor Paul Ziemann und spricht von einer „in Deutschland einmaligen Zusammenarbeit“, in deren Rahmen inzwischen junge russische Chemiker und Physiker ihre Doktorarbeit überwiegend in Ulm angefertigt und ihren Titel auch nach Ulmer Regeln erworben hätten.
SFB-Sprecher Ziemann indes nennt noch weitere Erfolgsfaktoren des SFB 569, der sich inhaltlich mit der Frage beschäftigt, wie vielatomige chemische Verbindungen, Makromoleküle oder Polymerketten, manipuliert werden müssen, damit diese über Selbstorganisationsprozesse Strukturen mit neuen Funktionen bilden. Strukturen übrigens so klein, dass sie erst tausendfach dem Umfang eines Haares entsprechen. „Die Funktionen selbst erfahren keine weiteren Einschränkungen“, erläutert der Ulmer Wissenschaftler. So beschäftigten sich Teilprojekte mit katalytischen, magnetischen und optischen Eigenschaften von Nanostrukturen oder mit dem Transport von Strom und Wärme durch solche Strukturen. Auch die Entwicklung organischer Bauelemente für die Elektronik sowie unkonventioneller Lithographietechniken für die Nanoskala seien Aspekte, die im SFB bearbeitet würden. „Teilweise durchaus mit einem gewissen Anwendungsbezug“, erklärt Ziemann, „aber zeitlich davon noch weit entfernt“.
Gleichwohl harmonierten die Zielsetzungen des SFB mit dem Gesamtforschungskonzept der Universität ebenso wie mit jenen bereits vorhandener oder geplanter Zentren und Netzwerke. Die Verbindung mit der theoretischen und experimentellen Quanteninformationsverarbeitung etwa, die Einbettung in den Transregio SFB 21 mit den Universitäten Stuttgart und Tübingen sowie in das Forschungsnetzwerk „Funktionelle Nanostrukturen“ mit Forschern in Karlsruhe, Stuttgart, Konstanz und Ulm, beteiligt hier neben Chemie und Physik auch die Ulmer Elektrotechnik. Überdies profitiert der SFB 569 Professor Ziemann zufolge von der exzellenten Ulmer Infrastruktur in Sachen Rastertunnel-, Rasterkraft- und höchstauflösender Elektronenmikroskopie. Denn: „Die Herstellung von Nanostrukturen verlangt auch eine entsprechende Kontrolle und damit analytische Werkzeuge mit atomarem Auflösungsvermögen. Hier spielen verschiedene Rastersondenmethoden eine herausragende Rolle.“
Nicht zuletzt bemerkenswert: Der SFB sei auch eng in die Lehre eingebunden, betont der Sprecher. Dies besonders in den englischsprachigen Master-Studiengang „Advanced Materials“ mit seinen beiden wählbaren Säulen „Nanomaterials“ oder „Biomaterials“. Verstärkt würden die Dozenten aus dem SFB dabei durch Kollegen aus der Elektrotechnik und Medizin. Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Erfolg: Inzwischen sind, so Professor Ziemann, mehrere Absolventen dieses Studienganges als Doktoranden in den SFB 569 gewechselt.
Weitere Informationen: Prof. Dr. Paul Ziemann, Tel. 0731/50-22970