Stereotype, soziale Dilemmata und Flow-Erlebnisse. Das sind die Hauptforschungsgebiete von Professor Johannes Keller. Seit 2009 leitet der 36-jährige die Abteilung Sozialpsychologie am neu gegründeten Institut für Psychologie und Pädagogik der Universität Ulm. Anders als viele seiner Kollegen untersucht Keller kognitionspsychologische Fragestellungen auch mit Hilfe physiologischer Daten. „Nur so bekomme ich ein umfassendes Bild menschlichen Verhaltens“, erklärt der Professor. Er habe den Ruf nach Ulm auch aufgrund der interdisziplinären Ausrichtung der Universität angenommen, die eine viel versprechende Zusammenarbeit mit Medizin und Biologie ermögliche.
So genannte Flow-Erlebnisse treten auf, wenn Menschen Tätigkeiten ausüben, deren Anforderung sie gerade so entsprechen, wodurch ein Glückszustand eintreten kann. Ein Beispiel sind geforderte Schachspieler, die völlig in ihrem Tun aufgehen, obwohl sie nicht unbedingt materiell davon profitieren. Johannes Keller untersucht nun unter Berücksichtigung physiologischer Daten, wie Flow-Erlebnisse entstehen und was sie für Konsequenzen mit sich bringen. „Bisher wurden solche Flow-Situationen durchweg positiv gesehen. Unsere physiologischen Messungen deuten jedoch darauf hin, dass der Körper trotz Glücksempfinden unter erheblichem Stress steht“, erklärt der Professor. Mit Kollegen aus Mannheim und Heidelberg ergründet er außerdem das menschliche Verhalten in sozialen Dilemmata, also wenn das individuelle Interesse dem Kollektivinteresse entgegensteht. Die Forscher fragen beispielsweise: Warum spenden Bürger für den Klimaschutz und warum zahlen sie GEZ-Gebühren? Antworten wollen sie unter anderem mit Hilfe der wirtschaftswissenschaftlichen Spieltheorie und kausalanalytischen Tests erhalten.Im Rahmen seines dritten Hauptforschungsgebiets untersucht Keller, wie Vorurteile auf Betroffene wirken. Ein Beispiel sind Frauen in der Mathematik. „Dabei haben Testverfahren gezeigt, dass weibliche Probanden gleich gut in Mathematik-Prüfungen abschneiden wie Männer. Vorausgesetzt Vorurteile wurden vor dem Test eliminiert.“ Etwa mit der Aussage, dass in vorherigen Studien mit ähnlichen Aufgaben keine Leistungsunterschiede zwischen den Geschlechtern festgestellt werden konnten.
Johannes Keller hat Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Sozialpsychologie an den Universitäten Köln und Mannheim studiert. Seine preisgekrönte Diplomarbeit hatte bereits den Einfluss von geschlechtsspezifischen Stereotypen bei mathematischen Testverfahren zum Thema. Anschließend arbeitete er am Mannheimer Lehrstuhl für Mikrosoziologie und Sozialpsychologie und blieb den Stereotypen in seiner Doktorarbeit treu – wiederum aus der Perspektive der von negativen Stereotypen betroffenen Personen. Geforscht hat Keller bereits an der University of Michigan in Ann Arbor und an der Université Catholique im belgischen Louvain-la-Neuve.
Von Annika Bingmann