Bei einer Feier an der Universität Ulm werden am Freitag dieser Woche die Baden-Württemberg-Zertifikate des Hochschuldidaktikzentrums verliehen. Unter den Absolventinnen und Absolventen des Regionalverbunds Württemberg sind diesmal zwölf von der Universität Ulm, deutlich mehr als im Vorjahr (vier). Ganz besonders freut sich darüber Stefanie Maria Wiest, seit einem Jahr Leiterin der Arbeitsstelle Hochschuldidaktik an der Uni Ulm. Die Diplom-Pädagogin ist überzeugt: „Die Lehre wird künftig mehr als bisher in den Blickpunkt rücken und an Bedeutung gewinnen, auch der Studiengebühren wegen.“
Aus ihrer Sicht weitere Indizien für diese Entwicklung: Zum einen die Empfehlungen des Wissenschaftsrates, zum anderen die Tatsache, dass immer mehr Bundesländer dem Beispiel Baden-Württembergs folgten. „Bei der Organisation und Vernetzung der Hochschuldidaktik hatte unser Land ohne Frage Pioniercharakter und eine Vorbildfunktion“, sagt Wiest nicht ohne Stolz auf das breit gefächerte, an internationalen Standards orientierte und modular angelegte Angebot für das Lehrpersonal der Universitäten. Wobei sowohl einzelne Veranstaltungen als auch einzelne der drei Module belegt werden könnten. Das Zertifikat allerdings erfordere die Teilnahme an allen Modulen, zweifellos ein anspruchsvolles und gemeinhin auf drei Jahre verteiltes Programm. Aber auch ein lohnendes, meint die gebürtige Marburgerin, Jahrgang 1975, die in Bielefeld Erziehungswissenschaften und Soziologie, später im Nebenfach noch Betriebswirtschaftslehre studiert sowie verschiedene Weiterbildungen absolviert hat.
Und nicht nur die Teilnehmer persönlich profitierten von der Didaktik-ausbildung. Vielmehr schlage sich dies auch bei den Instituten nieder. „Gleichwohl ist die Nachfrage seitens der einzelnen Fakultäten sehr unterschiedlich“, hat Stefanie Wiest beobachtet. Vor allem bei den Medizinern sei das Interesse hoch, weniger ausgeprägt dagegen bei Ingenieuren und Naturwissenschaftlern. Für wie womöglich auch eine Folge einer unterschiedlichen Gewichtung. „Zumindest teilweise belohnen Fachbereiche Didaktik-Schulungen bei der leistungsorientierten Mittelverteilung“, weiß die Diplom-Pädagogin, die naturgemäß inhaltliche Aspekte in den Vordergrund stellt: „Ich selbst habe daran schon früh Interesse entwickelt und die Hochschuldidaktik als spannendes Thema entdeckt.“ Mit deren zentralen Fragestellungen sich eigentlich jeder Lehrende beschäftigen sollte. „Wenigstens über die eigene Lehrphilosophie im Klaren werden und auch die eigene Rolle dabei.“ Nicht unwichtig ferner die Fragen: „Welche Lerntypen sitzen vor mir, wie erreiche ich sie am besten? Oder wo steht meine Hörerschaft gerade, wo muss ich sie inhaltlich abholen, wo will ich hin?“ Grundlagen der Lerntheorien eben, klassischen Fächern aus der Psychologie und Pädagogik gleichermaßen.
Gute Lehre jedenfalls zeichnet sich Wiest zufolge durch viele Faktoren aus. Die wichtigsten aber aus ihrer Sicht sind Interesse und Begeisterung auf beiden Seiten sowie der Wille zur Selbstverantwortlichkeit. Keine Frage für die mit einer aus Studiengebühren finanzierten Halbtagsstelle ausgestattete Koordinatorin: „Natürlich gibt es Lehrende, die Talent und Begeisterung von Natur aus mitbringen.“ Ebenso sicher aber sei: „Didaktik kann man lernen.“ Wie ein ordentliches Handwerkszeug eben. Nur das Fachwissen müsse vorhanden sein. „Sonst hilft auch keine Didaktik“, betont Stefanie Wiest. Ein weit verbreitetes Vorurteil will sie in diesem Zusammenhang gerne ausräumen: „Gute Lehrformen sind unabhängig von der Größe der Hörerschaft.“ Entscheidend sei vielmehr „die Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden“. Und die könne auch in einer Vorlesung mit 400 Leuten funktionieren.
Wiests Aufgabenbereich allerdings ist nicht auf die inhaltliche Ausrichtung der Didaktik-Ausbildung beschränkt. Gefragt ist die Expertin zudem als Beraterin. In Einzelfällen etwa, wenn Dekane Bedarf an bestimmten didaktischen Schulungen anmelden. Oder bei der Begleitung struktureller Veränderungsprozesse in Instituten, jeweils bezogen auf die Lehre natürlich. „Außerdem unterstütze ich die Umsetzung neuerer didaktischer Konzepte in der Lehre, problemorientiertes Lernen zum Beispiel.“
Weitere Informationen: Frau Wiest, Telefon 0731/50-26188