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Hannover Messe 2015
Ulmer Forscher zeigen Korrosionsschutz und Universal-Pumpe

Universität Ulm

Vom 13. bis zum 17. April zieht es Technikinteressierte wieder in die niedersächsische Hauptstadt: Die Hannover Messe öffnet ihre Pforten unter dem Leitthema „Integrated Industrie – die Zukunft ist vernetzt.“ Die Universität Ulm ist mit zwei Exponaten vertreten: Am Stand von Baden-Württemberg International (Halle 2, Ständer. A18) zeigen Forscher einen Korrosionsschutz mit „Selbstheilungskräften“, der Metalle zuverlässig vor Säureangriffen bewahrt. Dazu kommt eine neuartige Pumpe, die giftige, klebrige und sterile Flüssigkeiten pulsationsfrei abgibt und sowohl in der Klinik als auch im Labor zum Einsatz kommen kann.

Rund drei Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts werden derzeit zur Korrosionsbekämpfung eingesetzt. Betroffen sind Rohre, Kirchendächer, Autos oder beispielsweise Smartphones. Auf der Hannover Messe präsentiert Professor Carsten Streb vom Ulmer Institut für Anorganische Chemie I eine Entwicklung, die womöglich das Zeug zum Korrosionsschutz der Zukunft hat. Die Polyoxometallat-basierte Flüssigkeit (POM-IL) bewahrt Metalle vor Korrosion und anderen schädlichen Umwelteinflüssen und kann bei Bedarf ganz einfach mit organischen Lösungsmitteln entfernt werden. Und damit nicht genug: Wird die Schutzschicht aus POM-IL beschädigt, heilt sie sich sogar selbst.

Aber zurück zur Entdeckungsgeschichte: Vor einiger Zeit stellte der damalige Masterstudent Sven Herrmann im Labor ionische Flüssigkeiten her, die sich durch eine honigartige Konsistenz auszeichnen und auf Metall haften. Bei der anschließenden chemischen Analyse fiel auf: Eine bestimmte Flüssigkeit, die später POM-IL getauft werden sollte, war nicht nur säurestabil, sondern auch wasserabweisend – eine überraschende Kombination, die sich für den Korrosionsschutz eignen könnte. Gemeinsam mit seinem heutigen Doktorvater Streb entwickelte Hermann die Flüssigkeit weiter und überprüfte ihre erstaunlichen Eigenschaften. In einer abgeschlossenen Kunststoffkammer setzten die Wissenschaftler Kupferplättchen, die teils mit POM-IL bestrichen worden waren, Essigsäuredämpfen aus.

Unter dem Mikroskop zeigte sich: POM-IL hat einen Film auf der Metalloberfläche gebildet, das Kupfer war unversehrt geblieben. Im Gegensatz dazu wiesen die unbeschichteten oder mit anderen Schutzmitteln überzogenen Referenzproben Materialverluste von bis zu 25 Prozent auf. Dies bestätigte auch der Langzeittest über 24 Stunden.

In einem zweiten Versuch kerbten die Chemiker mit POM-IL beschichtete Kupferplatten ein und beregneten sie dann mit Essigsäure. So wurden die „Selbstheilungskräfte von POM-IL offenbar, denn tatsächlich breitete sich die Flüssigkeit gleichmäßig über die Metalloberfläche aus und verschloss die Kerbe. Der Korrosionsschutz war dadurch weiter gegeben.

Kurz nachdem die entsprechende Publikation in der Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ als „Hot Paper“ erschienen war, erreichten Streb und Herrmann zahlreiche Anfragen aus der Industrie. „POM-ILs haben sich als geeignete, preiswert herzustellende Materialien für den Korrosionsschutz erwiesen. Sie bieten einen chemischen und mechanischen Schutz von Kupfer gegenüber Essigsäure. Im Gegensatz zu Lacken und Farben lassen sie sich problemlos wieder entfernen, was zum Beispiel für Anwendungen in der Elektronik wichtig ist“, resümiert Streb. Bei der Hannover Messe hat er die Kupferplättchen als Leistungsnachweis der neuartigen Verbindungsklasse im Gepäck.

Preiswerte Pumpe für schwierige Fälle

Auf der Krankenstation und im Labor stellt sich oft das gleiche Problem: Flüssigkeiten müssen genau dosiert in den Körper des Patienten, zur Zelle oder ins Analysegerät gelangen. Bekommt ein Patient zu viel oder zu wenig von einer Infusion, kann dies dramatische Folgen für seinen Gesundheitszustand haben. Läuft im Labor mit einem Mal zu viel Nährlösung in eine Zellkultur, löst sich die Zelle womöglich vom Untergrund ab und wird weggespült.
Beide Szenarien können sich so oder so ähnlich an Stefan Bäders Arbeitsplatz in der Ulmer Universitätsklinik für Anästhesiologie abspielen. Deshalb hat der Ingenieur ein neuartiges membranbasiertes Pumpenkonzept entwickelt, mit dem Flüssigkeiten gleichmäßig und ohne Druckspitzen abgegeben werden. Um zu verhindern, dass das Medium nachläuft, kann das Gerät auch absaugen – dazu muss der Nutzer lediglich einen Schalter umlegen.

Vor etwa drei Jahren hat der Medizintechniker angefangen, bisherige Patente zu vergleichen und entschied sich, eine Hybridtechnologie zwischen Kolben- und Peristaltikpumpe zu konstruieren. Herzstück sind vier einzeln ansteuerbare Kolben, die getrennt voneinander Flüssigkeit ansaugen und abgeben. Um Druckspitzen zu vermeiden, sind immer nur drei von vier Einheiten gleichzeitig aktiv. Die pausierende vierte Einheit wird verwendet, um feine Restpulsationen auszugleichen. Dank dieser Balance können Flüssigkeiten gleichmäßig abgegeben werden.

Im Beispiel von der Krankenstation müsste das Pflegepersonal Infusionen weniger oft kontrollieren und dank der genau dosierten Abgabe würde die Lösung länger halten. „Die schwankungsfreie Medienförderung beruht auf einem rein mechanischen Verfahren und benötigt keine zusätzlichen Dämpfungsmaßnahmen“, erklärt Bäder. Die Überdeckung der Steuerkanten von Ventil- und Förderelementen werde durch eine spezielle Konstruktion verhindert.

Die Ulmer Pumpe, die kürzlich zum Patent angemeldet wurde, hat noch weitere Vorteile: Zum Beispiel sind alle Förderwege sichtbar. Anwender merken also sofort, wenn Luft im System ist. Außerdem bestehen die Bauteile, die Flüssigkeit führen, aus Kunststoff und sind deshalb auch als Einmalartikel preiswert herzustellen. Die Pumpe ist klein, leicht und im Zweifel braucht der Patient keine Infusionsständer.

Auf der Hannover Messe zeigt Stefan Bäder sein System, das sich für den Transport von heißen, giftigen, klebrigen oder sterilen Flüssigkeiten oder sogar Gasen eignet.
Insgesamt zeichnet sich die Pumpe (gegenüber Peristaltik-, Kolben-, Zahnrad- und Exzenterschneckenpumpen) durch einen geringen Teile- und Produktionsaufwand für eine hohe drehzahlunabhängige Förder- und Reproduziergenauigkeit bei umkehrbarer Fließrichtung aus. Stefan Bäder hofft in Hannover auf viele neugierige Standbesucher oder Kooperationspartner.

Die Hannover Messe vereint zehn Leitmessen an einem Ort und gilt nach wie vor als weltweit größte Industrieschau. Partnerland ist in diesem Jahr Indien.

 

 

Bildunterschriften:

Foto oben (Streb/Uni Ulm): Vier Kupferplättchen wurden teilweise beschichtet und anschließend für 24 Stunden Essigsäuredämpfen ausgesetzt


Die Bilder zeigen:
(a) Kupferplättchen mit POM-IL beschichtet (nicht korrodiert)
(b) Plättchen ohne Beschichtung (korrodiert)
(c) Kupferplättchen mit einer kommerziellen ionischen Flüssigkeit beschichtet (stark korrodiert)
(d) Plättchen mit festem POM-Salz (stark korrodiert)

Foto unten (Bäder/Uniklinik Ulm):Die neuartige Pumpe gibt giftige, klebrige und sterile Flüssigkeiten pulsationsfrei ab. Die Konstruktion im Detail:

Oben: Platte mit Stösseln für Ventile  und Austrieb
Mitte: Membran (rot) mit Förder-, Ventilkammern und Förderwegen
Unten: Matrize zur Membranfertigung.